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Solarmarkt 2024: Warum es für europäische Hersteller schwierig wird

Sven Ullrich

Der Solarmarkt brummte 2023 wie nie zuvor. Für Deutschland beziffert Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW-Solar) die Installation von neuer Solarstromleistung auf 14 Gigawatt. Die Österreichische Abwicklungsstelle für die Ökostromförderung (Oemag) hat für 2023 Investitionsförderungen genehmigt, die für den Bau von zwei Gigawatt neuer Solarleistung ausreichen. In beiden Fällen wäre das eine Verdopplung der Nachfrage.

Nachfrage steigt überall

Auch in den anderen europäischen Ländern steigt die Nachfrage nach Photovoltaik. So geht Solar Power Europe (SPE) für 2023 von einem Zubau innerhalb der Europäischen Union in Höhe von 56 Gigawatt aus – ein Wachstum um 40 Prozent gegenüber dem Jahr 2022. Für 2024 erwartet SPE einen Zubau von 62 Gigawatt innerhalb der EU. Schon das zeigt, dass der europäische Markt in nächster Zeit etwas langsamer wachsen wird, auch wenn er weiterhin auf einem hohen Niveau bleibt.

Die Aussicht auf 62 Gigawatt in Europa sollte die Modulproduzenten zuversichtlich stimmen, zumal die weltweite Nachfrage ebenfalls zulegt. „Über mehr als eine Dekade wird der Bedarf an Photovoltaikmodulen mit jährlichen Steigerungsraten von mehr als 25 Prozent wachsen“, prognostiziert Florian Clement. Er leitet die Abteilung für Produktionstechnologie am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE). „Dies erfordert ein entsprechendes Wachstum an Produktionskapazitäten und den damit verbundenen Ausbau an lokalen Lieferketten.“ Das ist ein riesiger Markt und man sollte denken, es ist genug Platz für eine neue europäische Solarindustrie.

Doch weit gefehlt. Die europäische Solarindustrie kommt nicht aus den Startlöchern. Der Ausbau findet vor allem mit Paneelen aus Fernost statt. „Module aus China fluten derzeit den Markt“, weiß Florian Clement. Das ist nicht verwunderlich. Denn seit 2010 ist die Produktionskapazität für Solarmodule in China massiv gestiegen. Andere Regionen der Erde kommen fast gar nicht mehr vor.

Europäische Hersteller sind wettbewerbsfähig

Die chinesischen Hersteller befinden sich derzeit aber in einem Preiskampf, in dem die europäischen Hersteller zum Kollateralschaden werden, wie Detlef Neuhaus, Geschäftsführer von Solarwatt, betont. Dieser Preiskampf hat dafür gesorgt, dass die Modulpreise im vergangenen Jahr um mindestens die Hälfte gesunken sind. „Das ist brutaler als bei der Solarkrise vor zwölf Jahren“, sagt Detlef Neuhaus.

Für europäische Hersteller sind das Preise, mit denen sie nicht mehr mithalten können, was eigentlich nicht sein müsste. „Europäische Hersteller sind prinzipiell wettbewerbsfähig gegenüber asiatischen Herstellern“, betont Sven Stoffers, Vertriebsleiter von Meyer Burger. „Nicht wettbewerbsfähig sind europäische Hersteller allerdings dann, wenn Wettbewerber Ware weit unter Herstellungskosten massenweise auf den Markt bringen. Deshalb muss dieses Marktversagen durch die Politik umgehend abgestellt werden.“

Auch in Europa fertigen Hersteller Solarmodule, wie hier Solarwatt in Dresden. Doch das Marktumfeld ist derzeit sehr schwierig.

Washington hilft, Brüssel und Berlin schauen zu

Doch Brüssel und Berlin schauten derzeit tatenlos zu, kritisiert Detlef Neuhaus. Solarwatt musste Ende des vergangenen Jahres schon Mitarbeiter entlassen, weil sich das Unternehmen auf ein starkes Wachstum der europäischen Modulabsätze eingestellt hat, das sich am Ende aber nicht realisieren ließ.

Meyer Burger will noch weitergehen und die Reißleine ziehen. Das noch recht junge Modulwerk in Freiberg steht auf der Kippe. Nur noch die Zellproduktion in Thalheim und die Entwicklungsabteilung sollen bleiben, wenn bis Mitte Februar 2024 keine Unterstützungssignale aus der Politik kommen. Das Unternehmen will sich dann stärker auf die Produktion und den Markt in den USA konzentrieren.

Dort entsteht derzeit eine Modulproduktion mit einem jährlichen Ausstoß von zwei Gigawatt. „Der nächste Ausbauschritt erfolgt aufgrund der hervorragenden Förderbedingungen in den USA statt in Deutschland“, erläutert Sprecherin Annegret Schneider. Wie sich solche guten Förderbedingungen auswirken können, zeigt eine Studie der Unternehmensberatung McKinsey von Anfang 2023. Die Ergebnisse machen deutlich, wie es funktionieren kann. Doch dazu muss mehr passieren.

