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Dichtheit von Luftleitungssystemen, Teil 1

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Um den Anforderungen der Bundesregierung gerecht werden zu können und den Gebäudebestand bis 2050 nahezu klimaneutral zu gestalten, braucht es mehr als den Austausch alter Heizungen und eine verbesserte Wärmedämmung alter Dächer. Ein wichtiger Aspekt ist die Dichtheit von Luftleitungssystemen. Doch die Praxis sieht anders aus.

Leckageraten von 15% und mehr

Luftleitungssysteme weisen, zahlreichen Studien und Untersuchungen zufolge fast in ganz Europa durchschnittliche Leckage-Raten von 15 % und mehr auf. Dies entspricht gemäß der DIN EN 16798-3 der Dichtheitsklasse ATC 6 und damit 2,5-Mal der schlechtesten Dichtheitsklasse A (gemäß der früheren DIN EN 13779). Fast ein Sechstel des gesamten geförderten Luftvolumens geht dadurch in Zwischendecken, Schächten und andernorts verloren, statt in den Räumen anzukommen. Neben dem Verlust an wertvoller Luft bedeuten die Leckagen Effizienzeinbußen und in der Folge unnötig hohe Kosten.

Erschreckende Energie-Verluste

Ergebnissen des ICEE Reports „Energieeinsparungen durch die Abdichtung von Luftleitungssystemen“ zufolge können durch eine Beseitigung von Leckagen Energieeinsparungen von rund 46% und Stromkosteneinsparungen von etwa 50% erreicht werden. Diese Befunde bestätigt auch Marcel Riethmüller, Geschäftsführer beim Fördermittel-Experten Ecogreen Energie: „Beispielhaft kann durch eine Reduzierung des Luftvolumenstroms um rund 20% der Energieeinsatz um etwa 50% verringert werden. Deshalb gilt grundsätzlich, dass eine Anpassung des real geförderten Luftvolumenstroms an den Bedarf – der sich ohne Leckagen ergeben würde – die Basis für eine energieeffiziente Lüftungsanlage ist. Und dafür braucht es als Grundlage zuverlässig dichte Luftleitungssysteme.“

Schäden und Brandlasten: Undichtheit führt zu fatalen Folgen

Auch in punkto Luftreinigung und dem damit verbundenen Brand- und Bautenschutz stellen dichte Luftleitungen eine wichtige Grundvoraussetzung dar. Sven Rentschler, CEO beim Lüftungstechnikspezialisten Reven, erklärt das: „Bei der Luftreinigung, wie sie zum Beispiel für lebensmittelverarbeitende und Maschinebaubetriebe typisch ist, werden aus den Bearbeitungsmaschinen Aerosole von Kühl- und Schmiermitteln beziehungsweise Frittier-, Brat-, und Backölen abgesaugt. Diese lagern sich dann auf den Luftleitungssystemen ab und kondensieren. Weisen die Luftleitungssysteme Undichtigkeiten auf – und das ist bei fast allen Anlagen der Fall – regnen die Öle sprichwörtlich aus den Leitungssystemen vom Dach. Die Folge sind oftmals unvermeidbare Schäden an Schaltschränken und teuren Produktionsanlagen. Weiterhin bleibt zu bedenken, dass es sich bei den aus den Luftleitungssystemen tropfenden Flüssigkeiten in schöner Regelmäßigkeit um reine und leicht entzündliche Öle handelt. Also um eine erhebliche zusätzliche Brandlast, an die meist so lange keiner denkt, bis es dann brennt.“

Vorgaben zur Dichtheit sollen ins GEG

In Anbetracht dieser vielfältigen Aspekte, erscheint die Forderung des Fachverbands Gebäude-Klima (FGK), im Gebäudeenergiegesetz (GEG) für RLT-Anlagen mit einem Mindestvolumenstrom von 1.000 m3/h Vorgaben zur Dichtheit von Luftleitungssystemen aufzunehmen, fast als logische Konsequenz. Ein Appell, der die nach Ansicht von Verbänden, Forschung, Wissenschaft und Experten erhebliche Bedeutung der Dichtheit in den Fokus rückt und zudem die Vorgaben der VDI 2067 Blatt 1 (wirtschaftlicher Betrieb) und der VDI 6022 (hygienischer Betrieb) unterstützt.

Prozesskette mit Dichtheitsverlusten

Eine garantierte Dichtheit setzt allerdings voraus, dass die aktuelle Prozesskette im Luftleitungsbau um einen wichtigen und wesentlichen Arbeitsschritt ergänzt wird: eine nachträgliche und verpflichtende Abdichtung des gesamten Luftleitungssystems. Basis dafür sollte eine verpflichtende Funktionsmessung sein, bei der messtechnisch die Dichtheit in der Errichtungsphase festgestellt wird.

