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So funktioniert eine Temperaturspreizung

Elmar Held
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Ein sehr eingängiges Beispiel für eine Temperaturspreizung ergibt sich aus der Tatsache, dass man einen Raum mit einem Heizkörper im Winter erwärmen kann. Dieses Beispiel kann man anschließend auch auf das Kühlen eines Raumes übertragen. Aber um den Vorgang übersichtlich darzustellen, soll die Erwärmung eines Raumes durch die Heizung beschrieben werden.

Dazu werden üblicherweise Rohre an den Heizkörper geführt. Das eine Rohr transportiert heißes Wasser zum Heizkörper hin, und das andere transportiert exakt die gleiche Wassermasse wieder zurück zum Wärmeerzeuger.

Eine relativ dünne 15er-Leitung zu einem Heizkörper dieser Größe lässt auf eine ursprünglich hohe Auslegung der Vorlauftemperatur bei der Heizung schließen. Warum, lesen Sie in diesem Bericht.

Im Heizkörper verändert sich die Temperatur des Wassers. Zweck dieser Aktion ist die Erwärmung des Raumes oder zumindest die Aufrechterhaltung einer Wunschtemperatur im Raum von vielleicht 20 °C durch die Heizung.

Der erste Gedankengang zur Temperatur des einströmenden Wassers ist ziemlich simpel: Beim Eintritt des Wassers in den Heizkörper kühlt sich dieses planmäßig ab, denn die Wärme wird ja an den Raum übergeben. Zum „Schluss“ verlässt dieses abgekühlte Wasser den Heizkörper und strömt zurück zum Wärmeerzeuger.

Wir nehmen diesen recht überschaubaren Vorgang ausei­nander und betrachten ihn mit verschiedenen Brillen.

Massenstrom: Hohe Temperaturspreizung

Ohne eine Formel als Beweis für meine These bemühen zu wollen, kann ich mir vorstellen, dass ich das Wasser sehr langsam durch diesen Heizkörper fließen lasse. Es strömt mit 70 °C rein und pullert fast unmerklich langsam durch den Blechkasten.

Weil es derart langsam bewegt wird, kühlt sich das Wasser sehr stark ab. Die hier besprochene Temperaturspreizung ist, ohne jetzt Zahlen zu nennen, sehr groß.

Es würde für diesen Vorgang des Wasserpullerns (gibt’s ­eigentlich nicht als Fachwort) ausreichen, eine sehr ­dünne Vor- und Rücklaufleitung zu bauen, denn ein geringer Massenstrom erfordert nur einen kleinen Rohrquerschnitt. ­Dadurch wäre auch die notwendige Pumpenleistung für diese Umwälzung sehr gering.

Fazit meines ersten Gedankenexperiments: Im Geiste jubelt mir die SHK-Welt zu: Elmar, du hast „das beste Heizungsrohrnetz ever“ gebaut. Oder?

Die Dimensionierung von Rohrleitungen zur Versorgung von Wärmetauschern wie Heizkörpern oder Trinkwasser­erwärmern erfordert das Wissen über die gewählte Spreizung.

Rücklauftemperatur im Wärmetauscher

Dem Heizkörper habe ich 70 °C heißes Wasser angeboten. Es lief sehr langsam Richtung Ausgang und kühlte sich daher stark ab. Aus dem Potenzial von 70 °C habe ich durch die starke Abkühlung fast nix gemacht. Das Wasser strömt mit einer Rücklauftemperatur, die knapp über der Raumtemperatur liegen dürfte, wieder zurück in Richtung Wärmeerzeuger. Für den Heizkörper bedeutet diese Fahrweise natürlich, dass dieser sehr stark begonnen hat, aber dann enorm nachließ. In der Mitte des Heizkörpers, also auf halber Strecke, war die lahme Plörre schon fast kalt.

Im Geiste bereitet die SHK-Welt meine Steinigung vor, weil ich die Bude nicht warm kriege mit meiner „schlechtesten Heizkörperversorgung ever“. Oder?