Schließlich ist das erklärte Ziel in Brüssel der Ausbau der Wertschöpfungskette in Europa. „Von der Politik ist eigentlich gefordert, dass bis 2030 40 Prozent des jährlichen Zubaus in Europa aus europäischen Fertigungen erfolgen. Leider bleiben klare Entscheidungen, wie beispielsweise die Unterstützung im Rahmen des IRA in den USA, in Europa bisher aus. Somit ist unter den aktuellen Rahmenbedingungen eine wirtschaftliche Fertigung nur schwer abbildbar“, erklärt Peter Bachmann, Leiter der Abteilung Customer Solutions bei Solarwatt.

Für dieses Ziel von 40 Prozent müssen die EU und auch die Mitgliedsstaaten noch viel tun. Denn um diesen Anteil zu erreichen, müssten in Europa beim prognostizierten Marktwachstum 30 Gigawatt an jährlicher Produktionskapazität von Solarmodulen aufgebaut werden. Nach Erhebungen von Solar Power Europe liegt diese derzeit bei etwa 14,6 Gigawatt pro Jahr.

Das ist immerhin schon die Hälfte des Notwendigen. Schlechter sieht es auf den anderen Stufen der Wertschöpfungskette aus. So ist die Produktionskapazität für Polysilizium im vergangenen Jahr aufgrund der Insolvenz eines europäischen Herstellers sogar um zwölf Prozent zurückgegangen, statt zu wachsen. Kein Wachstum gab es bei der Fertigung von Ingots, doch immerhin auch keinen Rückgang. Die Produktionskapazität in diesem Bereich bleibt bei einem Gigawatt.

Ähnlich sieht es bei der Waferproduktion aus. Sie stagniert bei 1,3 Gigawatt pro Jahr. Leichtes Wachstum gab es bei der Produktion von Solarzellen von 1,4 auf zwei Gigawatt jährlicher Kapazität. Über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg betrachtet, reichen diese Kapazitäten aus, um magere zwei Prozent der gesamten Nachfrage in Europa abzudecken. Nur bei der Leistungselektronik ist Europa gut aufgestellt. Hier existieren Werke für 82 Gigawatt. Sie wuchsen 2023 um 14 Prozent. Lösungen für die europäische Solarindustrie liegen schon auf dem Tisch. Neben Investitionsunterstützung setzt die europäische Solarbranche auf Regelungen für Local Content. Der BSW-Solar hat einen Resilienzbonus bei Vergütung und Ausschreibung vorgeschlagen.

Den Mehrwert kommunizieren

Voraussetzung dafür soll dann sein, dass die Anlagen mit europäischen Komponenten gebaut werden. „Ein klares und verbindliches Signal an die Solarindustrie, dass sich in Deutschland nicht nur Investitionen in Solaranlagen, sondern auch in die Solarindustrie wieder lohnen, ist überfällig. Sich in diesem boomenden Wachstumsmarkt jetzt nicht stärker zu diversifizieren oder an derartigen Zukunftsinvestitionen zu sparen, das wäre nach den Erfahrungen der Energiekrise und Pandemie-Lieferengpässen riskant und für die Wertschöpfung unserer Volkswirtschaft ein irreversibles Versäumnis“, warnt Jörg Ebel, Präsident des BSW-Solar.

Auch Hubert Fechner, Obmann der österreichischen Technologieplattform Photovoltaik (TPPV) verweist auf die Notwendigkeit, mit einer heimischen Produktion den Solarausbau nicht von China abhängig zu machen. Nicht allein der Preis darf zählen, sondern auch weitere Kriterien wie Umwelt- und Sozialstandards.

Hier sind aber auch die Installationsbetriebe zur Mithilfe aufgefordert. „Denn die Frage ist: Wie schaffen wir es, den Mehrwert europäischer Produkte ins Bewusstsein der Kunden zu bringen?“, betont Hubert Fechner auf dem Herbstkongress 2023 der österreichischen PV- und Speicherbranche in Graz. „Die meisten Kunden fragen nicht nach, woher die Module kommen, weil sie davon ausgehen, dass diese selbstverständlich aus China kommen.“ Dies müsse sich ändern. Dann werde es auch einen Markt für europäische Module geben.

So kleinteilig wie beim BIPV-Spezialisten Ertex Solar muss es nicht sein. Die europäischen Modulhersteller setzen nicht aufs Massengeschäft.

