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Myskills: Testverfahren für berufserfahrene Fachkräfte ohne Abschluss

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Das Handwerk sieht den Fachkräftemangel als eines der drängendsten Probleme der Branche. "Ein Mega-Thema, wir haben einen enormen Bedarf", sagte unlängst der Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), Holger Schwannecke. Derzeit fehlen bundesweit bis zu 250.000 Gesellen und Gesellinnen. Nicht zuletzt die Klempnerbetriebe sind davon betroffen.

Viele Unternehmen und Betriebe suchen nach wie vor voll ausgebildete Alleskönner. Aber die sind immer schwerer zu finden. Dabei erledigen heute schon 70 Prozent der sogenannten „Ungelernten“ Aufgaben und Standardtätigkeiten von Fachkräften, also Mitarbeiter, die über langjährige Erfahrung verfügen, aber eben nicht über einen Ausbildungsabschluss.

Neuer Test für Menschen mit Berufserfahrung 

Das Testverfahren MySkills zeigt, welches berufliche Handlungswissen sich Arbeitnehmer am Arbeitsplatz angeeignet haben, die keinen formalen oder in Deutschland anerkannten Berufsabschluss haben. Das können Quereinsteiger, Geringqualifizierte oder Menschen sein, die längere Zeit nicht in ihrem Beruf arbeiten konnten. Aber z.B. auch Flüchtlinge aus Syrien oder Zuwanderer aus Osteuropa.

MySkills-Tests gibt es mittlerweile für 30 Berufe, die in allen Arbeitsagenturen und Jobcentern verfügbar sind. Darunter seit Kurzem auch der Test für den Beruf Klempner/Klempnerin.

Wie funktioniert MySkills?

MySkills ist ein computergestützter, videobasierter Test, der vom Jobcenter oder der Arbeitsagentur durchgeführt wird. Um Sprachbarrieren zu verringern, ist der Test in sechs Sprachen verfügbar - Deutsch, Englisch, Arabisch, Farsi, Russisch und Türkisch. Er dauert ungefähr 4 Stunden.

Den Teilnehmer werden ca. 120 Fragen zu konkreten beruflichen Handlungssituationen gestellt. Ausgangspunkte: Ausbildungsordnung und betriebliche Anforderungen.

„Der MySkills-Test ist in unterschiedliche Handlungsfelder aufgeteilt, die an der tatsächlichen beruflichen Praxis und am aktuellen deutschen Ausbildungsstandard ausgerichtet sind“, sagt Berthold Ruck. Er ist Leiter des Bereichs Anwendungstechnik bei Rheinzink in Datteln und tätig im bundesweit aktiven, unabhängigen „Arbeitskreis Ausbildung“ - und einer der MySkills-Testentwickler für den Beruf Klempner/Klempnerin.

Prüfung in berufsspezifischen Handlungsfeldern -  Beispiel Klempner

„Für den Beruf Klempner sind das die Handlungsfelder: 1. Passteile aus Feinblechen manuell und maschinell fertigen, 2. Werkstoffe fügen und verbinden, 3. Blechdächer und Fassaden montieren, 4. Regensichere Blechverkleidungen herstellen, 5. Dachentwässerung montieren. 

Der Test zeigt sehr genau, welche handlungspraktischen Fähigkeiten jemand schon hat, wo man ihn bereits einsetzen kann und wo der weitere Schulungs- und Qualifizierungsbedarf besteht, um jemanden mittelfristig zur Fachkraft zu entwickeln.

Für die Testentwicklung war ein kompetentes Expertenteam verantwortlich. In Expertenrunden, bestehend aus Vertretern der Innungen und Kammern, Ausbildungsmeistern, Betriebsinhabern und Unternehmensvertretern aus Handwerk und Industrie, wurden die konkreten Fragestellungen und MySkills-Anforderungen überprüft und angepasst,“ sagt Ruck.

Zwei Punkte versprechen bereits gute Einsetzbarkeit

„Wichtig ist, die Ergebnisse des Tests richtig zu interpretieren“, so der Experte. „Denn der Test ist schwer. Vier Punkte kann eigentlich nur jemand mit den Fähigkeiten eines Spitzen-Facharbeiters erreichen. Deshalb sollten sich Arbeitgeber bereits Kandidaten mit geringerer Punktzahl in einem Handlungsfeld sehr genau anschauen. Wenn jemand mit einem Ergebnis von zwei Punkten in einem Handlungsfeld kommt, dann können Arbeitgeber diesen Kandidaten unter Anleitung schon in diesem Gebiet einsetzen.

