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Wie aus einem Bunker ein nachhaltiges Gebäude entsteht

Heiko Schwarzburger
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In Düsseldorf hat der Architekt David Wodtke einen Hochbunker aus dem Zweiten Weltkrieg zu einem modernen, nachhaltigen Gebäudekomplex mit Wohnungen und Gewerbeflächen umgebaut. Dank Photovoltaikanlage, Stromspeicher und Blockheizkraftwerk werden rund 95 Prozent des Strombedarfs – auch für E-Autos – unabhängig vom Energieversorger gedeckt. Die Mieter profitieren von günstigem Strom.

Es braucht schon viel Fantasie, um sich einen heruntergekommenen Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg als modernes, nachhaltiges Gebäude für preisgünstiges und gemeinschaftliches Wohnen und Arbeiten vorzustellen. David Wodtke hatte diese Vision schon als Student in Berlin, wo ihn der Hochbunker in der Friedrichstraße auf die Idee brachte.

Der Hochbunker wurde durch einen modernen Anbau und aufgesetzte Stockwerke ergänzt.

Auch als er 2018 in seine Heimat in Nordrhein-Westfalen zurückging, ließ ihn der Gedanke nicht los. Im Düsseldorfer Stadtteil Gerresheim fand er einen 1942 gebauten Hochbunker. Dort wollte der Architekt seinen langjährigen Traum verwirklichen und zeigen, wie man historische Bausubstanz für das 21. Jahrhundert nutzt. Im Frühjahr 2021 war der sanierte Gebäudekomplex mit zwei aufgestockten Etagen und einem neuen Anbau bezugsfertig.

Der Hochbunker gegenüber der Arbeitersiedlung Neustadt gehörte zur Gerresheimer Glashütte, beides Überbleibsel des Zweiten Weltkriegs. Da der Abriss des Bunkers zu teuer gewesen wäre, stand der unansehnliche, graue Betonkomplex jahrzehntelang ungenutzt – sieht man ab von einer Diskothek, einem Wettbüro und einer illegalen Hanfplantage in den Gemäuern.

Bezahlbaren Wohnraum im Bunker

David Wodtke fand, dass man das historische Gebäude besser nutzen könnte. Zumal im Ballungsraum von Düsseldorf die Wohnungen knapp und teuer sind. „Ich wollte Wohnraum für mich und andere schaffen, nachhaltig bauen und die Energie sollte so weit wie möglich vor Ort erzeugt werden“, sagt er rückblickend.

Die meisten Bunker in Deutschland gehören dem Bund. Wodtkes Hochbunker war in Privatbesitz, ein halbes Jahr nach seiner Rückkehr kaufte er ihn. Bei den Genehmigungen für das Bauprojekt gab es keine Probleme. Den Zuständigen beim Bauamt seien seine Nutzungspläne inklusive der sozialen Einrichtungen lieber gewesen als eine Disco oder ein Wettbüro.

Die erste Aufgabe war, Licht in den Innenraum zu bringen. Fenster sind in Bunkern nicht vorgesehen, also mussten zunächst Löcher in die dicken Wände geschlagen werden.

Vielfältige Nutzung

Während Wodtke selbst den Umbau plante, entwickelte Matthias Henkel, Geschäftsführer der Firma Congy Concepts for Energy aus Kevelaer, das Energiekonzept für die Wärme- und Stromversorgung. So sieht die Verteilung der Flächen heute aus: Im Erdgeschoss befinden sich eine Kindertagesstätte und ein Bio-Imbiss. Der Co-Working-Space steht wegen der Coronapandemie zurzeit leer, soll aber baldmöglichst vermietet werden. Die Kita nutzt auch die erste Etage.

Im zweiten, dritten und vierten Stock ist Raum für sogenanntes Geschwisterwohnen. Hier können Kinder und Jugendliche, die aus ihren Familien genommen wurden, gemeinsam wohnen. In diesen Stockwerken gibt es außerdem große Wohnungen für Familien.

