EnWG: Gibt es Einschränkungen beim Betrieb von Kundenanlagen?

Im Mai 2025 hat der Bundesgerichtshof mit seiner Entscheidung zur Kundenanlage erhebliche Unsicherheit für Stromlieferungen in Mehrfamilienhäusern, Gewerbe, Industrie und Kommunen ausgelöst. Besonders betroffen sind lokale Direktversorgungskonzepte wie Mieterstrom, gemeinschaftliche Gebäudeversorgung und dezentrale Modelle in Industriearealen, etwa Onsite Power Purchase Agreements.
Aber: Die vom Bundestag in dieser Woche beschlossene Übergangsregelung im Rahmen der Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) sieht vor, die bisherige, vom Bundesgerichtshof verworfene Regelung der Kundenanlage bis Ende 2028 zumindest für Bestandsanlagen beizubehalten. Ob diese Maßnahme ausreicht, insbesondere für neue Projekte, bleibt jedoch unklar.
Gutachten fordert Klarstellung im EnWG
Die Kanzlei Nümann + Siebert hat im Auftrag des Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW) und der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie (DSW) ein 52-seitiges Gutachten zur BGH-Entscheidung erstellt. Darin werden konkrete Vorschläge unterbreitet, wie die Rechtsunsicherheit für Direktversorgungskonzepte beseitigt werden kann. Eine zentrale Empfehlung ist, am Begriff und an der Definition der Kundenanlage festzuhalten. Das Gutachten fordert eine Klarstellung im Energiewirtschaftsgesetz, ergänzt um eine Generalklausel, die auch für die Auslegung untergesetzlicher Regelungen wie Festlegungen der Bundesnetzagentur genutzt werden kann.
Durch diese Anpassung müssten Kundenanlagen lediglich die EU-Vorgaben für Verteilnetze erfüllen und würden damit einem „Verteilernetz light“ entsprechen. Gleichzeitig sollen Kundenanlagen von weitergehenden nationalen Regeln für Energieversorgungsnetze ausgenommen werden. Dies würde eine richtlinienkonforme Auslegung des Energiewirtschaftsgesetzes ermöglichen und die bisherige Abgrenzung zwischen öffentlichem Netz und Kundenanlage erhalten. Praktizierte Stromliefermodelle könnten so weiterhin genutzt werden.
Breite Unterstützung aus Wirtschaft und Verbänden
Bereits im Mai 2025 hatte ein Zusammenschluss von 27 Energie-, Industrie-, Wohnungs- und Wirtschaftsverbänden die Bundesregierung in einem Verbändeappell aufgefordert, die Rechtssicherheit für Stromlieferungen in Kundenanlagen zügig wiederherzustellen. Zu den Unterzeichnern zählen unter anderem der Bundesverband Solarwirtschaft, die Deutsche Industrie- und Handelskammer, der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, der Bundesverband der deutschen Industrie und der Handelsverband Deutschland.
Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des BSW, betont: „Das Gutachten liefert eine zielführende Handlungsempfehlung für die Politik, die aus Sicht der Solar- und Speicherbranche die vielversprechendste Option zur Wiederherstellung von Rechtssicherheit für Kundenanlagen darstellt. Wir appellieren an die Bundesregierung, diesen Bremsklotz für die urbane Energiewende schnell zu beseitigen.“
Diese Einschränkungen und Lösungsansätze gibt es für Speicher und Ladepunkte
Das Gutachten weist darauf hin, dass der vorgeschlagene Ansatz zu Einschränkungen beim Betrieb von Speichern und Ladepunkten innerhalb von Kundenanlagen führen kann. Diese Einschränkungen werden als „höchst ärgerlich“ bewertet, seien aber im Vergleich zu den drohenden Konsequenzen das kleinere Übel. Körnig erläutert, dass diese Herausforderungen durch Contracting-Modelle gelöst werden können. Für eine grundsätzliche Lösung der Problematik sieht das Gutachten auch den europäischen Gesetzgeber in der Pflicht.
Ausblick: Bedarf an dauerhafter und europarechtskonformer Regelung
Die Übergangsregelung schafft keine vollständige Rechtssicherheit für neue Direktversorgungskonzepte. Das Gutachten empfiehlt eine dauerhafte und EU-konforme Anpassung des Energiewirtschaftsgesetzes, um die urbane Energiewende und innovative Stromliefermodelle wie Mieterstrom und gemeinschaftliche Gebäudeversorgung zu ermöglichen. Die weitere Entwicklung hängt maßgeblich von der Umsetzung der vorgeschlagenen gesetzlichen Klarstellungen und der Einbindung europäischer Vorgaben ab.
Das gesamte Rechtsgutachten finden Sie hier.
