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Wie funktioniert eigentlich eine Be- und Entlüftung von Abwasserleitungen?

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Ähnlich wie bei einem Sturm in einem Wasserglas kann das Sperrwasser aus einem Geruchsverschluss gezogen werden

Die meisten von uns kennen das Phänomen: Man kommt zum Kunden und der beklagt den Gestank in seinem Badezimmer. Immer wieder kündigt sich diese Geruchsbelästigung bei ihm mit einem Gurgeln in den Abflüssen an und gipfelt in einem Geruchsinferno, frisch aus der Kloake. Man kann ihm dann erklären, dass das Sperrwasser aus den Geruchsverschlüssen abgesaugt wurde.

Der Kunde fragt dann vielleicht ungläubig: „Wer macht denn sowas?“ Dieses Mysterium lässt sich erklären und weitere Phänomene, die in diesem Zusammenhang für Beschwerden sorgen. Das Leersaugen eines Siphons geschieht in den meisten Fällen aufgrund mangelnder Be- und Entlüftung der jeweiligen Abwasserleitung. Konkret wird beim Leersaugen sinngemäß die mangelnde Belüftung des Systems verantwortlich sein.

Windstärke 10 in der Abwasserleitung

Zunächst einmal wird bei jeder Nutzung beispielsweise eines Handwaschbeckens das Abwasser durch den 180-Grad-Bogen eines Siphons gejagt. Ein Teil des Grauwassers bleibt danach in diesem Siphonbogen stehen. Es verschließt gewissermaßen mit dem zurückbleibenden Wasserpfropfen das Bad gegen die Kanalgerüche. Meistens steht eine Wassersäule von 50 mm zur Verfügung und bildet einen gewissen Widerstand gegen Leersaugen.

Eine einfache Berechnung zeigt, mit welchem Druck diese Säule bewegt werden könnte:

  • p = h ρ g

Wobei

  • p = hydrostatischer Druck
  • h = Höhe der Flüssigkeitssäule
  • ρ = Dichte der Flüssigkeitssäule
  • g = Beschleunigung

Erleichternd kann man für die meisten Berechnungen im SHK-Handwerk folgende Annahmen im Zusammenhang mit Wasser als Medium treffen:

  • ρ = 1000  kg/m3
  • g ≈ 10 m/s²

Damit reduziert sich die Mathematik für dieses Problemchen einer 50-mm-Wassersäule auf:

  • p = 0,05 m • 1000 kg/m3 • 10 m/s2
  • p = 500 Pa

Nur um mal einen Vergleich zu haben, soll dieser Druck als Staudruck einer Windstärke zugeordnet werden. Dabei kann man feststellen, dass 500 Pa einem Staudruck bei Windstärke 10 widerstehen würde. Selbst ein schwerer Sturm der direkt auf diese Wassersäule strömen würde, könnte also diese 50-mm-Wassersäule nicht aus dem Siphon in das Waschbecken drücken.

Also, wie können wir uns diesen Sturm im Wasserglas erklären? Welcher Effekt hebt das Sperrwasser aus dem Siphon und lässt das Badezimmer derart erbärmlich müffeln?

Und natürlich die notwendige Frage nach der Lösung des Problems: Wie kann das Leerlaufen der Geruchsverschlüsse sicher verhindert werden?

Nachströmverhalten von Luft

In einer Fallleitung läuft das Schmutzwasser nicht als gebündelter dicker Strahl in der Mitte des Rohres. Vielmehr haftet es außen an den Rohrwandungen und bildet gewissermaßen eine Art Wassermantel mit Luft im Kern.

Es kann am Startpunkt dieses Wassermantels zu einer Vollfüllung des Abwasserrohres kommen. In diesem Moment wird also dem Wassermantel ein Häubchen aufgesetzt und dieser Kolben rauscht in Richtung Abwasserkanal. So ist es zu erklären, dass pro Liter Abwasser eine Luftmenge von bis zu 35 l Luft nachzieht.

Ähnlich wie der Kolben in einer medizinischen Spritze ziehen dann, obwohl vielleicht nur 9 l WC-Spülung niedergehen 315 l in kurzer Zeit talwärts (9 x 35 = 315). Das führt zu kurzzeitigen Spitzen von negativem Überdruck, umgangssprachlich zu einem erheblichen Sog in den Rohren.

Entscheidend für die Auswirkungen, die dieser Sog hat, ist die Frage, wohin sich dieser verbreitet. Kann dieser negative Überdruck vielleicht über Dach Luft nachziehen? Oder sind die einzigen Verbindungen nach außen die Sperrwasserbarrieren der Siphons im Bad?

Fakt ist, dass das Ablaufen von Schmutzwasser enorme Luftmengen mit sich zieht.

Die entsprechenden allgemein anerkannten Regeln der Technik, kurz aaRdT, berücksichtigen genau diese Umstände. Sie sind daher mit einer Reihe von Hinweisen versehen, die sich genau auf Lüftungsleitungen beziehen.