Wird dabei die vereinbarte Dichtheitsklasse unterschritten, sollte eine Nachbesserung verpflichtend durchgeführt werden müssen. Denn weder Planungsvorgaben noch Produktions- und Montagestandards durch Normen und andere Regelwerke können die Dichtheit und damit Energieeffizienz einer Lüftungs- oder RLT-Anlage garantieren. Der Grund ist eine graduelle Verschlechterung der Dichtheit entlang der gesamten Prozesskette (Ausschreibung, Planung, Herstellung, Transport, Handhabung und Montage), welche wesentlich zu den in der Praxis meist angetroffenen Leckageraten von 15 % und mehr beiträgt.

Undichtheit wird stillschweigend akzeptiert

Angefangen bei Ausschreibungen im Gebäudebereich, wird meist nur die Mindestanforderung der DIN EN 16798-3 bzw. der EnEV für Sanierung und Neubau, nämlich die Dichtheitsklasse B, gefordert. Diese bedeutet, dass in Standardbauwerken eine Undichtheit von 2 % (= Dichtheitsklasse B oder ATC 4) stillschweigend akzeptiert und erlaubt wird. Werden besondere Anforderungen an die Hygiene oder Energieeffizienz gestellt, wird in Anlehnung an die VDI 3803, die VDI 6022, die EnEV sowie die DIN 16798-3 und 15780 die Dichtheitsklasse C (= 0,67 % Leckage oder ATC 3) empfohlen und im Idealfall auch ausgeschrieben.

Hinzu kommt dann der Mangel in der Ausführung. Reinhard Siegismund, Sachverständiger und beratender Ingenieur VBI: „Weit verbreitet ist heute bei der Planung und Ausführung von raumlufttechnischen Anlagen, dass Regeln und Normen gerade so erfüllt werden. Oft wird mir als Sachverständiger bei der Abnahme dann die Messtoleranz erläutert, mit der meine Messergebnisse zu bewerten sind. Dies entspricht in der Regel +/- 20 %, wobei zum Erreichen einer gerade noch akzeptablen Abweichung des Soll- vom Istwerts fast immer – 20 % angesetzt wird. Die Ziele Energieeinsparung, Umweltschutz und die Gesundheit der Menschen werden dabei viel zu oft und leichtsinnig wegen einer meist nur geringen Kosteneinsparung verspielt.“

Dementsprechend ist eine Ausschreibung der besten Dichtheitsklasse D und damit eine Leckagemenge von nur 0,22 % im gesamten System in nahezu keiner Ausschreibung zu finden. Und das, obwohl die Herstellung von Luftleitungsbauteilen unter Einhaltung der DIN 1507 bzw. HFL2002 (für eckige Luftleitungsbauteile), der DIN 12237 bzw. HFL2003 (für runde Luftleitungsbauteile) sowie der DIN EN 15727 und DIN EN 1751 selbst in der besten Dichtheitsklasse D (= ATC 2) in der Praxis meist kein Problem darstellt.

Dichtheitsverluste durch den Transport zur Baustelle

Problematisch in punkto Dichtheitsklasse ist auch der Transport vom Hersteller zur Baustelle. So geht durch die Handhabung der Bauteile, die für den Transport unerlässlich ist, sprich, das Heben in und aus dem LKW, das Ver- und Entladen, das Stapeln der Bauteile im LKW und vieles mehr, in der Praxis meist eine Dichtheitsklasse verloren. Der Grund sind beispielsweise unvermeidbare leichte Formänderungen durch Verzug sowie beschädigte Falze und Dichtungen. Ausgehend von einer nach wie vor häufig ausgeschriebenen, geplanten und produzierten Dichtheitsklasse B resultiert nach dem Transport also häufig bestenfalls noch die Dichtheitsklasse A (= ATC 5). „Umgerechnet“ auf die Leckagemenge bedeutet dies statt einer Leckage von 2% eine Verdreifachung und damit Undichtigkeiten von bereits rund 6% des Gesamtvolumenstroms.

Was bei der Montage schiefgehen kann

Eine weitere Verschlechterung der Dichtheit resultiert aus der Montage der Bauteile im jeweiligen Gebäude. Selbst unter Einhaltung der Montageempfehlungen des Herstellerverbands für Luftleitungen (HFL) sind Undichtigkeiten unvermeidbar. Gründe hierfür: Luftleitungsbauteile entsprechen oftmals nicht mehr zu 100% ihrer ursprünglichen Form und passen damit nicht exakt zueinander. Die Zugänglichkeit zu einigen Bauteilen ist erheblich eingeschränkt. Und die Herangehensweise „Versuch, Irrtum, neuer Versuch“ führt insbesondere bei Schrauben, Nieten und Klammern – durch die häufig missachtete Abdichtung des alten Lochs – zu neuen Leckagen.

