Direkt zum Inhalt
Anzeige
Anzeige
Anzeige
haustec.de
Das Fachportal für die Gebäudetechnik
Ad placeholder
Anzeige
haustec.de
Das Fachportal für die Gebäudetechnik
Ad placeholder
Print this page

Wie eine neue Heizung sofort die Kosten senkt

Jochen Vorländer

Plötzlich ist Heizöl so günstig wie lange nicht mehr, und der Preis könnte noch weiter fallen. Nicht weil die Rohölnotierungen noch viel Luft nach unten haben, sondern weil momentan die Nachfrage der Verbraucher die Lieferkapazität des Mineralölhandels deutlich übersteigt.

Der Mineralölwirtschaftsverband (MWV) hat Ende März 2020 gemeldet: „Die Kundenliste bei den Händlern ist so lang geworden, dass es bis zur Belieferung mehrere Wochen dauern kann.“

Plötzlich gibt es Forderungen, die ab 2021 über das Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) startende CO2-Bepreisung von Kraft- und Brennstoffen zu verschieben.

Das Gesetz ist bereits in Kraft getreten, allerdings gibt es noch keine Änderung auf Basis der im Dezember 2019 vorgeschlagenen Ergebnisse des Vermittlungsausschusses zum Klimaschutzprogramm 2030. Nach aktuellem Stand würde es 2021 mit einem Zertifikatepreis von 10 Euro/tCO2 starten, ausgehandelt wurden 25 Euro/tCO2.

Plötzlich erscheint es möglich, dass die Strompreise schnell und deutlicher als über die geplante Rückvergütung aus der CO2-Bepreisung gesenkt werden, beispielsweise über eine geringere Stromsteuer und / oder eine staatliche (bis vor Kurzem europarechtlich kaum realistische) Einlage zur Senkung der EEG-Umlage.

Ein CO2-Preis von 25 Euro/tCO2 hätte auf dem Stand 2019 eine Entlastung beim Strompreis von etwa 1,2 Ct/kWhel bedeutet.

Und es wird angeregt, nach dem Überwinden der Coronavirus-Krise bevorzugt bestimmte Bereiche mit staatlichen Hilfen zu stimulieren; es gibt auch Forderungen, dabei gezielt Nachhaltigkeit zu berücksichtigen.

Denkbar wäre beispielsweise, die Förderung über das Marktanreizprogramm für einen bestimmten Zeitraum mit einem Sonderbonus zu erhöhen.

Andererseits könnte schnell die Angst entstehen, dass die gerade erst deutlich verbesserten Förderprogramme für die energetische Gebäude- und Heizungsmodernisierung aus Sparzwängen neu priorisiert werden müssen. Und potenzielle Modernisierer werden finanzielle Rücklagen solange nicht antasten, bis die Coronavirus-Krise auch aus der eigenen Perspektive überwunden ist.

CO2-Bepreisung

Bereits mit den „normalen“ Unsicherheiten einer dynamischen CO2-Bepreisung sind Prognosen zu den Gesamtkosten energetischer Maßnahmen komplexer geworden. Bis mindestens 2025 kaufen die Inverkehrbringer von Kraft- und Brennstoffen die Emissionszertifikate zum festgelegten Preis und ohne Begrenzung der Menge der Zertifikate.

Das im BEHG hinterlegte „nationale Emissionshandelssystem“ (nEHS) würde jedoch (aus Sicht der Absenkung der CO2-Emissionen) am besten wirken, wenn es ab 2027 keine oder nach oben nur sehr weit gesteckte Preisgrenzen gibt.

Da politisch erst 2025 festgelegt wird, in welchem Rahmen die Versteigerung der Emissionszertifikate ab 2027 erfolgt, sind für Kostenrechnungen und Systemvergleiche Annahmen zum Preisverlauf erforderlich. TGA hat ab Oktober 2019 solche Preisverläufe entwickelt und unter anderem in [3] als Preispfade veröffentlicht, sie greifen bereits der oben erwähnten Änderung des BEHG voraus:

  • Preispfad 0: es findet keine CO2-Bepreisung statt (Stand bis September 2019)
  • Preispfad 1: der Zertifikatpreis verharrt
  • ab 2026 bei 55 Euro/tCO2
  • Preispfad 2: der Zertifikatpreis springt 2026 auf 65 Euro/tCO2 und steigt dann ab 2027 um jährlich 5 Euro/tCO2 bis max. 180 Euro/tCO2
  • Preispfad 3: wie vor, jedoch eine Steigerung um jährlich 10 Euro/tCO2
  • Preispfad 4: wie vor, jedoch eine Steigerung um jährlich 15 Euro/tCO2
  • Preispfad 5: der Zertifikatpreis springt 2026 auf 65 Euro/tCO2 und verharrt ab 2027
  • bei 180 Euro/tCO2
  • Preispfad 6: der Zertifikatpreis springt 2026 auf 65 Euro/tCO2 und 2027 auf 120 Euro/tCO2, danach sinkt er um jährlich 2,5 Euro/tCO2
  • bis minimal 65 Euro/tCO2
  • Preispfad 7: wie vor, jedoch eine Absenkung um jährlich 5 Euro/tCO2