Fechner verweist darauf, dass Österreich schon vier Modulhersteller beherbergt – für das kleine Land eine beachtliche Anzahl. Einer davon ist Kioto Solar. Die Modulmarke von Sonnenkraft aus Kärnten setzt auf das Image heimischer Qualitätsproduktion und auf ein Segment jenseits des Standardmoduls. „Was wir merken, ist die starke Nachfrage nach transparenten Lösungen für Terrassenüberdachungen, Carports, Balkone oder Zäune“, berichtet Wolfgang Seidler, Geschäftsführer von Sonnenkraft. „Deshalb bauen wir in unserem Werk in Wernersdorf in der Steiermark aktuell eine neue Linie mit neuesten Topcon-Zellen auf. Dadurch wird nicht nur die Produktionskapazität gesteigert, sondern auch die neueste Technologie verbaut.“

Handwerker als starke Systempartner

Wie andere europäische Anbieter hat sich Kioto Solar längst vom reinen Modulhersteller zum Systemanbieter entwickelt und setzt auf enge Zusammenarbeit mit den Handwerkern. „Handwerker und Partner haben für uns einen ausgesprochen hohen Stellenwert. Für 2024 haben wir eine große Handwerkeroffensive geplant: Gemeinsam fürs lokale Handwerk mit lokal gefertigten Produkten“, betont Seidler.

Kioto kann sich nicht mit den übergroßen asiatischen Anbietern messen. „Wir merken aber, dass für unsere Kunden die Regionalität und die Qualität einen hohen Stellenwert haben.“ Außerdem hat das Unternehmen inzwischen Speicher und Wechselrichter im Portfolio.

Mit Expertise und Innovation punkten

Diesen Weg beschreitet Solarwatt schon seit Jahren und das mit Erfolg. Denn: „Ich sehe technologisch nach wie vor einen Vorsprung in der intelligenten Vernetzung der einzelnen Komponenten eines sektorengekoppelten Energiesystems bis hin zur fachgerechten Installation. Das ist für die meisten asiatischen Hersteller zu kleinteilig, da wollen sie aktuell nicht rein“, weiß Peter Bachmann von Solarwatt. „Gerade in Deutschland und Europa gibt es viele Dinge, die Hausbesitzer und Gewerbetreibende beim Bau einer entsprechenden Anlage beachten müssen. Da können wir mit unserer Expertise, unseren Services und unseren Lösungen sehr gut unterstützen.“

Bei rein investorengetriebenen Projekten wie den großen Solarparks im Bereich von mehreren Megawatt könne Solarwatt seine Produktvorteile nicht so stark ausspielen, sagt Peter Bachmann. „Aber das ist auch nicht unsere Zielgruppe“, betont er.

Um in diesem Bereich mithalten zu können, müssten noch stärker Skalierungseffekte genutzt werden. Doch die reine Größe ist es nicht allein. „Skalierungseffekte treten im Gigawattbereich ein, sind aber nicht unendlich steigerbar“, erklärt Annegret Schneider von Meyer Burger. „Die Größe einer Fertigung bringt weniger Vorteile auf der Kostenseite als etwa der geringere Einsatz von Energie und Material und vor allem ein hoher ­Automatisierungsgrad. Aus unserer Erfahrung ist es wichtig, einen effizienten Produktionsprozess auf Basis einer nachhaltigen Technologie zu haben.“

Ein zweiter Weg sind Innovationen und ein spezialisiertes Portfolio. „Eine Innovation für 2024 ist das neue Solarmodul Terracotta. Durch das ziegelrote Glas und den gleichfarbigen Rahmen lässt sich das Modul perfekt in bestehende Dacheindeckungen integrieren und bietet so eine ästhetisch ansprechende Lösung für denkmalgeschützte Gebäude und historische Altbaudächer, aber auch für Neubauten mit Ziegeldächern“, beschreibt Wolfgang Seidler von Sonnenkraft die Entwicklung neuer Kundengruppen.

Kunden wollen Gesamtlösungen

Insgesamt sieht Wolfgang Seidler vor allem die Doppelglasmodule mit ihren vielfältigen Einsatzmöglichkeiten im Mittelpunkt der Produktstrategie bei Sonnenkraft. „In diesem Segment entwickeln wir uns ständig weiter, sei es durch den Ausbau der Produktionskapazität als auch durch Vorsprung in der Technologie“, betont er.

Auch für Solarwatt werden die Glas-Glas-Module immer bedeutender. Sie sind fast schon Standard bei europäischen Herstellern. „Doppelglasmodule haben im Vergleich zu herkömmlichen Glas-Folie-Modulen viele Vorteile wie beispielsweise eine deutlich längere Haltbarkeit. Dieses Wissen hat sich mittlerweile auch bei vielen Installationsbetrieben und Endkunden durchgesetzt“, sagt Peter Bachmann von Solarwatt. „Dazu kommt eine immer weiter steigende Nachfrage nach Modulen, die ohne zusätzliche Sicherungsmaßnahmen im Überkopfbereich oder in der Fassade eingesetzt werden können.“

Damit liegt der Dresdner Hersteller mit seinem Vision-Construct-Modul mit bauaufsichtlicher Zulassung durch das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) richtig. Inzwischen wird dieses Produkt auch als Halbzellenmodul angeboten.

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