Estlands größtes Holzgebäude als Modell für nachhaltiges Bauen in Europa
Das Holzbauprojekt Loodusmaja, zu Deutsch Naturhaus, entsteht in Tallinn und ist bislang das größte Holzgebäude Estlands. Das Gebäude beinhaltet den künftigen Sitz des Estnischen Naturkundemuseums sowie mehrere Umweltbehörden. Es vereint eine ökologische Bauweise mit funktionaler Verwaltungsarchitektur – ein öffentliches Pilotprojekt mit Vorbildcharakter für Europa. Die Fertigstellung ist für Sommer 2026 geplant, verantwortlich für den Bau ist die estnische Firma Nordecon.

Ein Holzbau für die Landesverwaltung
Das Ensemble besteht aus drei Gebäuden mit einer Gesamtfläche von 25.000 m² – vollständig in Holzbauweise geplant. Zum Einsatz kommen Brettsperrholz (CLT) und Brettschichtholz (GLT), gefertigt und montiert vom estnischen Unternehmen Arcwood. Für die Fassade und Dachkonstruktion liefert Estnor rund 8.000 m² vorgefertigte Elemente, inklusive bereits eingebauter Fenster. „Loodusmaja ist unser bislang größtes Projekt – sowohl hinsichtlich der Produktionskomplexität als auch der Logistik auf der Baustelle“, erklärt Peeter Peedomaa, CEO von Arcwood. Allein das fünfgeschossige Dokhouse, das Hauptgebäude, erhält ein 58 Meter langes und 16 Meter breites Atrium – komplett aus Holz.
Staat als Bauherr für Klimaneutralität
Der nahezu energieautarke Neubau Loodusmaja soll nicht nur moderne Arbeitsumgebungen für mehrere Umweltinstitutionen schaffen, sondern auch die laufenden Verwaltungskosten des Staates um jährlich 500.000 bis 700.000 Euro senken. Ein Beispiel dafür, wie Holzbau gezielt als Instrument einer klimafreundlichen Staatspolitik eingesetzt werden kann.
Loodusmaja speichert 3.900 Tonnen Kohlenstoff
Nach Angaben des estnischen Umweltministeriums speichert das Gebäude rund 3.900 Tonnen biogenen Kohlenstoff – mehr als doppelt so viel wie ein vergleichbarer Betonbau. Die in Estland verwendete Holzmenge wächst innerhalb weniger Tage im heimischen Wald nach. Gleichzeitig ist das Gebäude bis zu siebenmal leichter als ein massiver Steinbau – was Fundamentkosten und CO₂-Fußabdruck weiter reduziert.
„Holz allein macht noch kein nachhaltiges Gebäude“, warnt jedoch Architekt und Theoretiker Renee Puusepp. „Die Kombination mit anderen Materialien und ein zukunftsgerichtetes Gebäudekonzept sind entscheidend.“ Ziel sei ein flexibles, rückbaubares Bauwerk – ganz im Sinne des zirkulären Bauens.



Digitale Planung trifft industrielle Präzision
Die Planung erfolgt mit digitalen Zwillingen und BIM-gestützten Prozessen. Dank Vorfertigung kann das Gebäude innerhalb kürzester Zeit wetterfest montiert werden – ohne Gerüst und mit minimalem Abfall auf der Baustelle. Estnor übernimmt zusätzlich zur Fertigung auch die vollständige Montage. „Das Projekt zeigt, wie industrielle Holzbauweise in Kombination mit digitalen Tools neue Maßstäbe setzt – nicht nur in der Ästhetik, sondern auch in der Ressourceneffizienz“, erklärt Renee Mikomägi, CEO von Estnor.

Modell auch für Deutschland: Dekarbonisierung durch Holz und Sanierung
Während sich der EU Green Deal und die neue EU-Gebäuderichtlinie zunehmend auf die Dekarbonisierung des Gebäudebestands konzentrieren, liefert Estland mit Loodusmaja ein Beispiel dafür, wie ein öffentliches Bauprojekt diese Ziele praktisch umsetzen kann. Das Modell ist für Deutschland relevant, da rund 85 % der Gebäude bis 2045 klimaneutral umgebaut sein müssen. Loodusmaja ist mehr als ein musealer Verwaltungsbau – es ist ein Impulsgeber für klimaneutrales, zukunftsorientiertes Bauen.
Kurzprofil:
- Projekt: Loodusmaja (Estnisches Naturhaus)
- Ort: Tallinn, Estland (Quartier Noblessner)
- Fertigstellung: Sommer 2026
- Nutzfläche: ca. 25.000 m²
- Material: CLT, GLT (Peetri Puit / ARCWOOD), Fassaden von EstNor
- Nutzer: Estnisches Naturkundemuseum, Umweltministerium, Umweltagentur, IT-Zentrum
- CO₂-Speicherung: ca. 3.900 t biogener Kohlenstoff