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Smarthome-Standard Matter: "Wir glauben an den Erfolg"

Dem Durchbruch des Smarthome-Bereiches steht die mangelnde Kompatibilität zwischen Marken und Geräten im Weg. Hausautomatisierungssysteme müssen sorgfältig ausgewählt werden, sonst stehen nicht genügend kompatible Geräte zur Verfügung oder man muss mit mehreren miteinander vernetzbaren Apps jonglieren. Die Connectivity Standards Alliance (CSA) möchte dies durch die Entwicklung von Matter ändern. 

Unsere Schwesterzeitschrift GLASWELT führte dieses Interview mit Andre Zech und Oliver Rilling. Andre Zech ist bei Siegenia im Produktmanagement verantwortlich für die elektromechanischen Produkte. Oliver Rilling ist Leiter Partnerschaften und Strategische Initiativen bei der Somfy GmbH.

Reden wir direkt über CSA und Matter – können Sie uns die Begriffe erläutern?

Oliver Rilling: Die CSA ist entstanden aus der ZigBee-Allianz, die schon 2002 gegründet wurde. Es kamen jetzt noch ein paar wichtige Player hinzu – wie beispielsweise Apple, Amazon, Samsung und Google. Der Hintergrund: Man möchte mit der großen CSA-Allianz einen gemeinsamen Standard für den Smarthome-Bereich definieren.

Andre Zech:  Und die Sprache, mit der sich die Produkte aus der CSA-Allianz verständigen können, heißt jetzt Matter, zuvor als „Chip“ bekannt. Matter soll für eine bessere Interoperabilität zwischen den Geräten der verschiedenen Hersteller sorgen.

Funk legt den Grundstein für ein flexibles und erweiterbares System zur Hausautomation.

Haben die zuletzt hinzugekommenen wichtigen Player wie Google oder Amazon versucht, den CSA-Standard auch noch in ihrem Sinne zu verändern?

Rilling: ZigBee wurde immer wieder angepasst und so geht es jetzt auch in der CSA weiter. Allen gemeinsam ist der Ansatz, dass die Basis IpV6 ist – also das Internetprotokoll. ZigBee selber war kein Protokoll, das internetbasiert benutzt werden konnte. Wunsch aller in der CSA war es aber, dass dieses Internetprotokoll in Matter durchgängig möglich ist.

Warum und seit wann ist Somfy in der CSA-Allianz mit dabei?

Für uns war es ein wichtiges Signal, als Apple dieser Allianz beigetreten ist. Ausgangspunkt ist der, dass selbst die großen Player gesehen haben, dass der Smarthome-Bereich noch keine „Wachstumsrakete“ war. Gleichfalls hatte man aber auch großes Potenzial erkannt, falls die Kommunikation untereinander vereinfacht wird.

Wann ist denn der Matter-Standard offiziell eingeführt?

Anfang Oktober 2022 wurde die Matter Spezifikation der Version 1.0 veröffentlicht. Das heißt zum Ende des Jahres oder Anfang 2023 werden erste Matter-Produkte im Markt auftauchen. Vielleicht noch eine kleine Ergänzung bezüglich Matter. Matter ist ein reiner Applikationslayer, darunter können Funkprotokolle genutzt werden – wie beispielsweise „Thread“, Bluetooth oder WiFi. Das wird künftig eben getrennt und dadurch wird es auch einfacher, Produkte miteinander zu verbinden. Heute müssen sich die Anbieter entscheiden, welche Funkprotokolle sie ansprechen und auf welcher Sprache sie basieren. Deshalb unterstützen wir als Somfy diesen neuen Ansatz.

Offensichtlich glaubt auch Siegenia an den Erfolg der CSA-Initiative?

Zech: Durch das technische Commitment aller könnte es zu diesem Turbo-Effekt kommen, den Oliver Rilling gerade beschrieben hat. Dazu kommt, dass der Beitritt von Apple, Google und Amazon natürlich auch eine Signalwirkung darstellt. Wir wissen ja, dass das nicht der erste Versuch ist, einen neuen Standard in den Markt zu bringen. Die Durchsetzungsfähigkeit zum Endkunden wird aber mit diesen Schwergewichten viel offensichtlicher. Wir glauben daran, dass Matter das Zeug dazu hat, sich auf dem Smarthome-Markt zu etablieren.

Was verspricht sich Siegenia von der neuen Allianz?

Es gibt die klassischen Wege über Bluetooth, LowEnergy oder WiFi, die wir immer schon berücksichtigen mussten. Dann gibt es die Fragen nach der Integration in die Apple-, Google- und Alexa-Welt – die man immer jeweils beantworten muss und die damit dreifachen Aufwand bei der Pflege bedeutet. Durch die neue Allianz würde sich hier eine deutliche Vereinfachung ergeben hinsichtlich der Entwicklung neuer Produkte und Anwendungen wie auch der Pflege dieser Applikationen und der entsprechenden Firmware.