Sowohl die DIN EN 12056 als auch die DIN 1986-100 sind Normen, die auf Erfahrungen vieler Jahrzehnte basieren. Diese Normen zu ignorieren bedeutet gleichsam auf diese Erkenntnisse und Hinweise zu verzichten.

    Einzelhauptlüftung

    Wenn die Fallleitung beispielsweise als 100er-Rohr in Richtung Keller verlegt ist und gleichzeitig ein 100er-Rohr über Dach geführt wird, spricht man von einer Einzelhauptlüftung. Dieses System ist in Deutschland der angesagte und einfachste Standardfall. Das funktioniert und birgt keine Risiken.

    Sind in einem Haus mehrere Fallleitungen verlegt, ist es allerdings aufwendig jeweils für diese Anzahl an Leitungen einen Durchbruch durch die Dachhaut zu erstellen.

    Sammelhauptlüftung

    Anstatt für eine Anzahl an Fallleitungen jeweils das Dach zu durchdringen, kann man mehrere Leitungen zusammenführen und dann gemeinsam über Dach lenken. Bei solch einer Sammelhauptlüftung sind dann entsprechende Querschnitte einzuhalten.

    Die Bemessung einer Sammelhauptlüftung erfolgt nach folgendem Muster:

    • Die Querschnittsfläche der Sammel-Hauptlüftung muss mindestens so groß sein wie die Hälfte der Summe der Querschnittsflächen der Fallleitungen.
    • Die Nennweite der Sammel-Hauptlüftung muss aber mindestens eine Nennweite größer sein als die der größten Einzel-Hauptlüftung. Von dieser Forderung ausgenommen sind Einfamilienhäuser.
    • Das Zusammenführen der Hauptlüftungsleitungen erfolgt oberhalb der höchsten Anschlussleitung. Um den Strömungswiderstand so gering wie möglich zu halten, sind Umlenkungen mit einem Winkel ≤ 45° auszuführen.
    Berechnungsbeispiel von einer Sammelhauptlüftung mit drei ­Einzellüftungen

    Im Beispiel der Sammelhauptlüftung gilt für jede Einzelhauptlüftung L1, L2 und L3 Dimension = DN 100 mit einer Querschnittsfläche von jeweils 75,4 cm2.

    Berechnung Sammelhauptlüftung L4:

    • Querschnittsfläche von L1 und L2 = 150,8 cm2

    Daraus folgt dann:

    • Σ Querschnittsfläche Sammelhauptlüftung L4 = ½ • 150,8 cm2 = 75,4 cm2

    Daraus ergibt sich die Dimension DN 100. Schlussfolgerung:

    • bei einem Einfamilienhaus L4 = DN 100
    • bei allen anderen Gebäuden L4 = DN 125 (eine DN größer als die Einzelhauptlüftung)

    Berechnung Sammelhauptlüftung L5:

    • Querschnittsfläche von L1, L2 und L3  
    • = 3 • 75,4 cm² = 226,2 cm²
    • Querschnittsfläche Sammelhauptlüftung L5
    • = 1/2 • 226,2 cm² = 113,1 cm²
    • Daraus ergibt sich die Dimension DN 125.

    Die Querschnittsfläche eines Lüftungsrohres DN 125 ist mit 118,8 cm² größer als die geforderten 113,1 cm². Damit ist für die Sammelhauptlüftung ein Rohr DN 125 ausreichend.

    Indirekte Nebenlüftung und Umlüftung

    Bei der indirekten Nebenlüftung wird die Lüftungsleitung am Ende einer Sammelanschlussleitung geführt.

    Der Anschluss einer indirekten Nebenlüftung in der Sammelanschlussleitung muss vor dem letzten Entwässerungsgegenstand erfolgen

    Für eine Umlüftung wird am Ende einer Anschlussleitung eine Lüftungsleitung angeschlossen, die im gleichen Geschoss wieder auf die Fallleitung zurückgeführt wird.

    Der Anschluss einer Umlüftung in der Sammelanschlussleitung muss vor dem letzten Entwässerungsgegenstand erfolgen

    Die indirekte Nebenlüftung und die Umlüftung sind eher Exoten in Deutschland. Man nutzt diese Anordnungen, um im Einzelfall Probleme zu lösen. Beide Lüftungsarten führen aber bezüglich der Anordnung zu einer gemeinsamen weiteren Option, nämlich dem Einsatz eines Belüftungsventils.

    Belüftungsventil

    Ein Belüftungsventil darf bei einem Hauptlüftungssystem als Ersatz für die bereits genannte Umlüftung oder indirekte Nebenlüftung verwendet werden. Man spart sich damit also das Zurückführen der eigentlichen Lüftungsleitung zur Fallleitung. Bei Ein- oder Zweifamilienhäusern muss eine Hauptlüftung über Dach geführt und alle weiteren Hauptlüftungen können durch Belüftungsventile ersetzt werden. Beim Einbau ist auf eine ausreichende Luftzufuhr und gute Erreichbarkeit zu achten.