Bei drei Punkten in einzelnen Handlungsfeldern ist da jemand, der wirklich etwas kann und direkt eigenständig arbeiten kann. Und auch bei einem Punkt lohnt es sich, schon mal ein Praktikum anzubieten. „Arbeitgeber können sich direkt an ihre Arbeitsagentur oder das Jobcenter wenden und nach geeigneten Testabsolventen fragen, die in den verschiedenen Arbeitsbereichen schon einsetzbare Berufserfahrung haben“, sagt Ruck.

„Und für die fehlenden Fähigkeiten können hier gemeinsam Qualifizierungswege entwickelt werden. Im besten Fall bis zum vollwertigen Berufsabschluss. Neben der Suche nach Auszubildenden und ausgebildeten Fachkräften eröffnet MySkills einfach einen zusätzlichen Weg, um Menschen mit Potenzial durch Berufserfahrung als zukünftige Mitarbeiter zu finden und zielgenau zu entwickeln.“

Interview mit MYSKILLS-Testentwickler Berthold Ruck für den Beruf Klempner

Berthold Ruck ist Leiter des Bereichs Anwendungstechnik bei Rheinzink in Datteln und tätig im bundesweit aktiven, unabhängigen „Arbeitskreis Ausbildung“ sowie in der Arbeitsgruppe „Kommunikation Metalldach und -fassade“ des Internationalen Interessenbundes Baumetallle (iib). Als Experte hat er den MYSKILLS-Test für den Beruf Klempner/Klempnerin inhaltlich mit entwickelt. Im Gespräch erzählt er, was hinter der Entwicklung von MYSKILLS steckt und was Arbeitgeber von den Ergebnissen erwarten können.

Was ist MYSKILLS?

Berthold Ruck: MYSKILLS ist ein neues Instrument, um die beruflichen Handlungsfähigkeiten von Menschen, die zwar Berufserfahrung aber keinen formalen Berufsabschluss haben, auf schnellerem und kürzerem Weg festzustellen, als es bisher möglich war. Das kann jemand aus Deutschland sein, der in einem Beruf gearbeitet, aber keinen Abschluss gemacht hat. Genauso wie der syrische Flüchtling, dessen Ausbildung hier in Deutschland nicht anerkannt wird. Aktuell bietet die Bundesarbeitsagentur diese Tests für rund 30 Berufe an. Ich hatte die Ehre, mit meinem Team bei der Entwicklung des MYSKILLS-Tests für den Beruf „Klempner (Spengler)“ mitzuwirken. Durch meine Erfahrungen als Leiter des Rheinzink-Schulungszentrums war ich in der Lage, die Erstellung entsprechender Aufgaben und Situationsvideos zu unterstützen.

Worin liegen die Vorteile von MYSKILLS?

 Der computerbasierte MYSKILLS-Test verfügt über sprachneutrale Videosequenzen und Momentaufnahmen von echten Arbeitssituationen aus der Praxis. Darüber hinaus können die Teilnehmer die Fragen in ihrer Heimatsprache beantworten. Das sind derzeit neben Deutsch auch Englisch, Russisch, Arabisch, Farsi und Türkisch. Vorher war es immer ein Problem, sich ein Bild von den beruflichen Erfahrungen und Fähigkeiten zu machen, wenn Menschen noch nicht so gut Deutsch sprechen. Bei MYSKILLS sehen die Teilnehmer Videos von beruflichen Handlungssituationen und werden dazu in ihrer Sprache befragt. Der in unterschiedliche Handlungsfelder aufgeteilte Fragenkatalog ist an der tatsächlichen beruflichen Praxis ausgerichtet, genauso wie am aktuellen deutschen Ausbildungsstandard. MYSKILLS-Fragen decken damit die gesamte Bandbreite des Berufsbildes ab. Die entsprechende Auswertung gibt dann klare Hinweise darauf, was jemand in einem Beruf schon kann und welche Lücken durch Weiterbildung geschlossen werden müssen.

Welches berufliche Wissen wird bei MYSKILLS konkret abgefragt?

Die Fragen zum Berufsbild Fachkraft Klempner wurden so zusammengestellt, dass man wirklich sehen kann, ob jemand praktische Berufserfahrung in den verschiedenen Handlungsfeldern hat oder nicht. Das geht von der Herstellung von Bauteilen mit handgeführten Werkzeugen und Maschinen über Falzen oder Löten von Einzelteilen, das Montieren und Demontieren von Baugruppen und Metallkonstruktionen, das Umformen und Trennen von Blechen und Rohren bis hin zum Schweißen. Darin enthalten ist die komplette manuelle bzw. handwerkliche Bearbeitung.

