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65 Prozent Erneuerbare: Konzeptpapier mit zwei Gesichtern

Dittmar Koop

Fast jeder zweite deutsche Haushalt heizt mit Erdgas. Bis zum Ausbruch des Ukraine-Kriegs wurde der Austausch von Gas-Brennwertanlagen Alt gegen Neu sogar noch staatlich gefördert. Aber der politische Wille, nun systematisch und deutlich schneller im Wärmemarkt aus der Verbrennung von Erdgas und Heizöl auszusteigen, ist unübersehbar. Seit 15.8. gibt es über die Bundesförderung effiziente Gebäude im Segment Einzelmaßnahmen (BEG EM) für Gas-Brennwert keine Förderung mehr, die 20-%-Renewable-Ready-Förderung ist damit abgeschafft. Und der Koalitionsvertrag der Ampel sah bereits vor, dass zum 1.1.2025 jede neu eingebaute Heizung auf Basis von 65 % erneuerbarer Energien betrieben werden muss.

65%-Pflicht wird vorgezogen

Auch unter dem Eindruck des Ukraine-Kriegs und des Erdgaskonflikts mit Russland hat die Regierungskoalition im Juli dann vereinbart, dass diese Vorgabe bereits ab 1.1.2024 gelten soll. Sie soll in der anstehenden Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) gesetzlich verankert werden. Ebenfalls Mitte Juli legten dann das Bundeswirtschafts- und das Bundesbauministerium (BMWK und BMWSB) ein Konzeptpapier zur Umsetzung des 65-Prozent-Ziels vor (haustec.de berichtete).

Zweistufenkonzept tendenziös?

Gas-Brennwert wird über die beiden Erfüllungs-Varianten des Konzepts (Einstufenkonzept und Zweistufenkonzept) theoretisch die Möglichkeit eingeräumt, weiter am Markt zu bleiben – wenn die Systeme statt mit Erdgas z.B. mit Biomethan betrieben werden. Die verfügbare Menge an Biomethan im großen Stil wird aber (zurecht) in Frage gestellt.

Der Unterschied zwischen dem Einstufen- und dem Zweistufenkonzept ist im Kern, dass das Zweistufenkonzept Biomasseheizungen oder grünen Wasserstoff zunächst ausschließen, was das Einstufenkonzept nicht tut. Das Zweistufenkonzept würde also vorsehen, dass zunächst die Erfüllungsoptionen Anschluss an ein Wärmenetz (Nah- oder Fernwärme), Einbau einer Wärmepumpe oder Einbau einer Hybridheizung (min. 65% Erneuerbare) oder auch eine Stromdirektheizung gehen (Voraussetzung hier: sehr gut gedämmte Gebäude, was das konkret heißt, wird im Konzeptpapier nicht weiter ausgeführt).

Erst wenn diese Optionen nicht möglich sind, was ein Sachverständiger nachzuweisen hat, greift Stufe 2: Dann sind auch Systeme möglich, die mit nachhaltig erzeugtem Biomethan betrieben werden, mit grünem Wasserstoff oder mit nachhaltig erzeugter fester oder flüssiger Biomasse. Im Einstufenkonzept sind alle diese Systeme als Erfüllungsoption gleichgestellt.

Das Konzeptpapier sieht vor, die Laufzeiten von Heizöl-Feuerungen zu verringern. Neu ist, dass diese auch auf Erdgasfeuerungen übertragen werden. Welche Modernisierungswelle daraus ab 2026 entsteht, wird man sehen.

Einstufenkonzept wird präferiert

Bis zum 22. August hatten Verbände Zeit, zum Konzeptpapier und den darin gestellten Fragen Stellung zu nehmen. Naturgemäß argumentiert jeder Verband für seine Interessen, die er im Auftrag seiner Mitglieder vertritt. Aber nach Durchsicht von Stellungnahmen schält sich doch heraus, dass man dem Zweistufenkonzept meistenteils eine Absage erteilt und stattdessen das Einstufenkonzept präferiert. Die Gründe sind z. B. die darüber eingeschränkte Technologieoffenheit. So argumentiert bspw. der BDH in seinem Statement, dass die Fokussierung auf einige wenige Anwendungen den Lösungsraum zu sehr verenge oder aber die Anforderungen der Nutzung erneuerbarer Energien zu anspruchsvoll ausgelegt würden, was mit besonderen Herausforderungen für Handwerk und Haushalte verbunden wäre.

Natürlich vertritt der BDH sämtliche Heizungstechnologien und er ist daran interessiert, dass diese im Sinne seiner Mitglieder erhalten bleiben, von fossilen Energieträgern bis hin zu den Erneuerbaren. Insofern plädiert er immer für Technologieoffenheit. Aber daran ist zunehmend nichts Verwerfliches zu erkennen, wenn die Energiepolitik, ggf. aus ideologischen Gründen, bestimmte Techniken der Erneuerbaren einfach ausschließt bzw. ihnen den Weg erschwert oder ihnen eine bestimmte Entwicklung unterstellt.

