Praxisreport: Kastenfenster als Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft

Wie ein Restaurator, der ein wertvolles Gemälde behutsam von Jahrhunderte alten Firnisschichten befreit, ohne die ursprüngliche Komposition zu beschädigen, stehen Architekten bei der Modernisierung denkmalgeschützter Gebäude vor einer ähnlichen Aufgabe: Sie müssen zeitgemäße Technik geschickt in die historische Substanz integrieren, ohne deren charakteristische Züge zu verwischen. Ein eindrückliches Beispiel, wie diese Gratwanderung zwischen Bewahrung und Innovation gelingen kann, ist die Sanierung des Hochhauses in der Hamburger Oberstraße 14b.
Nachkriegsmoderne unter Denkmalschutz
Als erste Wohnhochhäuser nach 1945 setzten die zwölf Grindelhochhäuser im Hamburger Bezirk Eimsbüttel wegweisende Akzente für die Architektur der deutschen Nachkriegszeit. Das heute unter Denkmalschutz stehende Ensemble zeichnete sich durch bemerkenswerte Modernität aus: Zentralheizung, fließendes Warm- und Kaltwasser sowie Fahrstühle gehörten zur Grundausstattung. Besonders die lichtdurchfluteten Wohnungen mit ihrer raffinierten Verschattungsarchitektur prägten den Komfortstandard einer ganzen Epoche.
Bei der Umwandlung des Gebäudes in der Oberstraße 14b zu einem modernen Gewerbeobjekt standen die Planer vor einer vielschichtigen Herausforderung: Die Fenster mussten energetisch und funktional auf den neuesten Stand gebracht werden, ohne dabei das denkmalgeschützte Erscheinungsbild zu tangieren. Gleichzeitig galt es, Sonnenschutz und Lüftungskomfort für zeitgemäße Bildschirmarbeitsplätze zu schaffen.

Kastenfenster als intelligente Synthese
Die projektleitenden Architekten Dipl.-Ing. Martin Muus und Dipl.-Ing. Katja Wilde fanden ihre Antwort in einem scheinbaren Paradoxon: Sie griffen auf eine der ältesten und bewährtesten Fensterkonstruktionen zurück: das Kastenfenster. Diese historische Bauweise mit zwei hintereinander angeordneten Fensterelementen erwies sich als perfekte Basis für die Integration zeitgenössischer Technik.
Das Geheimnis liegt in der Raffinesse der Konstruktion: Kastenfenster bieten von Natur aus überlegene Wärmedämm- und Schallschutzeigenschaften gegenüber konventionellen Einzelfenstern. Der Luftraum zwischen den beiden Fensterelementen fungiert als natürliche Isolationsschicht und Schallbarriere – ein Prinzip, das bereits in vergangenen Jahrhunderten geschätzt wurde.
Die moderne Hamburger Interpretation verfeinert dieses bewährte Konzept durch High-Tech-Materialien: Sonnenschutzglas außen trifft auf Wärmeschutzglas innen. In den Zwischenraum ist eine automatische Verbundjalousie mit 35 Millimeter breiten Lamellen integriert. Diese elegante Lösung ermöglicht die natürliche Belüftung durch das äußere Fenster bei gleichzeitiger Verschattung der Innenräume. So entsteht ein ausgeklügeltes Klimamanagement, das Energiekosten senkt und den Arbeitskomfort spürbar steigert.

Automatisierung nach Maß
Die technische Finesse zeigt sich besonders in der Automatisierung der äußeren Fensterflügel. Das Projektteam entschied sich hierbei für Lösungen von Geze. Sie nutzen Geze Slimchain Öffnungsantriebe in Kombination mit dem Verriegelungsantrieb Power Lock – eine Paarung, die sowohl funktional als auch ästhetisch überzeugt.
Die Slimchain-Antriebe rechtfertigen ihren Namen durch ihre bemerkenswert schlanke, dezente Optik. Sie verschwinden nahezu unsichtbar im Fensterrahmen, während die Zuleitungen geschickt in der Konstruktionsfuge geführt werden. Kein störender Technikaufbau, keine sichtbaren Installationen – die Automatisierung bleibt dem Betrachter verborgen und respektiert so das historische Erscheinungsbild.
Der Power Lock Verriegelungsantrieb komplettiert das System durch seine Zuverlässigkeit unter extremen Bedingungen. Selbst in den höheren Etagen gewährleistet er bei stärkeren Windlasten einen sicheren Verschluss. Ein durchdachtes Detail: Da nur die äußeren Fenster motorisiert sind, entfällt eine zusätzliche Absicherung nach Maschinenrichtlinie 2006/42/EG.
Die Bedienung erfolgt über Wandtaster im Raum, während die inneren Flügel der Kastenfenster weiterhin manuell geöffnet werden können. Diese hybride Lösung verbindet die Vorteile der Automatisierung mit der bewährten Einfachheit manueller Bedienung.

Partnerschaftliche Projektentwicklung
Der Erfolg des Hamburger Projekts wurzelt nicht zuletzt in einer engen Zusammenarbeit aller Beteiligten. Bereits in der frühen Projektphase stimmten sich die Architekten intensiv mit dem Fensterbauer Sehlmann, dem Glashersteller Semco sowie den Fensterantriebsspezialisten von EMT und Geze ab. Diese frühzeitige Vernetzung erwies sich als Schlüssel zum Erfolg: Potenzielle Stolpersteine konnten rechtzeitig erkannt und gemeinsame Lösungswege entwickelt werden.
„Das Engagement und die offene Kommunikation mit allen Beteiligten haben es ermöglicht, Herausforderungen frühzeitig zu erkennen und gemeinsam Lösungen zu entwickeln", resümieren die Architekten Martin Muus und Katja Wilde über diese intensive Kooperationsphase. Eine Herangehensweise, die in der oft fragmentierten Baubranche leider noch zu selten praktiziert wird.
Portfolio für historische Herausforderungen
Das Hamburger Projekt zeigt eindrucksvoll, wie sich moderne Fenstertechnik denkmalgerecht integrieren lässt. Die gelungene Verbindung aus historisch bewährten Konstruktionsprinzipien und zeitgemäßer Automatisierungstechnik eröffnet neue Perspektiven für die Gebäudemodernisierung.
Geze verfügt über ein breites Spektrum an Lösungen für Denkmalschutzprojekte. Das Portfolio umfasst verschiedene Öffnungsantriebe, Verriegelungssysteme und Rauch-Wärme-Abzugsanlagen, die sich diskret in historische Bausubstanz integrieren lassen.
Die Grindelhäuser beweisen: Denkmalschutz und moderne Gebäudetechnik müssen keine Gegenpole sein. Vielmehr kann die kreative Synthese historischer Expertise und zeitgenössischer Innovation zu Lösungen führen, die sowohl der Vergangenheit gerecht werden als auch den Anforderungen der Zukunft standhalten. Ein Ansatz, der angesichts der wachsenden Bedeutung nachhaltiger Gebäudesanierungen zunehmend an Relevanz gewinnt.