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Wann ist ein Gutachter befangen?

Andreas Kleefisch

Im Rahmen von gerichtlichen Verfahren oder auch einer außergerichtlichen Schlichtung wird häufig über die Ursache von Minderperformance von Modulen gestritten. Dabei geht es um Mikrorisse, Korrosion an Kabeln, Verschmoren von Steckern, Undichtigkeit von Anschlussdosen und einiges mehr. Meist besteht Uneinigkeit über die Frage, ob der gerügte Mangel – sollte es ein solcher sein – produktionsbedingt, montagebedingt oder auslegungsbedingt ist oder ob es sich um einen Fall der üblichen Abweichung von der mittleren Art und Güte handelt. Das Gericht oder die Schlichter benötigen zur Aufklärung des Sachverhalts und bei der Deutung der Symptome Sachverstand, den sie selbst nicht haben.

Expertise vor Gericht

Richter oder Schiedsrichter eines Schiedsverfahrens ziehen deshalb schon wegen der gut ausgestatteten und meist zertifizierten Labore Sachverständige bei, die bei diesen Prüfinstituten arbeiten, um den Mangel, seine Ursache und seine Auswirkungen zu begutachten.

Dabei ergibt sich die Frage nach der Befangenheit. Sind Prüfinstitute, die auch zertifizieren, generell befangen? Die Zertifizierung von Herstellern bringt viel Geld und langfristige Aufträge, ein Gerichtsgutachten nicht. Wirkt sich eine Befangenheit eines Prüfinstituts auf den dort angestellten Sachverständigen aus?

Subjektives Misstrauen reicht nicht

Der Sachverständige muss nicht tatsächlich befangen sein. Es reicht die Besorgnis der Befangenheit. Die Ablehnung eines Sachverständigen ist aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, möglich: Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.

Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Allerdings setzt die Besorgnis der Befangenheit einen objektiv bestehenden Befangenheitsgrund voraus. Irgendein subjektives Misstrauen rechtfertigt die Ablehnung nicht, sondern nur ein gegenständlicher, vernünftiger Grund.

Wann kann eine Parteilichkeit vermutet werden?

Es genügt, dass Tatsachen vorliegen, die aus der Sicht der Partei geeignet sind, die Parteilichkeit des Sachverständigen zu befürchten (Münchener Kommentar zur ZPO, Band 1, 5. Aufl., § 42 ZPO, Rn. 4). Das Bundesverfassungsgericht entschied durch Beschluss vom 11. Oktober 2011, dass allein entscheidend sei, ob ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit des Richters beziehungsweise des Sachverständigen zu zweifeln.

Befangenheit, gleichbedeutend mit Parteilichkeit oder Voreingenommenheit, sei die unsachliche innere Einstellung des Richters oder Sachverständigen zu den Beteiligten oder zum Gegenstand des konkreten Verfahrens. Sie tendiere zu der Gefahr, dass sachfremde Umstände die Bearbeitung und Entscheidung der Sache beeinflussen und dadurch ein Prozessbeteiligter bevorzugt oder benachteiligt werde. Eine solche Parteilichkeit oder Voreingenommenheit kann vermutet werden, wenn:

  • ein Anstellungsverhältnis bei einer Partei besteht oder bestand,
  • geschäftliche Beziehungen zu einer Partei bestehen,
  • ein Konkurrenzverhältnis zu einer Partei vorliegt,
  • Freundschaft oder Feindschaft zu einer Partei besteht,
  • oder auch schon eine nähere Bekanntschaft auf gesellschaftlicher Ebene,
  • wenn der Sachverständige zur Vorbereitung des Prozesses durch eine Partei ein entgeltliches oder unentgeltliches Privatgutachten in derselben Sache erstellt hat, ohne Rücksicht darauf, ob es im Prozess vorgelegt wurde oder nicht.

Die Sicht des Bundesgerichtshofes

Der Bundesgerichtshof hatte jüngst hinsichtlich der Besorgnis der Befangenheit eines Sachverständigen für Medizinprodukte zu entscheiden (BGH, Beschluss vom 10. Januar 2017 – VI ZB 31/16).

Er erklärte: „Zwar hat ein öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger sein Gutachten unparteiisch zu erstatten. Trotz dieser objektiven Pflichtenlage ist vom Standpunkt des Ablehnenden die Befürchtung, der Gutachter könnte sich im Falle einer Gutachtertätigkeit für einen Dritten in Zweifelsfällen und auf Grundlage der Angaben seines Auftraggebers für ein diesem günstiges Ergebnis entscheiden, nicht als unvernünftig von der Hand zu weisen.“

Überzeugung überprüfen

Zwar könne von einem Sachverständigen erwartet werden, dass er bereit sei, seine zuvor gewonnene Überzeugung zu überprüfen und, wenn nötig, zu korrigieren. Aus diesem Grund sei die Ablehnung eines gerichtlich beauftragten Sachverständigen, der in einem anderen Verfahren ebenfalls als Gerichtssachverständiger ein Gutachten erstattet hat, nicht gerechtfertigt. Anders als im Falle seiner gerichtlichen Beauftragung sei der Sachverständige aber im Falle seiner Beauftragung mit einem Privatgutachten mit einer der an der jeweiligen Streitigkeit beteiligten Personen vertraglich verbunden.