Ein merkwürdiges Konstrukt

Ein etwas merkwürdiges Konstrukt im Konzeptpapier zum 65-Prozent-Ziel ist, dass grünem Wasserstoff und der Bioenergie (fest oder flüssig) eine grundsätzliche Skepsis entgegengebracht wird, ob sie in Zukunft als 65-Prozent-Alternative überhaupt ausreichend verfügbar wäre. Zu gut Deutsch: Wer heute z.B. auf Holzpellets setzt oder ab 2024 zur Erfüllung der 65-Prozent-Vorgabe, dem könnten in wenigen Jahren die Biomasse-Brennstoffpreise um die Ohren fliegen.

Das erscheint einseitig. Zwar stimmt es, dass der Preis für Holzpellets binnen der vergangenen 12 Monaten enorm gestiegen ist. Und abgesehen von möglichen aktuellen Verwerfungen am Energiemarkt, welche auch Holzpellets betreffen, wird der Preis auch steigen. Davon quasi abzuraten mit Hinweis auf die nächsten zehn Jahre ist aber falsch. Denn genauso bleibt im Ungewissen, wie sich der Strompreis entwickelt. Zumal vor dem Hintergrund, dass die politische Zielsetzung diese ist, die Sektoren Strom, Wärme und Verkehr zu verstromen, über erneuerbare Energien. Das wird die Nachfrage enorm erhöhen.

Das Zweistufenkonzept bremst die Verwendung von Feuerungen auf Basis von Biomasse aus.

Es bedarf technischer Alternativen

Fakt ist auch, dass nicht in jeder Gebäudesituation eine Wärmepumpe verbaut werden kann und es technischer Alternativen immer bedarf. Die Freiheit der Entscheidung sollte außerdem perspektivisch nicht zu sehr eingeschränkt werden, indem z.B. dem Thema Wasserstoff im Wärmemarkt keine Zukunft zugesprochen wird und daraus abgeleitet heute Hürden aufgebaut würden, die morgen bereits uninteressant sind (Zweistufenmodell). Das Gleiche gilt zumindest für die feste Biomasse. Es ist in gewisser Weise eine Art Diskriminierung, wenn nur den Biomasse-Brennstoffträgern oder grünem Wasserstoff unterstellt wird, dass es zu Verknappungen kommen werde bzw. das Angebot nicht ausreichen würde und damit einhergehenden Preissteigerungen.

Das Konzeptpapier schlägt z. B. eine Mieterschutzvorschrift vor, dass im Fall der Nutzung von Biomethan oder von grünen Gasen der Vermieter die Kosten übernimmt, die über den Grundversorgungstarif für Gas hinausgehen. Das dürfte etliche Vermieter abschrecken, so etwas überhaupt zu installieren in Erwägung zu ziehen.

Begrenzte Betriebslaufzeiten für Öl und Gas

Etwas unbemerkt im Schatten des alleinigen Fokus darauf, was jetzt wie ab 2024 für welche Heizsysteme gelten könnte und welche dann noch gelten und welche Ausnahme- und Härtefälle es geben soll mit entsprechenden Übergangsfristen, blieb dabei, dass das Konzeptpapier auch die Betriebslaufzeit von Öl- und Gasheizungen neu definiert bzw. weiter nach unten begrenzt. Im Konzeptpapier heißt es: „Um einen Attentismus [abwartende Haltung, Anm. d. Red.] im Heizungsmarkt zu verhindern und schnell die Abhängigkeit von fossilem Erdgas oder Erdöl zu reduzieren, wird daher im GEG ab 2026 die maximale Betriebslaufzeit von rein fossilen Erdgas- und Erdölkesseln sukzessive von 30 auf 20 Jahre begrenzt.“ Diese Regelung soll also auch von Heizöl- auf Erdgas-Heizungen übertragen werden.

Kessel indes, die bis 1996 eingebaut wurden, sollen noch bis längstens 2026 betrieben werden dürfen. Wie groß die daraus resultierende Modernisierungswelle danach sein wird, muss man sehen. Laut Erhebungen des Schornsteinfegerhandwerks zum Heizungsbestand 2021 in Deutschland sind hierzulande etwa 70 % der Ölfeuerungsanlagen älter als 20 Jahre, beim Gas sind es etwa 60 %.

Fazit

Die Konzept-Richtung ist eindeutig: Weg nicht nur vom Heizöl, sondern auch von Erdgas. Es sollte dann bei den dann möglichen Alternativen aber nicht eingeschränkt oder gar auf einen bestimmten Typ kanalisiert werden, was möglicherweise ideologisch und nicht allein technisch motiviert scheint. Es bleibt derzeit einfach mal wieder nur abzuwarten, was die Regierungskoalition nach Abschluss der Frist zur Stellungnahme nun konkretisiert und dann beschließt.

Dittmar Koop ist Journalist für erneuerbare Energien und Energieeffizienz.

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