Im fünften und sechsten Stock sind hochpreisige Wohnungen angesiedelt. Die siebte Etage bewohnt der Bauherr selbst, im achten Stock hat er sein Büro eingerichtet. Die beiden obersten Etagen wurden auf dem alten Bunker aufgestockt.

Im Keller hat er einen Indoorspielplatz eingerichtet. Auf 300 Quadratmeter Fläche können die Jugendlichen aus dem Haus Sport treiben. Zu dem bestehenden Bunker hat Wodtke einen Anbau errichtet. Insgesamt entstanden rund 4.500 Quadratmeter beheizte Fläche – in der Summe 28 Wohneinheiten für etwa 90 Personen, hinzu kommen die Gewerbeflächen.

Nachhaltiges Energiekonzept

Den Strombedarf inklusive Elektromobilität hat der Architekt zusammen mit der Firma Congy mit 155.000 Kilowattstunden im Jahr berechnet (120.000 Kilowattstunden Gebäudeverbrauch und 35.000 Kilowattstunden für die E-Mobilität). Matthias Henkel riet zu der Kombination von Photovoltaikanlage, Hauskraftwerken von E3/DC und einem Blockheizkraftwerk (BHKW) für die Strom- und Wärmeversorgung. „Das ist sozusagen ein haptisches Modell“, sagt der Bauherr heute. „Wir können unseren Mietern zeigen, wo die Energie produziert wird.“

Das ist schon von außen sichtbar. Auf dem neuen Anbau installierte die Firma Congy Solarstrommodule mit 60 Kilowatt Leistung. Die Anlage wird rund 60.000 Kilowattstunden Strom im Jahr produzieren. Henkel hat sie mit zwei E3/DC-Hauskraftwerken aus der Pro-Serie kombiniert. Sie haben eine Gesamtspeicherkapazität von 52 Kilowattstunden und sammeln den Solarstrom, wenn er nicht sofort verbraucht wird.

60 Kilowatt Photovoltaik bilden das Rückgrat der Eigenstromversorgung.

Hauskraftwerke als Energiefarm

Eine Besonderheit des Energiekonzepts ist der Farming-Betrieb der Speichersysteme. Die beiden Speicher sind zu einer intelligenten Energiefarm parallel geschaltet, sie verfügen nur über einen Anschluss an das Stromnetz.

Ein Speicher fungiert als Master oder Farmmanager, er ist mit dem Netzregelpunkt verbunden. Er kommuniziert mit dem anderen Speicher, dem Slave, über das Netzwerk oder das Internet. Falls die Speicherkapazität beizeiten erweitert werden soll, ist dies bei den Hauskraftwerken von E3/DC problemlos möglich. Wodtke möchte zunächst abwarten und später gegebenenfalls Speicher nachrüsten.

Zwei Hauskraftwerke von E3/DC laufen als Energiefarm – nach dem Master-Slave-Prinzip an einem Netzanschluss.

BHKW erzeugt Wärme und Strom

Das Blockheizkraftwerk mit etwa 40 Kilowatt thermischer Leistung und 20 Kilowatt elektrischer Leistung produziert rund 226.000 Kilowattstunden Wärme und rund 116.000 Kilowattstunden Strom im Jahr. Für den Betrieb des BHKW sind etwa 355.000 Kilowattstunden Erdgas im Jahr nötig.

Wenn der Solarstrom aus der Photovoltaikanlage auf dem Dach nicht ausreicht, wird Strom aus dem BHKW im Gebäude genutzt. Er wird, wie der Solarstrom, in den Hauskraftwerken zwischengespeichert. Der Überschuss, sowohl von der Photovoltaik als auch aus dem BHKW, wird in das Netz eingespeist.

Installation der Stromspeicher, die den Sonnenstrom und den Strom aus dem BHKW aufnehmen.