Seit März 2020 liegen zwei Gutachten vor, die im Auftrag des Bundesumweltministeriums und des Umweltbundesamts (Öko-Institut [1]) bzw. des Bundeswirtschaftsministeriums (Prognos [2]) die Wirkung des Klimaschutzprogramms 2030 bewerten. Darin gibt es ebenfalls Preispfade:

Preispfad 8: Das Öko-Institut hat einen Preis­pfad bis 2030 gewählt, der bis dahin dem TGA-Preispfad 4 entspricht. Für den Zeitraum nach 2030 wurden in der Studie keine Annahmen veröffentlicht, sodass er ab 2030 mit konstant 125 Euro/tCO2 angesetzt wird.

Preispfad 9: Prognos verwendet einen Preispfad mit einem Anstieg von 30 Euro/tCO2 von 2027 bis 2029, in 2030 von 25 Euro/tCO2 und dann bis 2035 eine jährliche Steigerung um 21 Euro/tCO2

Berechnet man für den Energieträger Heizöl in den Jahre 2020 bis 2035 die Zusatzkosten durch die CO2-Bepreisung, jeweils als Barwert im Juli 2020, abgezinst mit 1,7 %/a, zeigt sich, dass die Barwerte der Preispfade 3, 6, 7 und 8 relativ dicht beieinander liegen, ebenso die Preispfade 5 und 9. Für die Auswertung in (1) wurden deshalb nur die Preispfade 0, 1, 2, 3, 4 und 9 verwendet.

Barwert der Gesamtkosten einer bestehenden Öl-Heizung und verschiedener, über das Marktanreizprogramm geförderter Modernisierungs­lösungen. Betrachtungszeitraum 15 Jahre, mit 1,7 %/a diskontiert.

Für den Kostenvergleich über 15 Jahre (Sanierungsdatum Juli 2020 und 1,7 %/a Abzinsung für den Barwert) werden die schon in [3] vorgestellten Beispiele aus [4] herangezogen, siehe (2). Alle Energiepreisbestandteile steigen um 2 %/a, die Wartungskosten um 1 %/a.

Soweit für die Maßnahme systemisch erforderlich, wurden für einen neuen Gas-Anschluss und die Entsorgung der Öl-Tankanlage jeweils 2000 Euro angesetzt (beide Umfeldmaßnahmen dürfen nach MAP zu den förderfähigen Kosten gerechnet werden). Neu ist die Unterteilung von „Öl-Heizung, alt“ in das Original-System und eine „modifiziert“-Variante.

„Öl-Heizung, alt, modifiziert“ hat einen geringen Jahresendenergiebedarf (halbe Einsparung). So können Unsicherheiten durch eine zu optimistische Einschätzung der realen Einsparung schnell bewertet werden. Neu ist auch die „modifiziert“-Variante von „Elektro-L/W-WP, neu“. Bei ihr wurde der Startwert für den Strompreis um 2 Ct/kWhel gesenkt.

Bild 2: Grunddaten für das Berechnungsbeispiel, Heizungserneuerung im Jahr 2020einer alten Öl-Heizung; Energiebedarfe und extrapolierte Investitionskosten aus [4].

Bewertung einer alten Öl-Heizung

(1) zeigt aus der Perspektive einer alten Öl-Heizung den Barwerte für 15 Jahre Weiterbetrieb und den Barwert für unterschiedliche Modernisierungen.

Dabei wurde jeweils die maximale Förderung nach Marktanreizprogramm berücksichtigt. Für die Bestandsanlage betragen beim teuersten Preispfad 9 die Zusatzkosten aus der CO2-Bepreisung abgezinst 15 689 Euro, beim günstigsten Preispfad 1 sind es immerhin 6387 Euro.

Die untere gestrichelte Kurve sammelt die Barwerte für „Öl-Heizung, alt, modifiziert“ mit einer halbierten Energieeinsparung gegenüber der normativen Berechnung und kann damit als „sehr sicher erreichbar“ angenommen werden.

Lösungen, deren Barwert unter der Kurve liegen, sind im Betrachtungszeitraum günstiger. Auch Lösungen, deren Barwert über dieser Kurve liegen, können im Betrachtungszeitraum günstiger sein, sollten aber genauer untersucht werden.

Das System „Öl-BW+Solar, neu“ hat bis zur Preiskurve 4 einen höheren Barwert als das System „Öl-BW, neu“, die MAP-Förderung für die neue Solaranlage kann die Wirtschaftlichkeit gegenüber der Einfachsanierung nicht ­verbessern.

Bereits ab dem aus Verbrauchersicht sehr optimistischen Preispfad 1 weisen alle anderen Systeme mit der Nutzung erneuerbarer Energien einen zum Teil deutlich niedrigeren Barwert als die Öl-Varianten auf.