Der für das Klempnersegment relativ neue MYSKILLS-Test wurde in anderen Berufen bereits erfolgreich getestet. Für jede Testentwicklung ist ein kompetentes Expertenteam verantwortlich. Entsprechende Expertenrunden, bestehend aus Vertretern der Innungen und Kammern, Ausbildungsmeistern, Betriebsinhabern und Unternehmensvertretern aus Handwerk und Industrie, haben die konkreten Fragestellungen und MYSKILLSAnforderungen überprüft und angepasst. Und alle Vertreter haben hinterher bestätigt, dass der Fragenkatalog so für sie passt.

Wie kann man die MYSKILLS-Ergebnisbögen interpretieren?

Die korrekte Beantwortung aller Fragen des Feststellungsverfahrens ist relativ schwer. Wenn jemand mit einem Ergebnis von zwei Punkten in einem Handlungsfeld kommt, dann können Arbeitgeber diesen Kandidaten unter Anleitung schon in diesem Gebiet einsetzen. Bei drei Punkten in einzelnen Handlungsfeldern ist da jemand, der wirklich etwas kann und direkt eigenständig arbeiten kann. Für so jemanden ist der Weg zur Fachkraft nicht mehr weit. Vier Punkte kann eigentlich nur jemand mit den Fähigkeiten eines Spitzen-Facharbeiters erreichen. Das Gute ist aber auch, dass man durch das Ergebnis gleichzeitig immer sehen kann, in welchen Bereichen noch etwas fehlt, das nachgeschult und qualifiziert werden muss, damit das mal ein guter Facharbeiter wird.

Der MYSKILLS-Test ist schwer. Arbeitgeber sollten sich daher schon Teilnehmer mit einer geringeren Punktzahl sehr genau anschauen. Jemanden mit zwei Punkten kann man in diesem Bereich unter Anleitung schon einsetzen.

Was soll durch MYSKILLS verbessert werden?

Der Fachkräftemangel ist ein ernstes Problem. Das sehen wir allein daran, wie viele Fachkräfte in unserer Region gesucht werden. Die meisten Teilnehmer entsprechender Umschulungen werden direkt vermittelt. Und zwar nicht in Zeitarbeit, sondern sofort in die Festanstellung. „Leute, die etwas können, werden überall händeringend gesucht. Und MYSKILLS zeigt sehr genau, was Menschen in einem Beruf können, auch wenn sie dafür kein Zertifikat haben. MYSKILLS kann für Arbeitssuchende mit Berufserfahrung eine Abkürzung in den Arbeitsmarkt und in die Qualifikation sein. Wenn jemand z. B. die konventionelle Falztechnik schon kann, aber im Bereich des Lötens noch qualifiziert werden muss, dann fängt er in einem Bereich schon mal an zu arbeiten, und macht eine Fachqualifizierung im anderen Bereich. Das kann für viele Menschen mit mehrjähriger Berufserfahrung einfach ein kürzerer und passenderer Weg sein als die Gesellenausbildung.

„MYSKILLS ist ausdrücklich kein Test oder gar eine Prüfung. Vielmehr soll My Skills als Validierungsverfahren zur Lernstandsfeststellung beitragen und dadurch auch Lücken aufzeigen, die gezielt gemeinsam mit der Arge nachqualifiziert werden können.

Und welche Vorteile eröffnen sich für Arbeitgeber?

Für Arbeitgeber erhöht MYSKILLS die Wahrscheinlichkeit, dass ein Bewerber bereits anschlussfähige Fähigkeiten hat. Und Arbeitgeber sollten sich die Menschen mit ihren MYSKILLS-Ergebnissen wirklich genau anschauen. Denn das Verfahren ist praxisorientiert und hat tatsächlich Hand und Fuß.

In Zukunft können Arbeitgeber dafür gezielt bei ihrer Arbeitsagentur oder dem Jobcenter nachfragen, wenn Mitarbeiter in den verschiedenen Handlungsfeldern gesucht werden. Mein Tipp: Sprechen Sie Ihren regionalen Arge-Ansprechpartner auf dieses Feststellungsverfahren an! Man kann seine offenen Stellen auch direkt anhand der entsprechenden Handlungsfelder melden. Das kann den Suchaufwand auf beiden Seiten verringern und die Passgenauigkeit bei der Vermittlung deutlich erhöhen. Und nicht zuletzt können mit MYSKILLS fähige und kompetente Mitarbeiter/innen gefunden und eingestellt werden, die man ansonsten aufgrund der Sprachbarriere nie gefunden hätte.

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