    Schnittbild eines Belüftungsventils im offenen Zustand (links) und im geschlossenen Ruhezustand (rechts)

    Das bedeutet in vielen Fällen, dass eine Revisionsöffnung den Zugang zu dem versteckten Ventil ermöglichen muss.

    • In teuren Bädern kann das schwierig werden, noch dazu, weil dem Ventil ja auch ausreichend Luft zuströmen sollte.
    • Gut versteckte Revisionsöffnung bei gleichzeitigem großzügigem Lufteinlassquerschnitt widerspricht sich schon fast. Man denke an die derzeit modernen, großformatigen Fliesen.

    Da sind also gute Ideen für eine strategisch günstige Position des Ventils gefragt. Gerade im Bestand also beispielsweise während einer Badsanierung sollten solche Punkte rechtzeitig ins Auge gefasst werden.

    Ventile dürfen in folgenden Fällen nicht eingesetzt werden:

    • in rückstaugefährdeten Bereichen unterhalb des höchstmöglichen Schmutzwasserspiegels
    • als Belüftung für Abscheide- oder Hebeanlagen

    Das beliebte Belüftungsventil gilt ohne Zweifel als Problemlöser und hat bereits die Funktionssicherheit mancher Installationen gerettet. Trotzdem sollte man sich als SHK-Profi nicht auf Abenteuer einlassen, die dem Bauherrn kurzfristig Geld sparen, ihn auf Dauer aber teuer zu stehen kommen können.

     

    Nicht sämtliche Leitungen sind zwangsläufig zu lüften. Der Weg von einer Fallleitung ins Bad und zu den Entwässerungsgegenständen ist meist kurz und gilt daher als unproblematisch. Hingegen kann man sich aber gut vorstellen, dass eine horizontale Strecke von 15 m bis zur Fallleitung kritisch wird. Daher gibt es feste Regeln:

    Einzelanschlussleitungen

    dürfen unbelüftet verlegt werden, wenn:

    • das Leitungsgefälle mindestens 1 cm/m (1 %) beträgt
    • die Leitungslänge 4 m nicht überschreitet
    • die Strecke maximal drei 90°-Umlenkungen beinhaltet, gerechnet ohne den Anschlussbogen
    • die Höhendifferenz zwischen dem Anschluss an den Entwässerungsgegenstand und der Rohrsohle im Anschlussabzweig an die Fallleitung 1 m nicht überschreiten

    Kann eine der Bedingungen nicht erfüllt werden, muss eine Einzelanschlussleitung belüftet werden.

    Sammelanschlussleitungen

    dürfen unbelüftet verlegt werden, wenn:

    • das Leitungsgefälle mindestens 1 cm / m (1 %)
    • die Länge eines Fließweges die maximale Länge bis DN 70 von 4 m und bis DN 100 von 10 m nicht überschreitet
    • Innerhalb der unbelüfteten Sammelanschlussleitung gelten die Festlegungen für Einzelanschlussleitungen.

    Kann eine der Anwendungsgrenzen nicht erfüllt werden, muss die Sammelanschlussleitung gelüftet werden; entweder mittels Belüftungsventil oder Lüftungsleitung. Die Sammelanschlussleitung muss dann wie eine Sammelleitung bemessen werden.

    Unterscheidung von Einzel- und Sammelanschlussleitungen
    Eine Lüftung ist grundsätzlich erst einmal oben offen über Dach zu führen. Häubchen, wie in der Vergangenheit, sind nicht vorgesehen

    Abwasserhebeanlagen

    Man unterscheidet drei Arten von Hebeanlagen gemäß DIN EN 12050, nämlich:

    • Fäkalienhebeanlagen nach DIN EN 12050-1 müssen über Dach be- und entlüftet werden.
    • Schmutzwasserhebeanlagen nach DIN EN 12050-2 müssen über Dach be- und entlüftet werden, wenn diese geruchsdicht verschlossen sind oder ein späterer geruchsdichter Verschluss möglich sein soll.
    • Bei Fäkalienhebeanlagen nach DIN EN 12050-3 zur begrenzten Verwendung bedarf es keiner Lüftung über Dach. Der Behälter muss so gestaltet sein, dass eine ausreichende Lüftung sichergestellt ist, z. B. über einen Aktivkohlefilter.
    • Fettabscheider sind unmittelbar über Dach zu lüften.

    Kein Häubchen mehr am Ende der Hauptlüftung

    Die Endrohre von Lüftungsleitungen über Dach sind nach oben offen mindestens mit dem Querschnitt der Lüftungsleitung auszuführen. Abdeckungen dürfen nicht mehr eingesetzt werden. Abdeckungen und Hauben behindern die Be- und Entlüftung von Entwässerungsanlagen in sehr starkem Maße. Wie von zahlreichen Praktikern gefordert, wurde diese klare Anweisung aus alten Zeiten wieder aufgenommen und floss bereits im September 2016 in die G aktualisierte Fassung der DIN 1986-100 ein.

    Dieser Artikel von Elmar Held ist zuerst erschienen in SBZ Monteur Ausgabe 11/2017.

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