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Marktstudie: Vom Solarbalkon zum Steckersolar-Boom

Dittmar Koop
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Die HTW Berlin hat zusammen mit der Verbraucherzentrale NRW das noch recht junge Marktsegment Steckersolar in einer Studie betrachtet. Noch vor ein paar Jahren waren kleine PV-Module, die ihren Strom vom Balkon via Steckdose in einen häuslichen Stromkreis einspeisen, geächtet und verpönt. Die so genannten Balkonmodule waren nicht nur unter Elektrikern und Installateuren als „PV-Guerilla“ verschrien, sondern auch bei Netzbetreibern und beim VDE. Es entstand eine rege Diskussion über Sicherheitsbedenken und seitdem hat sich viel getan in Richtung einer Normierung.

Definition: Von Balkonsolar zu Steckersolar

Die Branche spricht heute von Steckersolargeräten. Die jetzt vorgelegte gemeinsame Marktstudie von HTW Berlin und Verbraucherzentrale NRW unterscheidet drei Leistungsklassen: 400 Watt, 400 bis 800 Watt und 800 bis 1200 Watt bzw. 1 bis 4 Module, die mit einem Schuko-Stecker (Typ F) oder einem Wieland-Stecker (DIN VDE V 0628-1) ausgestattet sind. Der Begriff „Steckersolargerät“ wird verwendet, da die Produkte im Entwurf der noch nicht abgeschlossenen Norm für steckerfertige PV-Systeme künftig so bezeichnet werden.

Früher nannte man sie „Guerilla-PV“, oder, wegen ihrer Anbringungsorte, „Balkon-PV“. Mittlerweile hat sich bezüglich einheitlicher Vorgaben in Form von Normierung viel getan.

Die anfangs häufig verwendete Bezeichnung „Balkonmodule“, als diese Module aufkamen, gibt das Bild in der Praxis nicht her, denn bzgl. des Einsatzortes von Steckersolargeräten ist laut Studie die häufigste Anwendungsart mit 44 Prozent die Aufständerung bspw. auf Flachdächern oder in Gärten, und erst die zweithäufigste Anwendung der Balkon (29 Prozent).

Die Studie hat ergeben, dass mittlerweile rund 190.000 Steckersolargeräte in Deutschland installiert sein dürften. Ein Boom setzt seit zwei Jahren ein. Die Zahlen basieren auf einer Kombination aus Befragungsergebnissen sowie Hochrechnungen.

Der Markt ist vielfältig und bunt

Zur Datenerhebung wurde das Bonner Marktforschungsinstitut EUPD Research mit ins Boot geholt. Allein schon die Zahl der Anschreiben zeigt, dass es mittlerweile sehr viele Anbieter gibt. Insgesamt schrieb EUPD 126 Akteure an (wovon 58 Anbieter antworteten). Das Anbieterverzeichnis der Info-Plattform „www.machdeinenstrom.de“ kam zum Zeitpunkt der Abfassung der Studie sogar auf 156 Marktakteure. Der Markt ist also vielfältig geworden, aber auch unübersichtlicher.

Laut Studie sind 72 Prozent der Marktteilnehmer Kleinstunternehmen mit weniger als 10 Mitarbeitern, die sich häufig ganz dem Thema Steckersolar widmen. Außerdem gibt es vereinzelt größere Unternehmen, die dann Steckersolargeräte eher als Beiprodukt in ihrem Portfolio sehen.

Wachsender Bedarf nach Standards und Orientierung

Die Studie stellt aufgrund der Angaben der befragten Unternehmen auch fest, dass die große Mehrzahl der Verkäufe Direktgeschäfte mit Endkunden sind und der Handel im Moment noch nur eine sehr untergeordnete Rolle spielt. Aus diesen Informationen lässt sich auch ableiten, dass für Interessierte der Orientierungsbedarf allein schon aufgrund der Vielfalt der Angebote zunimmt und es hier echt Informationslücken zu füllen gibt, wie das z. B. auf der Plattform machdeinenstrom.de oder über die Infos zu Steckersolargeräten der Verbraucherzentrale NRW (www.verbraucherzentrale.nrw/steckersolar) bereits geschieht.,

Umso dringlicher wird damit aber auch, dass es einheitliche technische Standards gibt. Interessenverbände wie etwa die AG PVPlug messen den Normänderungen große Bedeutung zu. Konkret sind dies Änderungen in den Normen DIN VDE 0100-551 und AR-N-4105, die den rechtlichen Rahmen für Steckersolargeräte erleichterten bzw. Unsicherheiten klärten.

Als „Balkonsolaranlagen“ wird laut Studie tatsächlich nur jede dritte Anlage installiert. Die meisten noch in Form von Aufständerungen auf Flachdächern oder in Gärten. Sie bestehen in der Regel aus ein bis vier Modulen.

Markt verdoppelt sich jährlich

Die Entwicklung dieser normativen Rahmenbedingungen ist nach Einschätzung der Autoren eine mögliche Erklärung, warum nach 2016 ein dynamischer Anstieg bei den in Deutschland installierten Anlagen zu verzeichnen ist, der seit 2020 weiter deutlich an Fahrt gewinnt.

Aufgrund der Rückmeldungen rechnet die HTW-Studie hoch, dass allein in den Jahren 2020 und 2021 bis zu 128.000 Geräte verkauft wurden, mit einer Leistung von bis zu 51 MW. Um das einordnen zu können: Gleichzeitig beziffert die Studie den Gesamtbestand an Steckersolargeräten Ende 2021 auf bis zu 190.000 Anlagen, was bedeuten würde, dass in den vergangenen Jahren ein regelrechter Boom eingesetzt hat.