Was hat der Anwender davon?

Zech: Ein Matter-fähiges Gerät, egal über welchen Hersteller es kommt, ist genauso mit der Home-App von einem iPhone bedienbar als auch über die Google-Nest Anwendung auf einem Android-Smartphone oder auch via Alexa-Steuergerät. Das heißt, der Anwender hat alle Möglichkeiten und kann sich darauf fokussieren, welches seine Lieblings-Bedienoberfläche ist.

Werden die Plattform-Betreiber wie beispielsweise Homematic-IP oder Somfy TaHoma überflüssig?

Rilling: Systembetreiber wie Homematic-IP oder auch wir mit TaHoma werden nach wie vor gebraucht, Matter ersetzt diese ja nicht. Es gibt Systeme, die alles ein bisschen können – die werden es schwer haben, weil sie durch die großen Player wirklich überflüssiger werden. Die Systeme mit einem eigenen Schwerpunkt können aber sogar an Bedeutung gewinnen. Wir beispielsweise kommen aus der Verschattung, andere kommen aus der Klima- oder Gebäudetechnik. Diese Systeme haben einen ganz spezifischen Zugang zum Markt. Für sie wird der neue Standard eher zu einer Aufwertung führen, weil sich zusätzliche Komponenten leichter integrieren ­lassen.

Wenn sich Somfy-Produkte auch via Google oder Apple ansteuern lassen, droht nicht doch die Gefahr, dass TaHoma an Bedeutung verliert?

Das sehen wir nicht. Denn mit solchen Apps haben Anbieter die Möglichkeit, sich zu differenzieren. Mit der CSA sollen ja nicht alle Apps vereinheitlicht werden, sondern jedem Systembetreiber die Möglichkeiten geboten werden, das eigene Portfolio zu stärken. Und Nutzer erhalten die Möglichkeit, sich diejenige Anwendung rauszusuchen, die für sie am besten passt. Sicher wird man Standardfunktionen – das Öffnen, das Schließen, das Überwachen – in der Apple Home App abbilden können. Spezifische Applikationen werden aber dort nicht möglich sein, ­dafür braucht man das Gateway der Systembetreiber wie Homematic, TaHoma oder auch Siegenia.

Wie kann dann die Integration von Spezialisten und Generalisten gelingen?

Zech: In den nächsten fünf bis zehn Jahren werden wir sicher nicht ohne die eigenen Gateway-Boxen auskommen. Heute ist auch noch nicht abzusehen, wann die Matter-Integration im Professional-Bereich überhaupt passiert. Damit ist klar, dass Service-Aspekte oder der ganze After-Sales- und Wartungsbereich nach wie vor über die eigene Infrastruktur laufen müssen. Allerdings werden sich die Gateway-Boxen in den zentralen Applikationen von Apple, Google und Amazon zusammenführen lassen.

Matter kommt aus Amerika, Definitionen sind somit auch von dort geprägt. Wie geht man in der CSA mit europäischen Besonderheiten um?

Rilling: Das ist ein Grund, warum wir uns frühzeitig an solchen Allianzen beteiligen: Um sicherzustellen, dass die Applikationen, die wir bieten, darin auch wirklich berücksichtigt werden. Amerikaner beispielsweise kommen ohne Rollladen aus, die kennen diese Applikation nicht. Deswegen ist es uns ein Anliegen, dieses europäische Know-how einzubringen.

Zech: Uns geht es auch darum, sich Gehör zu verschaffen. Auch wir sind in den Arbeitsgruppen, um die europäischen Funktionen zu positionieren. Gegenüber Apple hätten wir keine starke Position, aber in der CSA herrscht eine gewisse Demokratie und somit werden hier auch regionale Besonderheiten stärker berücksichtigt.

Hat Matter das Zeug dazu, sich durchzusetzen?

Rilling: Heute weiß man nie genau, ob eine neue Komponente zum Gateway passt. Was ist mit den Kompatibilitäten? Die Gefahr ist immer vorhanden, dass ein gekauftes Modul sich nicht integrieren lässt. Mit Matter ließe sich diese Problematik auflösen.

Zech: Wir glauben auch an den Erfolg von ­Matter, deswegen ist Matter automatisch im Lastenheft neuer Smarthome-Produkte enthalten. Unsere neuen Produkte werden Matter-­ready sein. Unser Ansatz ist, über ein Gateway, also eine Bridge zu arbeiten, welche dann in der Lage ist, unsere Bestandsprodukte auch in die Matter-Welt zu integrieren. So ein Gateway kann übrigens mit einem Mehrwert versehen werden – wie beispielsweise einer Luftqualitäts­detektion.

