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Zukunftsfähige Wärmenetze in Neubau und Bestand

Lars Keller
Inhalt

Diese dreiteilige Beitragsserie gibt einen Überblick verschiedener Wärmenetze in Deutschland. Bei hohen Temperaturen und Leistungen wird hauptsächlich Fernwärme eingesetzt. Hier ist derzeit eine Transformation von fossilen Wärmeträgern zu erneuerbaren Energien festzustellen. Immer mehr Großwärmepumpen werden geplant bzw. bereits eingesetzt. Nahwärmenetze sind im Zuge der Wärmewende unverzichtbar. Bei Verwendung bestehender, aber bis dato nicht genutzte Wärmequellen wie z.B. Rechenzentrumsabwärme, ergibt sich ein riesiges Potential. Auch hier finden oft Wärmepumpen zentral oder dezentral Anwendung. Dieser erste Beitrag gibt einen Überblick zur grundsätzlichen Situation und den unterschiedlichen Netzarten. Teil 2 zeigt den Aufbau von Nahwärmenetzen und liefert wertvolle Planungshinweise und erläutert mögliche Wärmequellen. Teil 3 beschäftigt sich mit der hydraulischen Auslegung und Materialwahl.

Status Quo der Wärmeversorgung und Energieträger

Für die privaten Haushalte ist Erdgas nach wie vor der mit Abstand wichtigste Energieträger. Mehr als die Hälfte (51,2%) aller bewohnter Wohnungen in Deutschland wird überwiegend mit Gas beheizt, wie Ergebnisse des Mikrozensus aus 2022 zeigen. Etwa jede fünfte bewohnte Wohnung wird überwiegend mit Heizöl (19,6%) und etwa jede sechste Wohnung mit Fernwärme (17,6%) beheizt. Weitere Infos siehe Bild 1.
 

Bild 1: Überwiegend verwendete Energieart bewohnter Wohnungen (ohne Wohnheim) 2022.

Die zukunftsfähige Wärmeversorgung benötigt effiziente und umweltfreundliche Lösungen. Wärmenetze der aktuellen Generation sind innovative, zukunftsweisende Systeme zur Versorgung von Gebäuden mit Wärme und Kälte. Im Gegensatz zu herkömmlichen Wärmenetzen, die meist auf fossile Brennstoffe wie Öl oder Gas angewiesen sind, setzen diese Wärmenetze auf erneuerbare Energieträger wie Wärmepumpen, Biomasse, Geothermie, Solarthermie oder Abwärme aus Industrieprozessen. Kommen Wärmepumpen zum Einsatz, empfiehlt sich ein genauer Blick auf die gewünschten Systemtemperaturen. Ist eine große Spreizung zwischen Vor- und Rücklauf und eine Vorlauftemperatur bis 85°C gewünscht, hat sich der Einsatz von CO2 als Kältemittel bewährt.

Was macht die neuen Wärmenetze so effizient?

Ein weiteres Merkmal ist die hohe Effizienz durch die Nutzung von dezentralen Wärmequellen und intelligenten Verteilsystemen. Hierbei wird das Wärmeangebot gezielter gesteuert und verbraucherseitig ressourcenschonender eingesetzt. Netze der neuen Generation (warm oder kalt) weisen niedrigere Systemtemperaturen auf – das ermöglicht den effizienten Einsatz erneuerbarer Energien und damit CO2-Einsparung bis hin zur CO2-Neutralität. Zusätzlich ermöglichen moderne Technologien, wie das Einbinden von Wärmespeichern, ein intelligentes Lastmanagement oder die Kombination mit Stromspeichern und Photovoltaikanlagen, den Einsatz von Wärmenetzen auch für eine dezentrale Energieversorgung im ländlichen Raum.

Fernwärme ist bisher vor allem fossil

Fernwärme kommt bislang überwiegend aus fossilen Quellen. 2023 gab es ein Fernwärme-/-kälteaufkommen von 129 Mrd. kWh, davon wurden 120 Mrd. kWh verwendet, 9 Mrd. kWh sind Wärmebetriebsverbrauch, Verluste und statistische Differenzen. Erzeugt wird die Wärme vor allem durch die Verbrennung von Kohle und Erdgas in Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen (KWK). Diese erzeugen sowohl Strom als auch Wärme. Das ist zwar deutlich effizienter als die ungekoppelte Energieerzeugung für die beiden Sektoren, durch die Nutzung fossiler Brennstoffe aber dennoch klimaschädlich. Der Anteil erneuerbarer Energien an der Fernwärme lag nach Angaben des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) 2023 bei gerade einmal 19,5 % (Bild 2).
 

Bild 2: Nettowärmeerzeugung* nach Energieträgern in Deutschland 2023.