Beurteile er den Sachverhalt, der Gegenstand des Privatgutachtens war, später anders, so setze er sich möglicherweise dem – gleich ob berechtigten oder unberechtigten – Vorwurf seines Auftraggebers aus, das Privatgutachten nicht ordnungsgemäß erstattet oder sonstige vertragliche Pflichten verletzt zu haben.

Diesem Vorwurf seines Auftraggebers könne er sich auch dann ausgesetzt sehen, wenn an der Streitigkeit, in der er später als Gerichtssachverständiger tätig wird, andere Personen beteiligt sind, es aber um einen gleichartigen Sachverhalt und eine gleichartige Fragestellung geht. Dies gelte jedenfalls dann, wenn die Interessen der jeweiligen Parteien in beiden Fällen in gleicher Weise kollidieren.

Vertrauen beeinträchtigt

Die Möglichkeit eines Konflikts des Sachverständigen zwischen Rücksichtnahme auf den früheren Auftraggeber und der Pflicht zu einer von der früheren Begutachtung losgelösten, objektiven Gutachtenerstattung im Auftrag des Gerichts sei geeignet, das Vertrauen des Ablehnenden in eine unvoreingenommene Gutachtenerstattung zu beeinträchtigen.

Will man diesen Gedanken auf die Fragestellung übertragen, stellt sich zunächst die Frage, ob man das Wort Privatgutachten mit Zertifizierung eines Produktes ersetzen kann und ob ein Sachverständiger ein „von der früheren Begutachtung losgelöstes, objektives Gutachten“ erstatten kann, wenn er selbst an der Qualitätskontrolle der Produktion eines Produkts mitgewirkt hat.

Wie frei ist ein Sachverständiger?

Zertifizierungsunternehmen in der Solarwirtschaft werben damit, dass Produzenten und Importeure von Solarkomponenten sicherstellen sollten, dass ihre Produkte anerkannten Qualitäts- und Leistungsstandards entsprächen.

Dazu müssten sie zeigen, dass ihre Komponenten robust, belastbar und zuverlässig in der Lage sind, unter jeglichen klimatischen Bedingungen verlässlich die zugesicherte Nennleistung und den prognostizierten Energieertrag zu erbringen. Um einen hohen Ertrag der Anlage langfristig zu ermöglichen, müssten beispielsweise Module sicher, haltbar und wirtschaftlich tragbar sein.

Argumente der Prüfinstitute

Die Institute berufen sich auf ihre langjährige Erfahrung in der Solarindustrie und darauf, Prüfungen und Tests entwickelt zu haben, die auf die Bedürfnisse der Solarwirtschaft eingehen. Sie erklären, in ihren häufig nach ISO 17025 akkreditierten Labors würden beispielsweise Module nach nationalen und internationalen Normen, einschließlich IEC 61215-1/-2:2016 und IEC 61730-1/-2:2016, geprüft und zertifiziert. Zudem werden Belastungsprüfungen und Stresstests unter erschwerten Bedingungen, Leistungsbestimmungen und Energieertragsprüfungen angeboten.

Besorgnis der Befangenheit

Ist ein Sachverständiger durch ein Gericht mit der Beantwortung von Beweisfragen betraut, der bei dem Unternehmen angestellt ist, das diese Dienstleistungen erbringt: Wie frei ist dann noch sein Beurteilungsspielraum beispielsweise für die durch ein Gericht gestellte Frage, ob Mikrorisse produktionsbedingt, transportbedingt oder montagebedingt sind? Oder wie viele und welche Risse als „normal“ angesehen werden müssten?

Mit der oben ausgeführten Begründung ist davon auszugehen, dass der Sachverständige, der einer Firma oder Firmengruppe angehört, die das betreffende Produkt oder die Produktion zertifiziert hat, der Besorgnis der Befangenheit ausgesetzt ist. Die Zertifizierung – insbesondere wenn mit ihr geworben wird – stellt einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter dar. Es könnte sich also ein Direktanspruch der Geschädigten gegen den Zertifizierer ergeben, sofern Verschulden bei der Anfertigung und Herausgabe des Zertifikats nachgewiesen werden kann. Der gerichtliche Sachverständige, der derselben Prüforganisation angehört, die zuvor das Produkt oder die Produktion zertifiziert hat, kann daher nicht unbefangen urteilen, wenn sogar eine Haftung seines Arbeitsgebers nach den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter im Raume steht.

Vor der Beauftragung eines Gutachtens sollte das Gericht den Sachverständigen dazu befragen, ob er oder sein Arbeitgeber an der Zertifizierung der betroffenen Produkte beteiligt war. Um spätere Schwierigkeiten zu vermeiden, sollte ein Sachverständiger, der diese Frage nicht vorgelegt bekommt, von sich aus darauf hinweisen, dass sein Arbeitgeber als Prüfinstitution möglicherweise an der Zertifizierung der streitbefangenen Produkte mitgewirkt hat.

Eine veröffentlichte Liste der zertifizierten Produkte und der Stelle, die das Zertifikat abgegeben hat, wäre zudem wünschenswert, wenn sie jeweils aktuell und für alle Prüfinstitute einheitlich geführt würde.

Dieser Beitrag von Andreas Kleefisch ist zuerst erschienen in: photovotaik 9-2018. Andreas Kleefisch ist Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht sowie seit 1997 bis 2018 Lehrbeauftragter für Wirtschaftsrecht sowie Bau- und Architektenrecht an der Fachhochschule Münster.

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