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Schwachpunkte bei Fenstern und Türen: Hier greifen Einbrecher am liebsten an

Im PfB Rosenheim werden für die Fensterhersteller Prüfungen in allen Sicherheitsklassen bis zur höchsten Gruppe RC 6 durchgeführt.

GLASWELT: Herr Müller und Herr Mayer, Sie führen mit dem PfB Rosenheim ein Institut, welches als Kerngeschäft unter anderem die Prüfung und Zertifizierung von sicherheitsrelevanten Bauelementen anbietet. Können Sie kurz Ihre berufliche Herkunft und die Entwicklung des PfBs beschreiben?

Peter Mayer: In meinem Bachelor- und Masterstudium habe ich mich mit der Thematik mechatronischer Beschläge und deren Bewertung hinsichtlich der einbruchhemmenden Eigenschaft als auch mit Nachrüstprodukten und einem möglichen Weg zu einem europäisch einheitlichen Standard beschäftigt. Seit meinem Eintritt im PfB Rosenheim habe ich die verschiedenen Prüfbereiche durchlaufen und seit diesem Jahr die Leitung der Zertifizierungsstelle und die administrative Leitung übernommen. Mein Schwerpunkt lag hierbei immer auch unter anderem im sicherheitsrelevanten Bereich. Stets versuchen wir das PfB fortzuentwickeln und konnten soeben in der Zertifizierungsstelle die Anerkennung für die Zertifizierung einbruchhemmender Tore nach DIN/TS 18194 erlangen.

Rüdiger Müller: Seit 1971 arbeite ich im Bereich der Prüfung, Überwachung und Zertifizierung von Bauelementen. Im sicherheitsrelevanten Bereich lag auch immer ein Schwerpunkt meiner Tätigkeit. Die Beschläge und Systeme sind heutzutage meist ein Zusammenspiel aus Elektronik, Informationssystem und Mechanik. Es ist daher auch essentiell, dass sich das PfB stets fortentwickelt und sich mit diesen Komponenten fachspezifisch auseinandersetzt. Das PfB justiert stets nach und passt das Angebot auf die marktspezifischen Wünsche an.

Haben sich Bauelemente im Lauf der Jahre im sicherheitsrelevanten Bereich weiterentwickelt? Sind die Elemente sicherer geworden?

Müller: Wenn ich im Bereich der Sicherheit an Bauelemente die normative Entwicklung betrachte, so ist bereits aufgrund dieser Steigerungen der normativen Anforderungen eine hohe Weiterentwicklung von 1983 durch DIN 18103 bis zu 2011 durch die europäische Norm DIN EN 1627 ff im sicherheitsrelevanten Bereich zu erkennen. Das bedeutet, dass die Elemente in den letzten ca. 30 Jahren sehr sicher geworden sind. Gerade bei den unteren Klassen von RC 1 bis RC 3, bei denen dem Täterverhalten entsprechend der Verbraucher am häufigsten mit Einbruchsversuchen zu rechnen hat, ist eine

wesentliche konstruktive Verbesserung eingetreten.

Mayer: Der stetige Fortschritt in Konstruktion und auch das sich wandelnde Täterverhalten und die damit einhergehende Veränderung der Einbruchtaten, verlangt eine dauerhafte Optimierung der Bauelemente. Die digitale Anbindung von sicherheitsrelevanten Bauelementen in smarte Steuerungen eröffnet auch neue Angriffsmöglichkeiten. Diese sind zum einen am Bauelement direkt vorhanden, da die Elemente mit dem Einbau zusätzlicher Steuerungen neu konstruiert werden, und zum anderen zeigen die Ansteuerungen und digitalen Vernetzungen Schwachstellen auf. Dies erstreckt sich auf alle Widerstandsklassen.

Bis zu welcher Sicherheitsklasse können die Fensterhersteller bei Ihnen Prüfungen absolvieren?

Mayer: Im PfB werden für die Fensterhersteller Prüfungen in allen Sicherheitsklassen durchgeführt. Dies bedeutet, dass Prüfungen sowohl bei RC 1 bis zur höchsten Gruppe RC 6 durchgeführt werden. Dies erfordert einen hohen konstruktiven, aber auch nicht zuletzt einen kraftorientierten Aufwand unserer Prüfer!

Rüdiger Müller (r.), Institutsleiter des PfB Rosenheim, und Peter Mayer, Leiter der Zertifizierungsstelle und administrativer Leiter des PfB Rosenheim.

Wenn Sie auf Ihre Prüfabläufe blicken, wo liegen die Schwachstellen bei einem Fenster?

Müller: Die Schwachstellen an den Fenstern sind vor allem bei Befestigungen der Beschlagsteile sowie der Verglasung. Hier spielen die Werkstoffe eine wesentliche Rolle.

Und was sind die Knackpunkte bei einem Hebe-Schiebe- oder Parallel-Schiebe-Kipp-Element?

Müller :Knackpunkte bei der Einbruchhemmung sind bei einer Hebe-Schiebetür die niedrigen Schwellenhöhen, da man hier den Flügel relativ leicht darüberbringt, wenn die Hinterhakung des Mittelstoßes zu schwach dimensioniert ist. Daraus resultiert der zweite Schwachpunkt, die Hinterhakung am Mittelstoß. Diese ist in der Regel nicht ohne Metallprofile realisierbar.