Die große Mehrheit der befragten Unternehmen schätzt außerdem, dass sich der Markt jährlich um die Hälfte oder gar weiter verdoppeln wird. Haupt-Treiber dieser Entwicklung sind laut Studie das wachsende Umweltbewusstsein, das Bedürfnis nach Energieautarkie und steigende Stromverbrauch, gepaart heute auch mit der Sorge vor weiter steigenden Strompreisen.

Die meisten (39 Prozent) der verkauften Geräte befinden sich laut Studie in der Leistungsklasse bis 400 W und bestehen damit wahrscheinlich aus einem einzelnen Modul. Je höher die Leistungsklasse, desto geringer ist der Anteil an den verkauften Steckersolargeräten. Während Geräte mit 600 W bis 800 W mit einem Anteil von 25 Prozent etabliert zu seien scheinen, sind Geräte zwischen 800 W und 1200 W zwar vertreten, aber mit 4 Prozent die Ausnahme.

Steckersolar und Mieter

Die Diskussion um Steckersolargeräte ist nicht nur technischer Natur, sondern sie bewegt sich auch in einem energiepolitischen Kontext. Denn über sie können auch Mieter selbstbestimmt an der Energiewende teilnehmen, wenn auch im begrenzten Umfang. Denn was oft in der Diskussion über die angestrebte Energiewende/Wärmewende nicht gesehen wird: Knapp 60 Prozent der Deutschen lebt zur Miete. Sie können bspw. nicht entscheiden, ob sie eine PV-Anlage auf dem Dach haben wollen, weil sie kein Dach besitzen und auch nicht, welches Heizsystem im Keller läuft. Sie sind gegenüber Hausbesitzern auch darin Unterprivilegierte.

Die Steckersolaranlage bzw. die am eigenen Balkon wird hier auch zu einem Symbol. PV-Experten wie Thomas Seltmann, auf dessen Umfrage-Idee die Studie übrigens basiert, hatte im Rahmen seiner damaligen Tätigkeit als Referent für Photovoltaik gemeinsam mit Kollegen von der Verbraucherzentrale NRW im Rahmen einer Prosumerstudie das Solarsteckeranlagen-Potenzial untersucht, das allein in Nordrhein-Westfalen zu finden wäre. Das Ergebnis: mehr als eine Million Geräte, die mit mehr als 290 GWh so viel Strom erzeugen könnten wie ein kleines Kohlekraftwerk.

Das Thema Steckersolar hat neben den technischen Fragen noch eine andere Dimension: Sie ermöglichen, wenn auch im bescheidenen Umfang, Mieter selbstbestimmt an der Energiewende teilhaben zu lassen.

Allerdings vermuten die Autoren der jetzt vorgelegten Studie in der vergleichsweisen geringen Zahl von am Balkon verschraubten Modulen, dass die Mieter bei diesem Thema bislang noch nicht gut erreicht werden. Experten wie Seltmann beklagen daher, dass es immer noch Streit über den normkonformen Anschluss und unangemessene Forderungen seitens der Netzbetreiber gebe. „Wir müssen das dringend vereinfachen, damit endlich auch Mieter und Wohnungsnutzer diese Strom erzeugenden Haushaltsgeräte einfach und sicher nutzen können und damit aktiv an der Energiewende teilhaben“, so Seltmann.

Welcher Stecker? Lieber Schuko als Wieland

Wie sich das konkret äußert, zeigt sich z. B. an der Art der Steckverbindung. Die Studienumfrage hat auch ergeben, dass ganz überwiegend der Schuko-Stecker (Typ F) in der Praxis Verwendung findet. Er habe sich der Umfrage zufolge als Standard-Steckverbindung durchgesetzt – 77 Prozent aller Steckersolargeräte in Deutschland nutzen ihn.

In der für Steckersolargeräte relevanten Norm DIN VDE 0100-551 wird der Schuko-Stecker (Typ F) – anders als der Wieland-Stecker – jedoch nicht explizit genannt. Die uneinige Auslegung der Regelung habe Auswirkungen auf die Marktentwicklung, so die Autoren und resümieren: „Entgegen der akademischen Diskussion um die normgerechte Steckvorrichtung hat sich der Schuko-Stecker gegenüber dem Wieland-Stecker weitestgehend durchgesetzt.“ Somit bringt die Studie auch wertvolle Erkenntnisse aus der Praxis in der weiteren Debatte zur Normierung im Bereich der Frage der Steckverbindung.

Die weitere Diskussion um die Normierung von Steckersolargeräten wird u. a. auf die Art der Steckverbindung vermehrt fokussieren.

Auf dem Weg zur Entfaltung

Zwar lässt sich bereits aufgrund der Studienergebnisse von einem Boom für Steckersolaranlagen in Deutschland sprechen, doch der ist erst am Anfang. Damit er sich entfalten kann, müssen weitere Hemmnisse aus dem Weg geräumt werden. Die hinderlichsten sind laut Studienautoren hier u. a. die unklare Rechtslage bei den Schuko-Steckern oder die Notwendigkeit des Zähleraustauschs bei Steckersolar.

Die Marktstudie „Der Markt für Steckersolargeräte“ von HTW Berlin, Verbraucherzentrale NRW und EUPD zum Download: https://solar.htw-berlin.de/studien/marktstudie-steckersolar-2022/

Dittmar Koop ist Journalist für Erneuerbare Energien und Energieeffizienz.

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