In Deutschland wird Fernwärme mit verschiedenen Brennstoffen betrieben, wobei die Nutzung von erneuerbaren Energien und umweltfreundlichen Quellen in den letzten Jahren zugenommen hat. Die häufigsten Brennstoffe für Fernwärme in Deutschland sind:

  • Erdgas: Erdgas ist einer der häufigsten Brennstoffe für die Erzeugung von Fernwärme in Deutschland. Gasbetriebene Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen (KWK-Anlagen) erzeugen gleichzeitig Strom und Wärme, wodurch die Effizienz gesteigert wird.
  • Biomasse: Biomasse ist ein wichtiger erneuerbarer Brennstoff für die Fernwärmeerzeugung. Dazu gehören Holzpellets, Holzhackschnitzel, biogene Abfälle und landwirtschaftliche Rückstände.
  • Müllverbrennung: In Deutschland wird auch Fernwärme aus Müllverbrennungsanlagen erzeugt, bei denen der nicht wiederverwertbare Abfall verbrannt wird, um Wärme zu erzeugen.
  • Stein- und Braunkohle: Obwohl der Anteil der Kohleverstromung insgesamt abgenommen hat, wird in einigen Regionen Deutschlands immer noch Fernwärme aus Kohlekraftwerken erzeugt. Allerdings gibt es Bemühungen, den Anteil der Kohle am Energiemix zu reduzieren.
  • Geothermie: Die Nutzung von Geothermie für Fernwärme ist zwar begrenzt, aber es gibt einige Standorte in Deutschland, an denen die natürliche Wärme aus dem Erdinneren für die Wärmeversorgung genutzt wird (Beispiel: Stadtwerke München)
  • Abwärme: In Industriegebieten wird häufig Abwärme aus industriellen Prozessen oder Kraftwerken für die Fernwärmeerzeugung genutzt, was eine ressourcenschonende Option darstellt. 

Es ist wichtig zu beachten, dass die Brennstoffzusammensetzung für Fernwärme in Deutschland je nach Region und Energiepolitik variieren kann. Der Trend geht jedoch in Richtung einer verstärkten Nutzung erneuerbarer Energien und einer Reduzierung der CO2-Emissionen im Rahmen der Energiewende in Deutschland.

Somit existiert ein großer Transformationsbedarf in bestehenden Wärmenetzen. Dieser Umbau ist mit großen Investitionen und einem entsprechend langen zeitlichen Vorlauf verbunden. Zusätzlicher Handlungsdruck entsteht durch den beschlossenen Kohleausstieg: Kohlekraftwerke gehen in den kommenden Jahren vom Netz, die wegfallende Wärmeerzeugung muss ersetzt werden – und dass möglichst direkt durch CO2-neutrale Alternativen.

Wärmenetze in Neubau und Bestand

Wärmenetze können sowohl im Neubau als auch im Gebäudebestand eingesetzt werden. Im Neubau können Wärmenetze von Anfang an geplant und Systemtemperaturen richtig in das Gebäudekonzept integriert werden. Dabei lassen sich verschiedene Wärmequellen wie beispielsweise Geothermie, Solarthermie, Abwärme aus Industrieprozessen oder Biomasse nutzen, um die Wärme über das Wärmenetz zu verteilen.

Im Gebäudebestand können Wärmenetze nachgerüstet werden, um eine effiziente Wärmeversorgung zu gewährleisten. Dabei ist es wichtig, die Bedürfnisse und Gegebenheiten des Gebäudes zu berücksichtigen, um ein passendes Konzept zu entwickeln. Alte Heizungsanlagen können durch moderne Bausteine wie Wärmepumpen oder übergangsweise durch Blockheizkraftwerke oder Brennwertkessel ersetzt werden, um die Effizienz zu steigern.

Wärmenetze ermöglichen neben der Effizienzsteigerung auch eine Flexibilisierung der Wärmeversorgung. Die Wärmequellen können je nach Bedarf angepasst und auch erneuerbare Energien verstärkt genutzt werden, um den Anteil an fossilen Brennstoffen zu reduzieren.
Für die Auswahl der richtigen Technologie kann eine Wärmeplanung mit gezielter anschließender Betrachtung der Machbarkeit ein wichtiger Baustein auf dem Weg zur regenerativen Energieversorgung sein. Bei den nachfolgend beschriebenen Wärmenetzsystemen bietet sich die Integration von Wärmepumpen nicht nur bei der Versorgung von einzelnen Gebäuden, sondern auch bei der Umsetzung an.

Definition Fernwärme – Nahwärme – kalte Nahwärme

Bei Wärmenetzen gibt es eine Unterscheidung in unterschiedliche Generationen. Bei Wärmenetze der 3. Generation handelt es sich um Bestandsnetze, diese nutzen unter Druck stehendes Heißwasser von ca. 100 °C im Vorlauf. Aus den hohen Wassertemperaturen resultieren aber erhebliche Wärmeverlusten, besonders stark tritt dieser Effekt im Sommer auf, wo nur wenig Wärme abgenommen wird. 

Bei Wärmenetzen der 4. Generation kommt man mit geringeren Vorlauftemperaturen von etwa 70 °C zu recht, entsprechend geringer sind die Wärmeverluste. Dies ermöglicht die Nutzung von regenerativen Wärmeerzeugern wie Solarthermie, Geothermie oder Abwärme aus Industrieprozessen. 