Aufgrund der Förderquote von 40 % gilt das auch für das System „Gas-BW+Solar, neu“. Das System „Pellet, neu“ weist etwas höhere Barwerte aus, hier kommt es im Einzelfall stark auf die individuellen Investitions- und Wartungskosten an.

Ab dem Preispfad 1 hat „Elektro-L/W-WP, neu“ den geringsten Barwert, gegenüber einem Weiterbetrieb der alten Öl-Heizung ergibt sich eine sehr hohe Einsparung von mindestens 4832 Euro (Differenz Barwert über 15 Jahre).

In der modifiziert-Variante mit geringerem Strompreis ist die Differenz rund 2000 Euro größer. Der Abstand zu den anderen Optionen bietet außerdem Potenzial, das Wärmeübergabesystem für den Wärmepumpenbetrieb zu optimieren. Als Umfeldmaßnahme ist dies über das MAP förderbar.

Veraltete Heizung betreiben ist am teuersten

Insgesamt zeigt sich: Eine veraltete Öl-Heizung noch längere Zeit weiter zu betreiben, ist finanziell die schlechteste Option. Das würde bei „Gas-BW+Solar, neu“ und „Elektro-L/W-WP, neu“ auch gelten, wenn die MAP-Förderung beibehalten aber die CO2-Bepreisung abgesagt wird. Für die anderen Modernisierungslösungen gilt es, wenn ihre Energieeinsparung an die normativ berechneten Werte heranreicht.

Auch bei der Liquidität haben die Systeme „Gas-BW+Solar, neu“ und „Elektro-L/W-WP, neu“ Vorteile, wenn man neben der MAP-Förderung zur Finanzierung des Eigenanteils über das KfW-Programm 167 (Energieeffizient Sanieren – Ergänzungskredit für die Umstellung einer Heizung auf erneuerbare ­Energien) nutzt.

Aktuell (30.03.2020) wird das Programm mit einem Effektivzins von 1 %/a, einer tilgungsfreien Anlaufzeit bis zu zwei Jahren und einer Laufzeit von vier bis zehn Jahren angeboten.

Nutzt man die Laufzeit von zehn Jahren und die maximale tilgungsfreie Anlaufzeit, liegen die laufenden Kosten in den nächsten zwei Jahren deutlich unter „Öl-Heizung, alt, modifiziert“ und die kumulierten Zahlungen sind erst nach neun Jahren kurzzeitig gleich hoch (Preispfad 1).

Wird die CO2-Bepreisung abgesagt, tritt die Annäherung nach 6 bzw. 7 Jahren ein, kurzzeitig sind dann die kumulierten Zahlungen höher. Bemerkenswert: Ab Preispfad 2 bleibt die „Elektro-L/W-WP, neu“ dauerhaft unterhalb der kumulierten Zahlungen. Sie senkt also die Kosten ab dem ersten Tag.

Im Berechnungsbeispiel belaufen sich die Energiekosten für „Öl-Heizung, alt“ in 2020 aufgrund der Berechnungsannahmen auf 2294 Euro. Erst wenn sie länger als fünf Jahre nur halb so hoch sind, würde der Barwert auf den von „Elektro-L/W-WP, neu“ sinken.

Die Modernisierung einer alten Öl-Heizung aufzuschieben, ist somit auch angesichts neuer Rahmenbedingungen durch die Auswirkungen der Coronavirus-Krise nicht sinnvoll.

Dieser Artikel von Jochen Vorländer ist zuerst erschienen in TGA-Ausgabe 4 / 2020.

Literatur

  • [1] Öko-Institut: Treibhausgasminderungswirkung des Klimaschutzprogramms 2030 (Kurzbericht). Teilbericht des Projektes „THG-Projektion: Weiterentwicklung
  • der Methoden und Umsetzung der EU-Effort Sharing Decision im Projektionsbericht 2019 („Politikszenarien IX“)“. Dessau-Roßlau: Umweltbundesamt (Heraus­geber), März 2020, Download: G www.bit.ly/tga1178
  • [2] Prognos, Fraunhofer ISI, GWS, iinas: Energiewirtschaftliche Projektionen und Folgeabschätzungen 2030/2050.
  • Dokumentation von Referenzszenario und Szenario mit Klimaschutzprogramm 2030. Berlin: Prognos,
  • März 2020, Download: G www.bit.ly/tga1179
  • [3] Vorländer, Jochen: Alte Heizung raus ist wirtschaftlich. Stuttgart: Gentner Verlag, TGA 03-2020,
  • Download über  Webcode  950011
  • [4] BDEW-Heizkostenvergleich Altbau 2017. Ein Vergleich der Gesamtkosten verschiedener Systeme zur Heizung und Warmwasserbereitung in Altbauten. Berlin: BDEW, Studie angefertigt durch das ITG Institut für Technischen Gebäudeausrüstung Dresden Forschung und Anwendung, 2017, Download: G www.bit.ly/tga1170
Anzeige
haustec.de
Das Fachportal für die Gebäudetechnik
Ad placeholder