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Macht das Heizen mit Wasserstoff Sinn? Meinungen aus der Branche

Joachim Berner
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Klar ist: Deutschland will bis 2045 klimaneutral werden. Weniger eindeutig ist der Weg dorthin. Ob Wasserstoff-Heizungen beispielsweise zur Einsparung des Co2 beitragen oder eher Wärmepumpen, darüber diskutiert die Heizungsindustrie. Für Bosch Thermotechnik steht fest: Während Wärmepumpen große Potenziale für den Neubau bieten, treiben wasserstoffbasierte Energieträger die Energiewende in der Modernisierung voran. H₂-ready-Heizkessel könnten zunächst mit herkömmlichem Gas oder einer Wasserstoffbeimischung von bis zu 20 Prozent heizen (Brennstoffzellenheizungen). Ist genügend grüner Wasserstoff für den Gebäudebereich verfügbar, könnten die Heizungs-Kessel mit wenig Aufwand auf das grüne Gas umgestellt werden.

Prototyp: Bosch Thermotechnik hat vor zwei Jahren an seinem britischen Unter­nehmensstandort in Worcester ­einen H2-Kessel vorgestellt, der zunächst mit Erdgas betrieben werden kann, aber auch auf den Betrieb mit Wasserstoff umgestellt werden kann.

Deshalb fordert der Heizungskonzern, dass die nationalen Wasserstoffstrategien den Gebäudesektor als wichtiges Anwendungsfeld für Wasserstoff adressieren. „Kunden müssen zeitnah H₂-ready-Kessel erwerben können, damit die Umstellung auf Wasserstoff in naher Zukunft realisierbar ist“, heißt es in einem Unternehmenspapier. Für den Heizungskonzern bieten Wasserstoffheizungen eine kostengünstige Defossilisierungs-Option in alten Gebäuden, da sie nur unwesentlich teurer seien als herkömmliche Erdgaskessel. Eine Komplettsanierung mit Wärmepumpe dagegen würde unverhältnismäßig hohe Investitionskosten erfordern, beispielsweise für Dämmung und Fußbodenheizung, die nur wenige Immobilienbesitzer aufbringen könnten.

„Nicht in jedes Haus passt eine Wärmepumpe“

Ähnlich äußert sich Vaillant-Sprecher Jens Wichtermann: „Im Gebäudebestand gibt es bauliche Situationen, in denen der Einsatz von Wärmepumpen technisch oder wirtschaftlich nicht realisierbar ist. Dazu gehören zum Beispiel unsanierte Mehrfamilienhäuser mit hohen Temperaturen im Heizsystem oder Immobilien in eng bebauten Lagen.“ Für diese Fälle würden sich grüne Gas-Technologien als emissionsfreie Lösung anbieten. Er verweist darauf, dass sich durch Wasserstoffbeimischungen in das bestehende Erdgasnetz bereits heute Kohlendioxidemissionen auch ohne Austausch der Heizgeräte senken lassen. Um den Gebäudesektor möglichst rasch dekarbonisieren zu können, sollten seiner Ansicht nach alle technisch verfügbaren Optionen genutzt werden.nien

Auch für Viessmann-Sprecher Wolfgang Rogatty sind die Klimaschutzziele im Gebäudesektor mit der ausschließlichen Nutzung von erneuerbarem Strom nicht zu erreichen. Dafür sei der Gebäudebestand in Deutschland zu heterogen. „Rund 85 Prozent der Gebäude sind nicht oder lediglich teilweise saniert und nur zum Teil für strombasierte Lösungen geeignet“, sagt er. Zudem werde die Elektrifizierung des Wärmemarktes in der Praxis an Grenzen stoßen, zum Beispiel wegen der großen saisonalen Schwankungen des Wärmebedarfs. „Die Bedarfsspitzen für Wärme liegen in den Wintermonaten um bis zu 300 Prozent höher als im Sommer. In diesen Monaten ist andererseits die regenerative Stromerzeugung in Deutschland am geringsten.“ Den für die Wintermonate benötigten elektrischen Strom in den übrigen Jahreszeiten zu erzeugen und für die spätere Nutzung zu speichern, sei mit den heute verfügbaren Technologien praktisch nicht möglich.

„Wasserstoff verheizen ist wenig effizient“

Jegliches Potenzial für die Zukunft spricht dagegen Stiebel Eltron-Sprecher Henning Schulz den Wasserstoffheizungen ab. Er hält den Einsatz von grünem Wasserstoff im häuslichen Wärmemarkt für nicht sinnvoll, solange nicht erneuerbar erzeugter Strom im Überfluss vorhanden ist. Zugleich verweist er auf die höhere Effizienz von Wärmepumpen gegenüber H₂-Kesseln: „Es braucht etwa fünf Mal so viel Strom, um den Wasserstoff erst zu produzieren und dann wieder in Wärme umzuwandeln, als wenn man die gleiche Menge Wärme mit einer Wärmepumpe erzeugt.“

Zudem gibt er zu bedenken, dass andere Branchen stärker auf grünen Wasserstoff angewiesen sind, beispielsweise der Mobilitätssektor für den Flug-, Schiffs- und Schwerlastverkehr, Industrieunternehmen für Hochtemperaturanwendungen und Chemiefabriken für die stoffliche Weiterverarbeitung. Ein Aspekt, den der Leiter des Freiburger Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme, Professor Hans-Martin Henning, Ende vergangenen Jahres bei einer Wärmepumpen-Tagung hervorhob. Wasserstoff zum Heizen werde bis 2030 keine Rolle spielen, weil die Produktion bis dahin nicht so stark wachsen könne, wie von anderen Branchen nachgefragt.