Erste Korrekturen und Kompromisse

Ich merke deutlich, dass ich mir ernsthafte Gedanken ­machen muss über die Temperaturspreizung im System. Bei ­einer großen Spreizung kann ich ein sehr schlankes Rohrnetz aufbauen. Dafür humpelt der Heizkörper nur durch die Gegend. Beschleunige ich hingegen das Wasser durch diesen Heizkörper, wird er wohl insgesamt wärmer und damit auch leistungsstärker, aber dafür brauche ich auch ein dickeres Rohrnetz mit kräftigerer Pumpe.

Insgesamt möchte ich daher meine Ziele etwas genauer ins Auge fassen.

Ich möchte 1000 Watt (W) an einen Raum mit 20 °C Innentemperatur liefern und frage bei einem Heizkörperhersteller nach, unter welchen Bedingungen sein Heizkörper die 1000 W wohl bringen würde, wenn ich mit 70 °C starte.

Auf Zuruf nennt man mir einen Heizkörper der bei 15 Kelvin Spreizung diese Leistung bringt.

Das Wasser muss also mit 55 °C wieder aus dem Heizkörper austreten.

Erstmalig packe ich mir die berühmte Formel Kuhistgleich­emmalcemaldeltatheta aus:

Ich stelle die Formel um zur Berechnung des Massenstroms:

Es sollten also 57,3 kg/h als Massenstrom durch diesen Heizkörper fließen. Daher muss auch das Rohrsystem zu diesem Heizkörper für diesen Massenstrom geeignet sein.

Das bedeutet, dass die Rohrleitung noch keine störenden Fließgeräusche entwickeln sollte. Diese sollte natürlich auch wirtschaftlich verlegbar sein, in Bezug auf den Rohrdurchmesser und die notwendige Dämmung.

Schon wieder möchte ich mich mit diesen genialen Gedanken und raffinierten Schlüssen feiern lassen. Doch dann kommt einer von den klugscheißenden Kollegen und erklärt mir, dass ein neuzeitlicher Wärmeerzeuger wie etwa eine Wärmepumpe wohl kaum 70 °C bereitstellt, jedenfalls nicht sonderlich wirtschaftlich. Er faselt etwas von 45 °C als Vorlauftemperatur und ruiniert mir meinen triumphalen Einzug in die Hall of Fame der SHK-Asse.

Mit Blick auf die Vorlauftemperatur

Nochmals rufe ich beim Heizkörperhersteller an und der nennt mir einen Heizkörper, der auch bei nur 45 °C im ­Vorlauf noch 1000 W bringt. Allerdings ist man sich bei dem Hersteller wohl nicht einig über die dann notwendige Spreizung. Jedenfalls gibt man mir die Auskunft, dass der Rücklauf mit 40 °C anzunehmen sei.

Eben noch 15 K bei 70 °C im Vorlauf, jetzt plötzlich 5 K ­Spreizung! Was soll das?

Die Begründung für diesen neuen Entwurf ist jedoch einleuchtend.

Startet man bei einer Heizung mit einer hohen Vorlauftemperatur, so kann man sich eine üppige Spreizung leisten.

Im Beispiel führten 70 °C gepaart mit 55 °C zu einer mittleren Heizkörpertemperatur von 62,5 °C (denn (70 + 55) /­2 = 62,5).

Würde man diese große Spreizung von 15 K auch bei sehr kühlen Startbedingungen wählen, wäre der Heizkörper schon sehr ärmlich unterwegs. Aber schauen Sie selbst: 45 °C im Vorlauf gepaart mit 30 °C im Rücklauf würden gerade mal 37,5 °C in der Mitte des Heizkörpers ergeben (45 + 30) / 2 = 37,5).

Leistet man sich bei schlechten Startbedingungen aber eine nur geringe Spreizung, kracht die mittlere Temperatur des Heizkörpers nicht ganz so weit zusammen. Ich nehme gedanklich die vom Hersteller empfohlenen 5 Kelvin Spreizung an und lande bei einer mittleren Temperatur von immerhin noch 42,5 °C (denn (45 + 40) / 2 = 42,5).

