Direkt zum Inhalt
Anzeige
Anzeige
Anzeige
haustec.de
Das Fachportal für die Gebäudetechnik
Ad placeholder
Anzeige
haustec.de
Das Fachportal für die Gebäudetechnik
Ad placeholder
Print this page

Mit 3D-Drucker Haus bauen: Learnings aus der Praxis

Claudia Siegele
Inhalt

So viel mediales Aufsehen für Einfamilienhäuschen ist selten – nicht nur die nordrhein-westfälische Bauministerin Ina Scharrenbach nahm sich Zeit, um das erste mit einem 3D-Drucker gebaute Wohnhaus Deutschlands in Augenschein zu nehmen, auch das ZDF heute-journal und viele andere Medien berichteten über das revolutionäre Haus bauen mit dem 3D-Drucker. 

Auf dieses erste Projekt in Beckum folgte kurz darauf im bayerischen Wallenhausen im November 2020 der zweite Streich – diesmal eine Nummer größer und energetisch auf den KfW-55-Standard getrimmt.

Insgesamt fünf Wohnungen auf drei Etagen formte der 3D-Betondrucker des Typs COBOD BOD2 unweit von Neu-Ulm Schicht für Schicht zu einem Gebäude mit 380 m² Wohn- und Nutzfläche. Anders als das futurisch anmutende Einfamilienhaus mit Flachdach und abgerundeten Ecken (Abb. 1) zeigt sich das Mehrfamilienhaus optisch eher klassisch mit Dachgauben, Fensterläden, vorgestellten Balkonen und bibergedecktem Steildach (Abb. 2). Nur eben mit Beton aus dem 3D-Drucker. Die zwei Pilotprojekte sind inzwischen fertiggestellt und bezogen bzw. vermietet. Eine Zukunftsvision für Deutschland? Oder nur ein kurzfristiger Trend?

Abb. 1: Das von Mense-Korte Ingenieure + Architekten geplante Einfamilienhaus in Beckum ist das erste Wohnhaus in Deutschland überhaupt, das in 3D-Drucktechnik entstand.

Mit 3D-Drucker Haus bauen: Direkte Software

Revolutionär ist die Bauweise mit dem Drucker in 3D in beiden Fällen für den Hausbau in Deutschland gleichermaßen: Die Dateien der in gängiger CAD-Software geplanten Häuser mündeten nicht in einen ausgeplotteten Werkplan, sondern wanderten direkt in den 3D-Drucker auf der Baustelle, der die Daten verarbeitet und den Druckkopf mit dem flüssigen Beton entsprechend den Maßangaben millimetergenau über drei Achsen steuert (Abb. 3). Dieser bewegt sich innerhalb eines fest installierten Metallrahmens, wodurch sich der Drucker in seinem Rahmen an jede Position innerhalb der Konstruktion bewegen kann und somit nur einmal kalibriert werden muss.

Abb. 2: Das dreigeschossige Mehrfamilienhaus in Weißendorn-Wallenhausen folgte auf das Haus in Beckum. Es erfüllt den KfW-55-Standard und war binnen kurzer Zeit fertiggestellt.

Wo beim klassischen Hausbau fünf und mehr Maurer auf dem Gerüst herumturnen, genügen für die Bedienung des Druckers zwei Personen. Statt Stein für Stein bauen heißt es nun Schicht für Schicht bauen. Eine Kamera überwacht den Druckkopf und die Druckergebnisse, die sich aus dem von HeidelbergCement speziell für den 3D-Druck entwickelten Beton „i.tech 3D“ formen. Das Material ist gut pumpbar und lässt sich perfekt extrudieren. Etwa einen Meter pro Sekunde legt der Drucker BOD2 aufs Parkett und ist damit der aktuell schnellste 3D-Betondrucker am Markt – für einen Quadratmeter doppelschalige Wand aus Beton benötigt er rund fünf Minuten.

Intelligenter Drucker

Bereits während des Druckvorgangs berücksichtigt der Drucker die zu verlegenden Leitungen und Anschlüsse zum Beispiel für Wasser und Strom. Der BOD2 ist so konzipiert, dass während des Druckvorgangs im Druckraum gearbeitet werden kann, um zum Beispiel Leerrohre und Leerdosen im Haus zu verlegen oder Kaminformsteine im Zuge des Baufortschritts zu versetzen. Das beschleunigt den Hausbau und die Arbeit auf der Baustelle enorm.