Von den etwa 176.000 Kilowattstunden Strom, die insgesamt auf und im Hochbunker erzeugt werden, werden laut Simulation 75 Prozent direkt verbraucht. Vom gesamten Stromverbrauch werden 95 Prozent lokal und unabhängig vom Energieversorger gedeckt. Nur etwa fünf Prozent sollen aus dem Netz kommen. Zusätzlich ist eine Adsorptionskältemaschine installiert. „Sie nutzt im Sommer überschüssige Wärme vom BHKW und wandelt sie in Kälte zur Kühlung der Büros um“, erklärt Henkel.

Um den Wärmebedarf zu reduzieren, ließ Wodtke eine 160 Millimeter dicke Dämmung aus Mineralwolle auf den Außenwänden anbringen. „Es sind zwar extrem dicke Wände und viel Speichermasse“, erläutert er. „Aber durch die Dämmung können wir sicher sein, dass die Temperatur im Gebäude das Jahr über konstant bleibt.“

Ökologische Baumaterialien

Den Wärmebedarf im Gebäude hat er mit 50 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr berechnet. Wenn die Wärme aus dem BHKW nicht ausreicht, schaltet sich ein gasbetriebener Spitzenlastkessel zu.

Das Gas-BHKW liefert Strom und Wärme. Im Winter wird es durch einen Gaskessel unterstützt.

Dem Bauherrn war es wichtig, möglichst ökologisch zu bauen. Deshalb verzichtete er beispielsweise auf Styropor und nutzt in den Trockenbauwänden Holzwolle für die Dämmung. Auf dem Dach musste er Glaswolle verwenden. Wo möglich, wurde mit Lehm verputzt.

Seinen privaten und gewerblichen Mietern bietet der Architekt Mieterstrom an. Hierfür musste Wodtke ein Unternehmen gründen. Die technische Abwicklung und Abrechnung übernimmt die Firma Congy. Der Mieterstrompreis liegt einen Cent unter dem Ökostromtarif und etwa 2,6 Cent unter dem normalen Stromtarif des örtlichen Versorgers.

Die Mieter können frei entscheiden, ob sie Mieterstrom nutzen oder ob sie Strom von einem anderen Energieversorger beziehen. Der Preisvorteil überzeugte aber alle.

Das Gleiche gilt für die Wärmeversorgung. David Wodtke verkauft die Wärme aus dem BHKW an seine Mieter. Der Wärmepreis liegt rund fünf Prozent unter dem örtlichen Versorgungstarif, auch dies wieder ein überzeugendes Argument.

Mieterstrom und Mieterwärme

Die Elektromobilität ist ebenfalls Teil des Energiekonzeptes. Zwölf Wallboxen von E3/DC wurden in der Tiefgarage installiert. Vielleicht kommen bald öffentliche Ladestationen im Außenbereich dazu.

Das Bauvorhaben hatte schon zum Baustart Anfang 2019 für Schlagzeilen gesorgt. So waren die Wohnungen begehrt. „Innerhalb einer Woche waren sie vermietet“, erzählt David Wodtke, nicht ohne Stolz.

Nur zwei Wohnungen hat er inseriert. Neben dem Aufsehen erregenden Bauvorhaben – ein historischer Bunker im modernen Gewand – und der heute äußerst ansprechenden Optik ist auch der Mietpreis reizvoll.

Wodtke nimmt durchschnittlich 14 Euro je Quadratmeter Wohnfläche. Das sind vier bis fünf Euro weniger als in der Nachbarschaft im Stadtteil Gerresheim, der am Rande von Düsseldorf liegt.

Durch den Verkauf von Strom und Wärme erzielt er zusätzliche Gewinne. „Das haben die erneuerbaren Energien ermöglicht“, sagt er zufrieden. „Wir zeigen, dass man alte Gebäude mit uralter Substanz ins 21. Jahrhundert holen kann. Es ist ein neues Kapitel für große alte Gebäude aufgeschlagen.“

www.e3dc.com

www.congy.de/

Dieser Artikel ist zuerst erschienen in Photovoltaik Ausgabe 08/2021.

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