Bei einer PSK sind die Verriegelungen in der Regel nicht das Problem, da ein umlaufender Verschluss möglich ist. Hier ist es aus unserer Erfahrung eher ein Schwachpunkt, dass bei vielen Verschlusspunkten eine sehr hohe Positionsgenauigkeit der Schließbleche notwendig ist, da durch die langen Getriebestrecken die hinteren Verschlüsse einen großen Schleppfehler aufweisen. Bei beiden Konstruktionen sind Holz-Alu-Elemente im Hinblick auf die Ausführung der Glasanbindung mit großer Sorgfalt zu fertigen, da bei der Einbruchhemmung ansonsten die Verglasung relativ einfach zur Angriffsseite gelöst werden kann. Auch hinsichtlich der Luftdurchlässigkeit und Windlast sind bei HA-Elementen die Außenschalen ausreichend zu befestigen, da bei Windsog die Verglasungen – wenn nicht geklebt – gerne die innere Anlagedichtung verlassen und zur Außenseite bewegt werden.

Und bei der Haustür? Wo greifen hier die Einbrecher am liebsten an?

Müller: Haustüren sind schon allein aufgrund der massiven Bauweise und der heute üblichen Mehrfachverriegelung schwer zu überwinden. Die Angriffspunkte für Einbrecher sind immer noch der Bereich an der Schließkante d. h. dem Hauptschloss und oder dem Mehrfachverriegelungsschloss sowie der Verglasung.

Mayer: Durch die Einbindung weiterer smarter Komponenten in die Türsysteme werden auch zusätzliche Antriebe und Steuerungen in diesen Bereichen mit verbaut. Hierdurch ergibt sich eine geänderte Situation im Türblatt und Zargenbereich, welche überprüft werden sollte. Dies kann auch durch eine Beurteilung von erfahrenen Prüfern ohne eine erneute Prüfung des vollständigen Türelementes erfolgen.

Kann man einem Fenster-Werkstoff einen material-immanenten Vorzug für sichere Elemente ausweisen?

Müller – Generell kann man dies durchaus feststellen. So ist der Werkstoff Kunststoff aufgrund seiner Zähigkeit und Elastizität schwieriger durch Hebelwerkzeuge zu überwinden. Der Werkstoff Holz hat die Problematik des Splitterns und Aufreißens, was bei Angriffen in den höheren Klassen durch Kombinationen mit Laminatwerkstoffen oder dem Delignit Panzerholz oder Mehrschicht Werkstoffe verbessert wird. Bei gleicher Verriegelung, Beschlagseinsatz, Verschraubung und allen weiteren Komponenten ist die Aussage – die Holzleute mögen mir das verzeihen – berechtigt, dass hier der Werkstoff Kunststoff vorteilhafter ist.

Ein wichtiges sicherheitsrelevantes Bauteil für ein Fenster ist der Beschlag. Was machen Fensterbauer im Zusammenhang mit der Beschlagsverwendung für RC-Fenster immer mal wieder falsch?

Müller: Richtig ist, dass gerade bei den einbruchhemmenden Bauelementen, insbesondere dem Fenster, der Beschlag eine dominierende Rolle über bestanden oder nicht bestanden bei den Prüfungen darstellt. Bei der Beschlagsverwendung ist es wichtig, dass sich der Fensterbauer erkundigt, aus welchen Materialien die Verriegelungselemente hergestellt sind. Gerade in dem RC Bereich ab RC 3 und auf alle Fälle ab RC 4 kann mit Druckgussbeschlägen normalerweise kein Erfolg erzielt werden. Hier müssen Frästeile aus VA Stählen eingesetzt werden.

 Es gibt Beschlagsentwicklungen, die eine Kippstellung der Fenster in Zusammenhang mit einer RC2-Widerstandsklasse möglich machen. Wie beurteilen Sie solche Features?

Müller: Ich beurteile Kippfenster in zweierlei Hinsicht kritisch. Zum einen ist es die ungünstigste Art, um für Lüftung zu sorgen und zum anderen ist ein hoher Aufwand notwendig um zu verhindern, dass man ein gekipptes Fenster nicht überwinden kann.

Wohnungsabschlusstüren sind bei MFH das vorrangige Ziel von Einbrechern. Wie lässt sich dieses Element besonders sicher ausstatten?

Müller: Es ist richtig, dass Wohnungsabschlusstüren ein vorrangiges Ziel des Einbruchschutzes sind. Wohnungsabschlusstüren werden auch im Gegensatz zu Haustüren vermehrt von ungebetenen Gästen angegriffen. Der Kunde sollte sich fragen, welches Täterverhalten in seinem Umkreis vorliegt und welche Wohnungsabschlusstüren in welcher Widerstandsklasse er zu wählen hat. Hier empfehle ich, sich an die poliz. Beratungsstellen zu ­wenden oder in den Herstellerverzeichnissen der KPK nachzusehen, inwieweit Hersteller mit zert. Wohnungsabschlusstüren den Nachweis erbracht haben.

 Das PfB Rosenheim entwickelt sich stets fort. Welche Entwicklungen sind für die zweite Jahreshälfte 2020 geplant?

Müller: Nach dem Motto „wer rastet der rostet“ kenne ich so gut wie keinen Stillstand. Dies beweist schon allein die Tatsache, dass wir neben der Erhöhung auf stattliche 20 000 m2 Grundfläche mit drei Hallen und weiteren hoch qualifizierten Spezialisten und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vom Beginn des Prüfmobils und dem Hinterhaus an, die Zukunft sehr positiv sehen werden. So planen wir nicht zuletzt aufgrund des soeben durchgeführten Bezuges der 3. Prüfhalle weitere interessante Neuerungen! Hierzu freuen wir uns, diese Informationen den Lesern in der Oktoberausgabe zukommen lassen zu können.

Die Fragen stellte GLASWELT-Chefredakteur Daniel Mund. Dieser Beitrag ist zuerst erschienen in GLASWELT 9/2020. 

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