Kritisch bewertet Daikin-Politikbeauftragter Volker Weinmann deshalb den Verkauf von Gaskesseln als H₂-ready-Technik: „Jeder jetzt installierte fossile Heizkessel ist aufgrund seiner Lebensdauer für mindestens die nächsten zehn bis 15 Jahre ein Verlust für die Energiewende.“ Die Debatte um Wasserstoff zur Gebäudeheizung verzögert seiner Meinung nach die Klimaneutralität. Aktuell würden scheinbar nachhaltige Lösungen diskutiert, die längst noch nicht marktreif seien. Als Beispiel führt er die Debatte um den Import von grünem Wasserstoff an: „Hier wird eine teure Lösung diskutiert, von der nicht bekannt ist, wann sie verfügbar ist und welche internationalen Abhängigkeiten entstehen.“

Erste Projekte mit Wasserstoffkesseln gestartet

Tatsächlich bleiben einige offene Fragen:

  • Was wird der grüne Wasserstoff die Endkunden tatsächlich kosten? Denn in die Wirtschaftlichkeitsrechnung fließt ja nicht nur die Investition für den Kessel ein, sondern auch die Brennstoffkosten.
  • Wann wird grüner Wasserstoff überhaupt für Gaskesselbesitzer verfügbar sein? Erste Projekte mit einer Beimischung von zehn Prozent Wasserstoff in das Gasnetz haben erst begonnen.
  • Und reicht eine Beimischung von zehn bis zwanzig Prozent aus, um die Klimaziele zu erreichen? Für hundert Prozent Wasserstoff braucht es aber eine neue Versorgungsstruktur. Denn Wasserstoff lässt sich als sogenanntes Zusatzgas nur begrenzt in das Erdgasnetz speisen, da es in seinen physikalischen und chemischen Eigenschaften von herkömmlichem Erdgas abweicht.
  • Wann werden die Hersteller die ersten reinen Wasserstoffkessel kommerziell anbieten können? Bislang haben sie Prototypen vorgestellt. Erste Feldeinsätze laufen. In den Niederlanden hat die Bosch Thermotechnik-Marke Nefit Bosch beispielsweise 14 H₂-ready-Boiler in unbewohnten Häusern eingebaut, die im Rahmen eines Projektes des niederländischen Netzbetreibers Stedin testweise mit Wasserstoff betrieben werden, um eine gänzliche Umstellung auf Wasserstoff zu simulieren. Viessmann plant den ersten Einsatz seiner Entwicklungsgeräte für das kommende Jahr bei dem geförderten Projekt Smart Quart in Kaisersesch bei Koblenz.

Schließlich stellt sich die Frage, ob die Bemühungen ausreichen, die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat zu Beginn des Jahres deutlich gemacht, dass er die baulichen Anforderungen im Gebäudeenergiegesetz auf einen deutlich reduzierten Energiebedarf ausrichten wird. Auf diese Weise will er die Vereinbarung im Koalitionsvertrag umsetzen, damit ab 2025 jede neu eingebaute Heizung auf der Basis von mindestens 65 Prozent erneuerbarer Energien betrieben wird. Mit einer zehn- oder zwanzigprozentigen Wasserstoffbeimischung ist das kaum zu schaffen.

Wasserstoff brennt anders

Die großen Heizungskonzerne Bosch Thermotechnik, Vaillant und Viessmann arbeiten an der Entwicklung reiner Wasserstoffkessel. Keine einfache Aufgabe, denn das Verfahren der Wasserstoffverbrennung ist laut Bosch Thermotechnik deutlich komplexer als das der Gasverbrennung. So verfügt Wasserstoff mit 33,3 kWh/kg über eine höhere Energiedichte als Erdgas mit 13,9 kWh/kg. Die auf das Volumen bezogene Energiedichte bei gasförmigem Wasserstoff beträgt unter normalem Druck und bei normalen Temperaturen mit etwa 3 kWh/m³ nur knapp ein Drittel gegenüber Erdgas (9,97 kWh/m³). Außerdem erzielt Wasserstoff eine etwa acht Mal höhere maximale Flammengeschwindigkeit als Methan.

„Hierdurch rücken erhöhte Sicherheitsanforderungen aufgrund des großen Zündbereichs von Wasserstoff in den Fokus“, beschreibt Bosch-Marke Buderus eine der Herausforderungen der Entwicklungsarbeiten. Bereits eine erhöhte Wasserstoffbeimischung auf bis zu 20% führe darüber hinaus zu einer Veränderung des Brennverhaltens, ebenso zu einem damit einhergehenden leichten Leistungsrückgang. Viessmann informiert, dass die gegenüber Erdgas deutlich abweichenden Verbrennungseigenschaften des Wasserstoffs insbesondere eine Neuentwicklung des Verbrennungs-, Flammenüberwachungs- und Regelsystems sowie eine Anpassung der Brennerkomponenten erfordern.

Dieser Artikel von Joachim Berner erschien zuerst in GEB-Ausgabe 04/2022. 

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