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R744-Kälteanlagen: Warum CO₂ mehr Aufmerksamkeit braucht

Michael Hendriks

Herr Hendriks, was sind die wesentlichen Unterschiede zwischen einer Gewerbekälteanlage mit R744 (CO2) und einem synthetischen Kältemittel?

Michael Hendriks: Bei allen R744-Kälteanlagen ist im Vergleich zu Kälteanlagen mit synthetischen Kältemitteln ein höherer Regelungsaufwand erforderlich. Zudem sind die Betriebsdrücke wesentlich höher und können zum Beispiel auf der Hochdruckseite auf Werte von über 100 bar ansteigen. Dadurch muss eine R744-Kälteanlage relativ schnell in Kategorie III oder IV nach der Druckgeräte-Richtlinie 2014/68/EU eingestuft werden. Sie erfordert dann mehr Sicherheitsorgane und muss von einer benannten Stelle abgenommen werden.

Auch bei synthetischen Kältemitteln mit sehr niedrigem GWP (unter 150), die in der Regel schwer entflammbar sind (Sicherheitsgruppe A2L), erfolgt die Einstufung in eine höhere Kategorie – allerdings aufgrund der Brennbarkeit.

Gewerbekälteanlagen mit R744 im mittleren und größeren Leistungsbereich, wie zum Beispiel bei zentralen Verdichter-Verbundkälteanlagen mit Kälteleistungen von 40 bis mehreren hundert kW, sind inzwischen weit verbreitet. Sie bieten durch vieler­lei technische Details, wie Parallelverdichtung, Mitteldrücke mit unterschiedlichen Niveaus, Ejektor- und Expander-Betrieb, hohe Betriebssicherheit und Energieeffizienz.

Bild 1: CO2-Verbundanlage mit Parallelverdichter und adiabatischer Vorkühlung des Gaskühlers

Bei R744-Kälteanlagen im kleinen Leistungsbereich (bei Normalkühlung unterhalb 40 beziehungsweise 20 kW bei Tiefkühlung) sind aus wirtschaftlichen und/oder technischen Gründen nicht immer die gleichen technischen Maßnahmen zur Effizienzsteigerung möglich, wie es bei großen Leistungen der Fall ist. Eine weitere Herausforderung in der Anwendung ist vielfach, dass nur eine Kühlstelle mit einem Kälteaggregat verwendet wird. Damit verhält sich solch eine R744-Kälteanlage noch direkter und dynamischer.

Und worin liegen die Vorteile des Kältemittels CO2? Gibt es auch Nachteile?

Hendriks: Der wichtigste Vorteil von R744 ist, dass es ein „natürliches“ Kältemittel ist. Somit ist es in großen Mengen verfügbar, außerdem als Sicherheitskältemittel (A1) eingestuft. Daraus ergibt sich eine langfristige Perspektive, Planungssicherheit und ein fast uneingeschränkter Einsatz- und Verwendungsbereich. Als Nachteil kann die Einschränkung bei sehr kleinen Kälteleistungen angesehen werden. So sind Kälteleistungen bis etwa 2,5 kW technisch möglich und verfügbar (Bild 2). Darunter gibt es bislang keine kommerziell verfügbaren Lösungen. Dann ist ein Wechsel zu Propan zu empfehlen, sofern ein „natürliches Kältemittel“ gefordert wird (Bild 3). Aber auch mit synthetischen Kältemitteln bei sehr niedrigem GWP können technisch und wirtschaftlich gute Lösungen gefunden werden. Was dabei allerdings nicht vorhergesagt werden kann, sind die zukünftigen politischen Vorgaben und die sich daraus eventuell ergebenden marktverändernden Wirkungen.

Was muss bei der Planung einer CO2-Kälteanlage für die Normal- bzw. Tiefkühlung berücksichtigt werden?

Hendriks: Im Grunde sind es die gleichen Dinge, wie bei einer Kälteanlage mit synthetischem Kältemittel: Grundlegendes Wissen über die für den Einsatz geplanten Komponenten und Aggregate (Funktion, Einsatzgrenzen, Wechselwirkung Kältemittel und Kältemaschinenöl), Aufstellort, Rohrleitungsführungen (Querschnitte/Strömungsgeschwindigkeiten, Öltransport), Füllmengen (gemäß DIN EN 378 „Kälteanlagen und Wärmepumpen – sicherheitstechnische und umweltrelevante Anforderungen“), max. Betriebsbedingungen (sehr hohe Sommertemperaturen und sehr niedrige Winter-/Nachttemperaturen), Volllast und kleinste Teillastanforderung sowie Regelbereich des Kälteaggregats, Sicherheitsthemen/Risikoanalyse, Abnahmen.

Vor allem bei R744-Kälteanlagen kleiner Leistung werden diese Themen oft unterschätzt oder teilweise vergessen, was zu einem späteren Zeitpunkt teure Nachbesserungen erforderlich machen kann.

Worauf ist dann bei Installation und Inbetriebnahme zu achten?

Hendriks: Insbesondere bei kleinen Leistungen und/oder langen Rohrleitungswegen kommt es auf eine kältetechnisch einwandfreie Rohrleitungsinstallation an. So ist zum Beispiel für einen kontinuierlichen Öltransport ein kleines Gefälle waagerecht geführter Saug- und Druckleitungen sehr wichtig. Unmittelbar vor steigenden Gasleitungen ist ein Ölhebebogen erforderlich. Besser sind Doppelsteigleitungen, ausgelegt nach den Laststufen. Diese Variante ist jedoch nur bei größeren Leistungen möglich.