 Haben sie bereits Matter-ready-Produkte in der Pipeline?

Genau, wir möchten möglichst bald Produkte für den B-to-C-Markt anbieten können.

Wie eng ist die Zusammenarbeit zwischen Siegenia und Somfy im Smarthome-Thema?

Wir sind über unseren Entwicklungsdienstleister zusammen in der CSA-Arbeitsgruppe. Parallel stehen wir auch sonst im regen ­Austausch miteinander, denn wir haben beide erkannt, dass wir über den Tellerrand schauen und Kooperationen eingehen müssen. Das ist ein Lernprozess, damit geht in gewisser Weise auch eine Umstellung der Firmenmentalität ­einher.

Wird die FritzBox in Zukunft im Smarthome-Bereich eine Rolle spielen?

Rilling: Der klassische Router wird weiterhin in den Wohnungen vorhanden sein, insofern spricht nichts dagegen, diesen auch für das Smarthome-Segment zu nutzen.

Zech: Die FritzBox wird allerdings auch nicht die Cloud-Router-Funktionen eines Smart Speakers oder einer TV-Box übernehmen – weil solche Geräte in entlegenen Ecken im Gebäude positioniert werden und nicht zentral und gut zu erreichen sind. Ein Mash-Netzwerk lässt sich so nicht besonders gut aufbauen.

Wie kommt das Smarthome-­Thema schneller voran?

Rilling: Beim Smarthome-Segment gilt: Man braucht einen langen Atem. Ich sehe die Offenheit für das Thema – gerade im Sonnenschutzbereich. Im Fensterhandwerk ist es etwas herausfordernder, aber auch hier kommen wir jetzt weiter. Ich bin überzeugt, dass mit den Generationswechseln in den Unternehmen das Thema noch weiter nach vorne kommt. Ich glaube zudem, dass die Digitalisierung im Haus auch stärker finanziell gefördert werden wird, was einen zusätzlichen Schub bringt. Wir müssen aber auch das Smarthome mit Themen verbinden, die einen echten Vorteil für den Nutzer oder für den Verkäufer bieten. Das fängt schon bei der Installation an und hört nicht bei dem eigenen Smarthome-Portfolio auf. Es muss einfach sein, aber auch umfassende Anwendungsmöglichkeiten bieten.

 Meine Herren, herzlichen Dank für Ihre Informationen!

Dieses Interview ist zuerst in der GLASWELT 11/2022 erschienen. Die Fragen stellte GLASWELT-Chefredakteur Daniel Mund.

Vielfältige Automations-Möglichkeiten im Smarthome.

Siegenia erklärt Beitritt zur CSA

Siegenia unterstreicht mit seiner Mitgliedschaft zur Connectivity Standards Alliance (CSA; 350 Mitglieder derzeit) sein Bekenntnis zu offenen globalen Standards für das IoT, die die herstellerübergreifende Verknüpfung von Smarthome-Anwendungen ermöglichen. Derzeit umfasst die CSA mehr als 350 Mitgliedsorganisationen aus über 37 Ländern – unter ihnen Apple, Google und Amazon –, die die Vereinfachung und Harmonisierung des IoT vorantreiben. Basis ist das von der Alliance entwickelte Funkprotokoll Matter.

Markus Bade, Leitung Geschäftsbereich Strategische Geschäftsfeldentwicklung und Produktmanagement bei Siegenia, sieht in der Mitgliedschaft ein großes Potenzial: „Unsere Vision der Zukunft geht hin zur Digitalisierung. Die Mitgliedschaft in der CSA spielt hier eine wesentliche Rolle: Die breite, herstellerübergreifende Anwendbarkeit von Matter macht diese noch relativ junge Plattform zur fraglos größten und zukunftsweisendsten ihrer Art. Die intelligente Nutzung ihrer vielversprechenden Technologie ermöglicht uns, Endanwendern smarten Mehrwert zu bieten und künftig verstärkt neue Märkte zu erschließen.“

Erste Matter-Lösungen bereits in Vorbereitung

Neue Lösungen von Siegenia für das Smarte Wohnen sollen ab sofort schon in der Entwicklungsphase auf Kompatibilität mit Matter ausgelegt werden. Geplant ist die Ergänzung des Portfolios um z. B. Sensoren und Gateways. In einem ersten Schritt ist derzeit die Einführung eines neuen Fenstersensors sowie eines smarten Fenstergriffs in Vorbereitung. Bereits bewährte Anwendungen für das Smarte Wohnen sollen ebenfalls mit Matter kompatibel gemacht werden. Hierzu steht Endanwendern schon bald ein spezielles Gateway zur Verfügung, das die Verbindung zur Matter-Welt gewährleistet.www.siegenia.com

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