Eine weitere Ursache für Undichtigkeiten sind Aufmaßteile und Passlängen, die auf der Baustelle nach Produktionsstandards gefertigt werden und die Unterschiede zwischen Planung und realer Situation vor Ort ausgleichen sollen. Zudem braucht es auf der Baustelle für ein optimales Montageergebnis Verantwortungsbewusstsein, Fachverstand, Platz, Zeit sowie eine fundierte Ausbildung (im Gegensatz zu anderen Ländern gibt es in Deutschland den Ausbildungsberuf Lüftungsmonteur nicht; lediglich die VDI 6022 schreibt vor, dass für Planung, Errichtung und Betrieb eine durch Ausbildung und Berufserfahrung nachzuweisende Fachkunde zwingend erforderlich ist).

Dinge, die nach Christian Podeswa, Schulungsreferent bei der Helios Ventilatoren GmbH & Co. KG in der Praxis oftmals fehlen „Es wird zunehmend schwerer aufgrund der baulichen Anforderungen in Planung und Umsetzung die Luftleitungssysteme so auszulegen und zu installieren, wie es der Baustandard fordern würde. Fehlender Platz und immer kürzere Installationszeiten führen zu einem hohen Druck. Und das bei einer Arbeit, die eigentlich ein hohes Maß an Besonnenheit und Genauigkeit fordert. Das Ergebnis wirkt sich dann leider nachteilig auf die Dichtigkeit der Anlage aus.“

Der billigste Bieter bekommt den Auftrag

Ein weiterer Aspekt für eine Verschlechterung der Dichtheitsklasse bei der Montage ist die gängige Praxis, den billigsten – und damit oftmals auch weniger erfahrenen – Bieter auszuwählen. Ein Auswahlkriterium, dass nach Reinhard Siegismund zu überdenken wäre. „Vielleicht sollten wir die Vergabeordnung ändern und bei öffentlichen Ausschreibungen den billigsten und den teuersten Bieter aus dem Vergleich herausnehmen. Denn momentan regiert bei der Vergabe in unserem Land oft das Motto: ‚Der billigste Bieter ist zu beauftragen‘. Der Auftragnehmer führt dies im Sinne ‚Das Billigste ist für unseren Kunden gut genug‘ meist mit den entsprechenden Nachteilen für die Dichtheit fort. Viel sinnvoller wäre es hingegen, wie in der Vergabeverordnung des Bundes vorgegeben, bei der Vergabe den wirtschaftlichsten Bieter zu beauftragen. Den zu bestimmen, ist zugegebenermaßen – ohne Vorerfahrung mit den Bietern – oft schwierig bis unmöglich.“

Montagemix aus Dichtheitsklassen A bis D

Hinzu kommt, dass bei der Montage eine Verbindung verschiedenster Komponenten erfolgt. Je nachdem, um welches Bauteil es sich handelt, wurde es nach anderen Kriterien zertifiziert und erfüllt nicht die gleichen Dichtigkeitsstandards. Oder es werden einzelne Bauteile eingesetzt, die nicht der Dichtheitsklasse des Gesamtsystems entsprechen. So ist es beispielsweise keine Seltenheit, dass in einem Luftleitungssystem, dass in der Gesamtheit die Dichtheitsklasse B oder C erfüllen soll, einzelne Bauteile mit der Dichtheitsklasse A verbaut werden. Das Erreichen der vorgegebenen Dichtheitsklasse für das Gesamtsystem (B oder C) ist ohne Austausch des Bauteils mit der Dichtheitsklasse A oder eine nachträgliche Abdichtung nicht möglich.

Gleiches gilt für bereits montierte Luftleitungsbauteile, die im Zuge der Montage des restlichen Luftleitungssystems von parallel arbeitenden Gewerken als Sitzgelegenheit und ähnliches „missbraucht“ werden, sich dadurch verformen und schlussendlich die Dichtheit einzelner Bauteile und damit des Gesamtsystems verschlechtern.

Quelle: MEZ-Technik, bearbeitet für haustec.de von Dittmar Koop. Dittmar Koop ist Journalist für erneuerbare Energien und Energieeffizienz.

Der zweite Teil unserer Serie Dichtheit von Luftleitungssystemen befasst sich mit dem Thema Dichtheitskontrolle nach der Montage. Er erscheint am 16.06.2021. Teil 3 erscheint am 21.06.2021.

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