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Rohstoffknappheit: Marktsituation und Hintergründe in der Isolierglasbranche

Wie sieht die Preisentwicklung bei den Dicht- und Klebstoffen für die Herstellung von Isoliergläsern aus? Diese Frage beschäftigt neben der Verfügbarkeit solcher Produkte aufgrund einer weltweiten Rohstoffknappheit die Verarbeiter und Isolierglas-Hersteller.  Dazu ein Interview unserer Schwesterzeitschrift GLASWELT mit Dr. Randolf Karrer, Geschäftsführer Technik bei Anbieter IGK.

GLASWELT:  Lieferengpässe und Preissteigerungen bedrücken viele Glasverarbeiter und ISO-Hersteller. Woher kommt diese Knappheit?

Dr. Randolf Karrer:  Das hat mehrere Gründe. Erstens haben mehrere Firmen – darunter BASF und Evonik quasi gleichzeitig Force Majeur für Ihre Weichmacherproduktion angemeldet. Gleichzeitig haben viele andere Produktionsstätten weltweit Lieferengpässe bei Vorprodukten gehabt, so dass eine extreme Unterversorgung des Marktes die Folge war. Außerdem boomt die Bauwirtschaft in Europa seit einigen Jahren, so dass grundsätzlich ein hoher Bedarf an Rohstoffen bestanden hat. Zu allem Überfluss kam dann noch die weltweite Pandemie hinzu, so dass bestimmte Industriezweige nach dem „Herunterfahren“ gar nicht so schnell auf die hohe Nachfrage reagieren konnten.

Und wie beeinflussen hier China und Texas (d. h. die USA) diese Situation?

Man konnte ja überall nachlesen, dass die chinesische Industrie die erste war, die sich nach der Pandemie sehr früh und sehr schnell erholt hat und aktuell mit einer eigenen Steigerung der Wirtschaftsleistung mit ca. 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu Buche steht. Das heißt China – als weltgrößte Handelsmacht – hat damit einen sehr großen Binnenmarkt mit hoher Nachfrage. Im gleichen Atemzug haben sich die Frachtraten aus China heraus im Vergleich zum Jahresbeginn verdoppelt.

Davon völlig unabhängig hat der Wintereinbruch quasi die gesamte texanische Chemieindustrie, die der dortigen Erdölchemie nachgeschaltet ist, lahmgelegt. Für unser europäisches Verständnis hat es sehr lange gedauert bis diese Schäden behoben waren und seit dieser Zeit hechelt man der boomenden Konjunktur hinterher. Leider war und ist hier auch ein essentieller Rohstofflieferant für Polyurethandichtstoffe für Isolierglasindustrie massiv betroffen. Diese Auswirkungen werden meiner Einschätzung nach noch mindestens bis zum Herbst andauern, wenn nicht gar bis in den Winter.

Sehen Sie weitere Krisenursachen?

Ja, die im Rahmen der Globalisierung realisierte Konzentration auf wenige Großproduzenten – insbesondere in der Chemie – hat dazu geführt, dass wir z.B. für die benötigten Polymere in der Regel nur wenige-in Einzelfällen sogar nur zwei weltweit aktive Produzenten haben. Hat einer von beiden ein technisches Problem oder eine Wartung anberaumt, kann der andere den gesamten Bedarf nicht vollständig decken. Konkurriert unsere Branche darüber hinaus noch mit einem anderen Marktsegment, in dem höhere Preise für den gleichen Rohstoff gezahlt werden, brauchen wir nicht lange zu überlegen wer als Verlierer den Platz verlässt. Ich denke, dass wir hier in Kürze noch die eine oder andere Überraschung erleben werden.

Wie ist IGK heute aufgestellt, sind Sie mittel- und langfristig lieferfähig?

Natürlich sind auch wir von dieser weltweiten Rohstoffknappheit betroffen. Positiv wirkt sich unsere Einkaufs– und Formulierungsstrategie aus: Wir haben für fast jeden benötigten Rohstoff mindestens zwei Lieferanten, in Einzelfällen sogar bis zu fünf Lieferanten und konnten deshalb bis zum heutigen Zeitpunkt alle unsere Kunden unterbrechungsfrei versorgen, so dass in allen Fällen die Produktion bei unseren Kunden weitergeführt werden konnte.

Müssen Sie heute ihre Lieferungen an die Verarbeiter kontingentieren?

Ja, das mussten wir. Unsere Kunden konnten wir so bis heute kontinuierlich versorgen, wenngleich wir uns seit Ende Mai mit Teillieferungen behelfen mussten.

In welchen Segmenten rechnen mit (weiteren) Preissteigerungen?

Was die chemischen Rohstoffe angeht scheint der Peak immer noch nicht erreicht- gerade jetzt im Juni - sind die Weichmacherpreise erneut gestiegen und vereinzelte Lieferanten versuchen daraus nun – wahrsten Sinne des Wortes „Kapital zu schlagen“. Ob die Peaks bei den Glas- und Stahlpreisen erreicht sind, wird sich in naher Zukunft zeigen …

Wo sind für IGK Preiserhöhungen der Dichtstoffe unumgänglich?

Betroffen sind alle Dichtstofftypen, allen voran Silikon, wo massivste Knappheit herrscht. An 2. Stelle möchte Polyurethan anführen, gefolgt von Polysulfid und Heißschmelzklebstoffen. Fakt ist, dass für alle Dichtstoffe, die in Stahlfässern geliefert werden, signifikante Preissteigerungen eingetreten sind. Stahlfässer z. B. sind seit Jahresbeginn um ca. 60 % (!) ­teurer geworden. Sie werden verstehen, dass wir gezwungen waren diese Preissteigerungen in Anlehnung an die jeweilige Verteuerung der Rohstoffe und der Verpackung an den Markt weiter zu geben.

Können sich Verarbeiter durch ­eine Optimierung ihrer Betriebsabläufe besser vor solchen Marktschwankungen schützen?

Ehrlich gesagt sehe ich bei einer solchen weltweiten Rohstoffkrise wenig bis keine Möglichkeiten sich davor zu schützen. Unseren Marktbegleitern scheint es ja ähnlich zu gehen. Dabei erscheint eine Umstellung des Sekundärdichtstoffs von z. B. Polyurethan auf Polysulfid auch keine Option zu sein, da Polysulfid-Polymer und die entsprechenden Weichmacher, auch nicht in ausreichender Menge am Markt verfügbar sind. Einige unserer Kunden haben prall gefüllte Auftragsbücher und denken aus Mangel an Rohstoffen sogar über Kurzarbeit nach, eine in meiner Berufslaufbahn nie dagewesene Situation.

Was denken Sie, hat die aktuelle Lage für langfristige Auswirkungen?

Das Preisniveau der Rohstoffe für Isolierglas wird sich zunächst – meiner Einschätzung zufolge – auf hohem Niveau einpendeln. Da diese Preisentwicklung aber nicht nur für ­unsere Branche gilt, werden die Auswirkungen auf die Bauindustrie nicht ausbleiben.

Schon heute sind die Neubaukosten für Ein- und Mehrfamilienhäuser massiv gestiegen, so dass angehende Bauherrn es sich mindestens zwei mal überlegen werden, ob jetzt der richtige Zeitpunkt für eine solche Investition gekommen ist. Sollte im Zuge solcher Überlegungen die Investitionsbereitschaft fallen, sehen einige Wirtschaftsexperten schon das Inflationsgespenst am ­Horizont.

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