Bei der Inbetriebnahme von Normal- und Tiefkühlanlagen mit R744 müssen alle elektronischen Regler auf die richtige Parametrisierung überprüft und gegebenenfalls korrigiert werden.

Bei TK-Anlagen mit synthetischen Kältemitteln werden häufig noch thermostatische Expansionsventile (mit MOP-Funktion) eingesetzt, bei CO2 hingegen „elektronische Expansionsventile“ (EEV). Vor dem Einschalten des Kälteaggregats sind die Kühlstellen in Betrieb zu nehmen. Dabei darf nicht vergessen werden, die MOP-Funktion in der EEV-Steuerung zu aktivieren und auf einen wirkungsvollen Wert einzustellen.

Und welche Störungen können im Betrieb einer CO2-Kälteanlage zutage treten?

Hendriks: Bei R744-Kältanlagen ist im Vergleich zu Kälteanlagen mit synthetischem Kältemittel nichts wirklich gravierend anders. Einen wichtigen Unterschied gibt es aber dennoch zu beachten: bei CO2-Kälteanlagen treten Fehler schneller und massiver auf. Daher erwähne ich hin und wieder, dass „CO2 keine Fehler verzeiht“ und „CO2 fordernder ist“. Folgende Beispiele verdeutlichen dies:

  • R744-Kälteanlagen arbeiten bei deutlich höheren Betriebsdrücken und gleichzeitig vergleichsweise kleinem Kältemittel-Molekül. Bei kleinsten Undichtigkeiten wird daher ein Kältemittel-Verlust deutlich schneller auftreten.
  • R744-Kälteanlagen weisen eine sehr hohe Dynamik bei Veränderungen von Randbedingungen auf. Das kommt durch die hohe Energie- und Massenstromdichte, die hohe spezifische Kälteleistung (Massenstrom bezogene Kälteleistung) und den sehr guten Wärmeübergangswerten. Bei größeren Kälteanlagen, in denen vorwiegend Esteröl eingesetzt wird, ist zudem eine große Wechselwirkung (Lösbarkeit und Mischbarkeit) mit dem Öl zu berücksichtigen. Der stabilen Regelung kommt daher immer eine besondere Bedeutung bei Planung, Montage, Inbetriebnahme und Service zu.

Für welche Anwendungen eignen sich CO2-Kälteanlagen?

Hendriks: R744 ist für fast alle Klima-, NK- und TK-Anwendungen geeignet. Es gibt lediglich die technische und wirtschaftliche Leistungsgrenze nach unten. R744-Wärmepumpen sind insbesondere bei großen Temperaturdifferenzen auf der Verbraucher-/Nutzerseite interessant, wenn viel Warmwasser verbraucht wird, wie zum Beispiel in Schlachthöfen oder Hotelbetrieben.

Und welche Qualifikationen sind Ihrer Erfahrung nach für Inbetriebnahme, Wartung und Service einer CO2-Kälteanlage notwendig?

Hendriks: Die Ausbildung zum Mechatroniker für Kältetechnik ist sehr umfangreich, daher die bestmögliche Basis. Hinzu kommen Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen verschiedenster Bildungseinrichtungen, oder Schulungen durch Unternehmen der freien Wirtschaft. Das Entscheidende ist, das Gelernte nicht zu vergessen, sondern auch anzuwenden. Erfahrung und Routine mit R744-Kälteanlagen kommt dann mit der Zeit und ständiger Lernbereitschaft.

Bietet auch Ihr Unternehmen Maßnahmen zur Qualifizierung für Mitarbeiter und Kunden?

Hendriks: Ja. Unsere Kunden werden durch anwendungsorientierte und produkttechnische Beratungen bei der Auswahl, Planung, Montage, Inbetriebnahme und Service individuell unterstützt. Dies gilt für alle drei in Fellbach ansässige Firmen, Rivacold CI GmbH (Rivacold und Pego Produkte), CI GmbH Control Instruments (Dixell Produkte) sowie die Cool + Call GmbH (Montage, Inbetriebnahme, Fernüberwachung, 24/7 Service). Insbesondere bei komplexen Geräten und deren Systemintegration ist zunächst eine umfangreiche Produkt- und Anwendungstechnik-Schulung sinnvoll.

Dies ist besonders wichtig, wenn ein Kunde mit einem neuen Kältemittel, wie z. B. R744 oder R290 (Propan), noch nicht vertraut ist und/oder die zum Einsatz geplanten Produkte nicht oder nur oberflächlich kennt. Daher führen wir ständig kundenspezifische und praxisorientierte Schulungen in kleinen Gruppen durch. Selbstverständlich wurden zu Beginn auch unsere eigenen Mitarbeiter entsprechend fit gemacht. Durch eine Vielfalt ausgeführter Projekte gibt es bei Cool + Call heute gut ausgebildete und erfahrene Montage- und Servicetechniker.

Einen vergleichbaren Entwicklungsweg sehen wir auch bei vielen unserer Kunden und unterstützen aktiv dabei. Tatsächlich gibt es in den nächsten Jahren aber noch viel zu tun, um das Fachwissen rund um natürliche Kältemittel wie CO2 oder Propan schnell zu mehren.

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