Wärmenetze der 5. Generation, welche auch als kalte Nahwärmenetze oder Anergienetze bekannt sind eignen sich besonders in Kombination mit Wärmepumpen. Mit Hilfe von kalten Nahwärmenetzen ist es möglich, Wärme und Kälte mit einem einzigen Netz bereitzustellen und Abwärme aus Gebäuden mit Kältebedarf zur Beheizung von Gebäuden mit Wärmebedarfen zu nutzen und so Wärme- und Kältebedarfe im Quartier teilweise gegenseitig auszugleichen.

Eine deutliche Abgrenzung zwischen Nah- und Fernwärmesystemen ist nicht definiert. Typischerweise sind Nahwärmenetze kleinere, lokale Netze, welche aus Heizzentralen vor Ort gespeist werden. Fernwärmenetze sind oftmals große Netze mit einer hohen Anzahl angeschlossenen Abnehmer, welche häufig durch Abwärme aus großen Kraftwerken oder / und mithilfe von Großwärmepumpen gespeist werden.

Fernwärme

Bestehende Fernwärmenetze, die ca. 15% des deutschen Wärmebedarfs und ca. 8% des Energiebedarfs abdecken, stehen vor der Herausforderung, fossile Energieträger durch klimafreundliche Energien zu ersetzen. Diese Möglichkeit bieten große Wärmepumpen-Anlagen, im Leistungsbereich von 1 MW bis 100 MW, um vorrangig im städtischen Bereich regenerative Energie beispielsweise aus Wärmequellen wie Geothermie, Gewässern oder Abwärme zu erschließen.

Bild 3: Fernwärmenetz

In Deutschland gab es 2023 ca. 475 Fernwärme-/-kältenetzbetreiber, 626 Fernwärmeerzeuger, 54 Wärmespeicherbetreiber und 590 Fernwärmelieferanten. Deutlich mehr Marktbeteiligung gab es bei Nahwärme- und Quartiersnetzbetreiber mit knapp 3.800. Die großen Fernwärmenetze werden in der Regel mit hohen Temperaturniveaus betrieben. Im Jahr 2023 betrug der Netto-Zubau (=Zubau-Rückbau) der Wassernetzte im Vergleich zu 2022 820 km (+2,5%). In Investitionen in die Fernwärme-/-kälteversorgung stieg um 9,5% von 2,1 Mrd. auf 2,3 Mrd. Euro. [Quellen: Destatis; BDEW; Stand 12/2023, Daten für 2023 vorläufig, teilweise geschätzt]. Eine Übersicht von durchschnittlicher Trassenlänge und Temperaturniveau ist Bild 4 zu entnehmen, dies bezieht sich auf das Jahr 2022.

Bild 4: Wärmenetze in Deutschland (Anzahl; Trassenlänge in km; Durchschnittliche-Trassenlänge in km/Netz).

Klassische (Warme) Nahwärme

Klassische Nahwärme bezieht sich auf eine Form der Wärmeversorgung von Gebäuden in urbanen oder ländlichen Gebieten durch ein zentrales Heizwerk in der Nähe der zu beheizenden Gebäude. Dabei wird Wasser erwärmt und über Rohrleitungen zu den einzelnen Wohn- und Gewerbeimmobilien transportiert, wo es zur Beheizung der Räumlichkeiten und zur Bereitstellung von Trinkwarmwasser genutzt wird. Die Wärme wird in der Regel durch fossile Brennstoffe oder /und erneuerbare Energiequellen wie Biomasse, geothermische oder Solarthermie-Anlagen erzeugt. 

Klassische Nahwärme gilt als wirtschaftliche und potenziell umweltfreundliche Alternative zur Einzelheizung von Gebäuden. Eingesetzte Wärmepumpen-Anlagen weisen meist Leistungen zwischen 50 KW und 1 MW aus.

Kalte Nahwärme

In der Regel wird für die kalte Nahwärme ein Temperaturbereich bis zu 30 °C festgelegt. Man spricht hier von Niedertemperaturnetzen. Die genaue Temperatur hängt jedoch von den vielfältigen Möglichkeiten, der vorhandenen (regenerativen) Wärmequellen und den zu versorgenden Gebäuden bzw. Quartieren ab.

Bild 5: Kaltes Nahwärmenetz mit dezentraler Wärmepumpe je Verbraucher.

Kalte Nahwärme wird aus einer oder mehreren Wärmequellen in einem Netz für die Abnehmer bereitgestellt. Die Wärmeerzeuger sind dabei dezentral angeordnete Wärmepumpen in dem zu versorgenden Objekt.

Im zweiten Beitrag wird detailliert auf Nahwärmenetze eingegangen: So funktioniert der Aufbau kalter Nahwärmenetze

Dipl.-Ing. Lars Keller ist Schulungspartner und Referent für die VDI 4645 Wärmepumpenanlagen, freier Autor TGA für diverse Fachmedien und hat bereits mehrere Fachbücher veröffentlicht. Außerdem betreibt er die Homepage www.hitz-koepfe.de.
www.tga-lars-keller.de

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