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Arbeitsschutz: Leitern sind gefährlicher als Motorsägen

Prof. Dr.-Ing. M. Schmauder

Leitern und Tritte sind unverzichtbare Hilfsmittel. Sie zu benutzen erscheint einfach und ist doch nicht immer problemlos. Amerikanische Wissenschaftler unterstützen sogar die These, dass Leitern gefährlicher sein können als Motorsägen. Denn die meisten Menschen sind sich der Gefahren im Umgang mit Motorsägen bewusst. Risiken beim Einsatz von Leitern werden dagegen häufig unterschätzt. Die deutschen Statistiken stützen diese These: 

Im gewerblichen Bereich wurden im Jahr 2013 bei der BG Bau 6.811 Absturzunfälle mit mehr als drei Tagen Arbeitsunfähigkeit gemeldet. Neben den Abstürzen von hochgelegenen Arbeitsplätzen wie z.B. Dächern und Gerüsten entfallen immerhin ca. 44 % auf Leitern und Ähnliches.

20% der tödlichen Unfälle entstehen bei Stürzen aus geringen Höhen 

Nach der Statistik der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft zeigt sich folgender Zusammenhang:

  • Die meisten Verletzungen (40 %) entstehen bei Abstürzen im Höhenbereich zwischen einem und zwei Metern.
  • 44 % der tödlichen Unfälle resultieren aus eine Absturzhöhe von mehr als fünf Meter.
  • Erstaunlicherweise sind auch 20 % der tödlichen Unfälle bei einer Absturzhöhe zwischen einem und zwei Metern zu verzeichnen, was vermutlich daran liegt, dass man auch schon bei diesen Höhen oft zuerst mit dem Kopf auf dem Boden auftrifft.

Es sind also insbesondere auch die eher geringen Höhen von bis zu zwei Metern gefährlich - und genau in diese Höhenbereiche traut man sich auch ohne spezielle Kenntnisse und mit oft ungeeigneten Mitteln.

Das statistische Risiko bei Leitern ist höher als gedacht

Das Risiko beim Benutzen einer Aufstiegshilfe wird meist als gering eingeschätzt. Es sind keine besonderen Kenntnisse und Fertigkeiten notwendig und die Arbeitsmittel werden häufig benutzt. Das objektive (= statistische) Risiko ist jedoch hoch.

Zu den häufigsten Fehlern beim Umgang mit Leitern zählen:

  • falsches Aufstellen,
  • falsche Belastung etwa durch weites seitliches Hinauslehnen,
  • der Einsatz von schadhaften Aufstiegshilfen sowie
  • das Arbeiten mit hohem Krafteinsatz auf einer ungesicherten Leiter.
Muster-Betriebsanleitung für Anlegeleitern (Ausschnitt).

Auswahl von Leitern und Tritten

Aufstiegshilfen ist der Oberbegriff für alle Arbeitsmittel, mit denen man höher gelegene Stellen erreichen kann. In Anhang 1 der Betriebssicherheitsverordnung sind besondere Vorschriften für bestimmte Arbeitsmittel enthalten. In Abschnitt 3.1.4 wird hier ausgeführt.

Die Verwendung von Leitern als hoch gelegene Arbeitsplätze ... ist nur in solchen Fällen zulässig, in denen

  • a) wegen der geringen Gefährdung und wegen der geringen Dauer der Verwendung die Verwendung anderer, sichererer Arbeitsmittel nicht verhältnismäßig ist und
  • b) die Gefährdungsbeurteilung ergibt, dass die Arbeiten sicher durchgeführt werden können.

Auch die Arbeitsstättenverordnung ist relevant. Insbesondere die Technische Regel für Arbeitsstätten ASR A2.1“Schutz vor Absturz und herabfallenden Gegenständen, Betreten von Gefahrenbereichen“ ist zu beachten.

Das Regelwerk der Unfallversicherungsträger enthält die DGUV-Information 208- 016 "Handlungsanleitung für den Umgang mit Leitern und Tritten", und in diversen Normen sind Anforderungen an die unterschiedlichen Leitern enthalten.