Mein Massenstrom hat sich durch diesen notwendigen, weil leistungserhaltenden Kunstgriff erheblich verändert. Man könnte jetzt schon ahnen, dass bei einem Drittel der ursprünglichen Spreizung von eben noch 15 K nun, bei nur noch 5 K Spreizung der dreifache Massenstrom notwendig sein wird. Die Nachrechnung bestätigt diese Annahme:

Drei wichtige Faktoren

Zur Auslegung haustechnischer Komponenten, bei denen es um Erwärmung geht, sollte man immer durch drei Brillen gucken.

Massenstrombrille

Mit großem Massenstrom durch einen Heizkörper oder auch durch einen Wärmetauscher zur ­Warmwasserbereitung kann ich grundsätzlich auch große Leistungen erzielen. Große Massenströme bedingen aber auch immer große ­Leitungsquerschnitte. Die kosten dann inklusive der notwendigen Dämmung auch großes Geld.

Die Tabellen zur Auslegung von Heizkörpern sehen bei hohen Vorlauftemperaturen eine größere Spreizung vor als bei niedrigen.

Wärmetauscherbrille

Große Spreizungen bei einer Heizung kann ich mir nicht überall leisten. Die würden zwar ein günstiges Transportnetz aus Rohren ermöglichen, wirken sich aber auf die eigentlichen Wärmetauscher fatal aus. Heizkörper müssten riesig groß werden, um noch die entsprechende Leistung zu bringen. Ebenso müssten Wärmetauscher zur Warmwasserbereitung enorm viel Fläche bieten, um trotz großer Spreizung eine ausreichende Leistung zu erzielen.

Vorlauftemperaturbrille

Wenn ich mit hoher Temperatur bei der Erwärmung starte, kann ich mir durchaus große Spreizungen leisten. Als Beispiel kann ein Heizkörper mit 70 °C im Vorlauf meistens auch mit einer großen Spreizung von 15 K betrieben werden.

Starte ich schon mit niedriger Temperatur, weil ich eine Wärmepumpe zur Beheizung einsetze, so wirkt eine große Spreizung als zusätzliche Leistungsbremse. Beispielsweise wird ein Heizkörper, der ohnehin schon mit schlechten Startbedingungen von nur 45 °C ins Rennen geht, keine ­große Spreizung mehr vertragen. Gleiches gilt für einen Wärmetauscher zur Warmwasserbereitung. Damit die Tauscherfläche einer solchen Komponente nicht zu groß werden muss, sollte die Spreizung entsprechend gering bleiben.

Eine Heizung ist genauso wie die Trinkwassererwärmung als Gesamtkunstwerk zu betrachten. Das erkennen eben nur Profis, eben nur Anlagenmechaniker/innen.

Fazit der Brillenstudie

Es gibt sie nicht, die ultimative Spreizung für Heizkörper oder Wärmetauscher. Vielmehr wird immer ein Optimum angestrebt, bei dem die betrachteten Zusammenhänge ein ­Gesamtkunstwerk ergeben. Kosten zur Erstellung der ­Anlage müssen in Relation zu den danach anfallenden Betriebskosten gesehen werden. Die belasten dann für einen Zeitraum von mindestens 30 Jahren das Budget des Betreibers. Neben diesen Betrachtungen gilt es auch noch die Energie und ­andere eingesetzte Ressourcen möglichst schonend einzusetzen. 

Unser Job wird durch solche Zusammenhänge nicht einfacher, aber bleibt interessant. Beachten Sie diese Zusammenhänge übrigens ganz intensiv bei der Umrüstung von ­Heizungsanlagen von fossilen Energieträgern auf Wärmepumpe. Die Fossilen konnten hohe Vorlauftemperaturen, die Wärmepumpen eher nicht. Aber das wissen ja schon …

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