Die Außenwände bestehen aus insgesamt drei gedruckten Schalen, die mit Beton ausgegossen und mit Isoliermasse verfüllt werden. Lange Trocknungs- oder Wartezeiten sind kein Thema, zudem spart die Drucktechnologie Material. Somit hat der 3D-Druck das Zeug für eine nachhaltige und kostenbewusste Bauweise für Häuser.

Abb. 3: Für den Gebäudedruck mit dem Betondrucker COBOD BOD2 lieferte HeidelbergCement mit dem Druckmörtel i.tech 3D ein speziell eingestelltes Material.

Bauteilaktivierung mit Flächenheiz- und Kühlsystem

Die Klimadecke des zweigeschossigen Einfamilienhauses in Beckum besteht aus Betonfertigteil-Elementen mit statisch unterstützender Ortbetonergänzung (Abb. 4). Das integrierte Flächen-Heiz- und Kühlsystem aquatherm black system liegt oberflächennah zwischen den Gitterträgern unmittelbar auf der unteren Bewehrungslage der Elementdecken. So bleiben die Heiz-/Kühlregister nach dem Betonieren der Elementdecken vor Beschädigungen während des weiteren Baugeschehens geschützt. Im Betrieb gewährleistet das thermisch aktivierte und auf bis zu 26 °C erwärmte Deckenelement ein angenehmes, gleichmäßiges Klima im Haus ohne Konvektion und Zugluftgefühl.

Die Register geben die im Beton gespeicherte Energie als Wärmestrahlung in den Raum ab und erwärmen die sich darin befindlichen Objekte, also den Boden, die Wände, die Möbel. Durch die gleichmäßige Wärmestrahlung kann die Lufttemperatur um rund 3 °C auf etwa 20 °C abgesenkt werden, und man hat trotzdem das Gefühl, es wäre im Raum und im Haus wie bei einer herkömmlichen Konvektionsheizung 23 °C warm. Dies kommt nicht nur dem Wohlbefinden zugute, sondern spart auch noch rund 18 % Energie.

Abb. 4: Abgerundete Ecken sind neben den Mörtelwülsten das herstellungsbedingte und damit entlarvende Stilmittel der 3D-Betondrucktechnologie.

Ähnliche systemische Vorteile bietet die passive Kühlung: Anders als bei konventionellen Klimaanlagen, die die Wärme durch Ventilationsbetrieb mit Luftbewegung aus dem Raum entziehen, führen Klimadecken die Kühllast überwiegend mittels Strahlung aus dem Raum ab. Zugluft ist abgesehen vom hygienisch notwendigen Luftwechsel damit quasi ausgeschlossen bzw. wird auf ein Mindestmaß reduziert. Die Energie für das Haus aus dem 3D-Drucker liefert eine Split-Luft/Wasser-Wärmepumpe.

Abb. 5: Bei der Innenraumgestaltung in Beckum wechseln sich glatt abgefilzte Kalkputzoberflächen mit der Wellenstruktur der Betondrucktechnik ab.

Fazit: Eine Alternative für den Fertighausbau?

Steht nun der Baubranche mit der 3D-Betondrucktechnologie ein ähnlicher Umbruch ins Haus wie dies zuletzt bei der Digitalisierung der Fall war? Die beiden Projekte brachten jedenfalls wichtige Erfahrungen hervor und legten das Potenzial offen, das dieser Bauweise noch offensteht. Neben den Herausforderungen an die Technik gilt es dabei aber auch, gestalterische Aspekte für den Hausbau im Auge zu behalten – indes zeigt die Entwicklung der CAD-Planung hin zum BIM, was alles möglich sein kann. Auch die Fassadengestaltung durch den 3D-Drucker nimmt immer konkretere Züge an.

Man darf jedenfalls gespannt sein, inwieweit sich der Gebäudedruck als Alternative zum klassischen Fertighaus zu etablieren vermag. Und natürlich darf ein KfW-55-Standard noch lange nicht das Ende der Effizienz-Fahnenstange sein. Die Pioniere des 3D-Betondrucks sind jedenfalls heiß auf weitere Innovationen und drauf und dran, die nächsten Projekte anzugehen.

Bautafel: Daten

Betondruck: PERI GmbH, Rupp Gebäudedruck und HOUS3DRUCK

Betondrucker: BOD2 von Cobod International A/S

Planer: MENSE-KORTE ingenieure + architekten (EFH Beckum) und Mühlich, Fink & Partner BDA (MFH Wallenhausen)

Betontechnik: HeidelbergCement Group

Klimadecke: aquatherm GmbH (EFH Beckum)

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren:

Mehr zu diesem Thema
Anzeige
haustec.de
Das Fachportal für die Gebäudetechnik
Ad placeholder