Der richtigen Auswahl von Aufstiegshilfen kommt eine hohe Bedeutung zu. Man unterscheidet zwischen

  • Anlegeleitern zur Überwindung von Höhendifferenzen, die zu ihrer Benutzung z.B. an eine Wand angelehnt werden.
  • Rollleitern, die fest an Regale angebracht sind.
  • Stehleitern (oft auch als Bockleiter bezeichnet) bieten einen guten Stand und sind für kurz andauernde Arbeiten geeignet (z.B. Reparatur einer Deckenleuchte). Es sind zweischenklige freistehende Leitern mit und ohne Plattform.
  • Podestleitern sind ein- oder beidseitig besteigbare Aufstiege mit Stufen- oder Flachsprossen und umwehrter Plattform (Podest). Auch die Bezeichnung Plattformleiter ist gebräuchlich.

  • Mehrzweckleitern können durch Gelenke unterschiedliche aufgestellt und eingesetzt werden.

  • Sonderleitern z. B. für Glasreinigung, Montage, Feuerwehr, Dachdecker, Obsternte.

  • Tritte haben in der Regel bis zu vier Stufen. Es gibt Leitertritte, Treppentritte, Tritthocker und tonnenförmige Tritte (Elefantenfuß). Durch entsprechendes Zubehör kann die Standsicherheit und die Funktionalität der Aufstiegshilfen verbessert werden.

Muster-Betriebsanleitung für Stehleitern (Ausschnitt).

Tipps für die sichere Verwendung von Leitern

Auswahl:

Für die Aufgabe und die jeweiligen Umgebungsbedingungen die sichere Aufstiegshilfe auswählen:

  • Eine Stehleiter darf nicht als Anstellleiter verwendet werden.
  • Tritte sind nur für geringe Höhen geeignet, z. B. im Verkaufsraum oder im Büro.
  • Sichtkontrolle: Vor der Benutzung einer Aufstiegshilfe muss eine Sichtkontrolle erfolgen:
    • Sind Sprossen und Holme ohne Schäden?
    • Sind die Spreizsiche- rungen an Stehleitern funktionsfähig?
  • Aufstellung:
    • Für sicheren Stand sorgen
    • Sicheren Anstellwinkel bei Anlegeleitern wählen („Ellbogenregel“)
  • Benutzung:
    • Nicht als Dauerarbeitsplatz verwenden
    • Festes Schuhwerk anziehen
    • Entsprechend der Betriebsanweisung arbeiten
  • Regelmäßige Prüfung: Arbeitgeber sind verpflichtet, Leitern und Tritte regelmäßig auf Sicherheit hin zu überprüfen. Hilfreich ist ein sog. Leiternprüfbuch.
  • Unterweisung: Damit die Mitarbeiter die Risiken und Sicherheitsmaßnahmen kennen, müssen sie zu der sicheren Verwendung der Aufstiegshilfen unterwiesen werden.
  • Betriebsanleitung: Günstig ist es, wenn auf der Leiter die Betriebsanleitung in Form von Piktogrammen angebracht ist (siehe Bilder).
  • Betriebsanweisung: Auf Basis der Betriebsanleitung wird eine Betriebsanweisung erstellt, in der die Verwendung der Aufstiegshilfen geregelt ist. Anhand der Betriebsanweisung erfolgt die Unterweisung der Nutzer im Betrieb.

Fazit

Für das sichere Schritt für Schritt nach oben und auch wieder nach unten kommt der Auswahl und Benutzung von geeigneten Aufstiegshilfen eine hohe Bedeutung zu. Da Aufstiegshilfen im Betrieb Arbeitsmittel sind, hat auch der Arbeitgeber Pflichten, damit diese korrekt verwendet sind und bei Schäden aus dem Verkehr gezogen werden, was angesichts der nach wie vor vielen und schweren Unfällen auch dringend notwendig ist.

Der Autor: Prof. Dr.-Ing. M. Schmauder ist Professor für Arbeitswissenschaft am Institut für Technische Logistik und Arbeitssysteme der Technischen Universität Dresden.

Der Beitrag ist zuerst erschienen in der Zeitschrift "ASU - Zeitschrift für medizinische Prävention" Ausgabe 7/2016.

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