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Nachhaltige Bauwirtschaft beginnt bei der Materialwahl

Daniel Schulz

Ziel ist die Transformation zur Circular Economy – auf allen Ebenen, von Politik und Kommunen über Planer und Bauherren bis hin zu Umsetzungsakteuren der Bau- und Immobilienwirtschaft. Zirkuläres Bauen schließt die Materialkreisläufe konsequent: Materialien und Produkte werden wiederverwendet und so Abfälle und Emissionen minimiert, der ökologische Fußabdruck von Gebäuden optimiert und Klima und Umwelt geschont.

Abb. 1 Lebenszyklusanalyse (LCA) CRADLE TO GRAVE, von der Wiege bis zur Bahre.

Ressourcenschonender Umgang mit Baumaterialien gelingt nicht

Wie eine Studie der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen – DGNB e.V. zeigt, ist die Baubranche nicht ausreichend auf den von der Politik vorgegebenen Wandel zur Kreislaufwirtschaft vorbereitet: Bei einer Beurteilung realer Bauprojekte hinsichtlich der Circular-Economy-Kriterien der EU-Taxonomie erfüllte kein Projekt die Vorgaben. Als besonders große Hürde erwies sich der ressourcenschonende Umgang mit Baumaterialien. Kein einziges Projekt erreichte die Materialquote, nach der die eingesetzten Baumaterialien zu mindestens 15 Prozent wiederverwendet, zu 15 Prozent recycelt und zu 20 Prozent entweder nachwachsend, wiederverwendet oder recycelt sein müssen. 

Die EU-Taxonomie ist ein EU-weit gültiges Klassifizierungssystem für nachhaltige Investments. Sie bietet Anlegern Orientierung und will Anreize für die „grüne“ Transformation der Wirtschaft setzen.

In engem Schulterschluss mit der EU-Taxonomie schärfte auch die DGNB in der Version 2023 ihres Green-Building-Labels die Vorgaben für das Recycling. Unter anderem betont die DGNB in der neuen Fassung den Indikator CO2-Bilanz bzw. das Global Warming Potential (GWP, ausgedrückt in CO2-Äquivalenten). Entsprechend lautet das Kriterium ENV 1.1 nun „Lebenszyklus CO2-Bilanzen und Energiebilanzen“ und bei der Betrachtung der Ökobilanz eines Gebäudes wird die CO2-Bilanz zum Maß aller Dinge. Richtungsweisend ist auch die Umbenennung des Kriteriums TEC 1.6 von „Rückbau- und Recyclingfreundlichkeit“ in „Zirkuläres Bauen“. Bedeutet: Die DGNB-Zertifizierung nimmt künftig die Recycelbarkeit nicht erst am Lebensende in den Blick, sondern beurteilt bereits bei der Herstellung von Bauprodukten den Einsatz recycelten Materials und betont so den Kreislaufgedanken in der Bauwirtschaft. 

Fakt ist: Gesetze werden strenger und Umweltzertifizierungen wichtiger – neben dem deutschen DGNB-Label beispielweise die weltweit anerkannte, aus UK stammende BREEAM-Zertifizierung (Building Research Establishment Environmental Assessment Method), das französische HQE-Nachhaltigkeitszertifikat (Haute Qualité Environnementale) oder das US-amerikanische LEED-Zertifizierungsprogramm (Leadership in Energy and Environmental Design). Hier spielen die eingesetzten Baumaterialien eine Schlüsselrolle für die Nachhaltigkeitsbeurteilung von Bauprojekten.

Wie lassen sich Baumaterialien hinsichtlich ihrer Ökobilanz vergleichen?

Um die Nachhaltigkeit verschiedener Baumaterialien fundiert zu vergleichen, muss der gesamte Lebenszyklus „Cradle-to-Grave“ betrachtet werden, also von der Herstellung über die Nutzung und Sanierung bis zum Rückbau (Wiederverwendung oder Recycling). Diese Informationen können in Materialpässen zusammengeführt werden. Im Bauwesen bildet unter anderem die freiwillige EPD (Environmental Product Declaration) eine wichtige Informationsquelle für die Bewertung von Materialien im Sinne einer nachhaltigen Gebäudeplanung. Die verifizierte, von unabhängigen Dritten geprüfte Umwelterklärung basiert auf den Normen ISO 25930 und EN 15804 und bietet maximale Transparenz zu Umweltauswirkungen und Nachhaltigkeit von Produkten.

Fallbeispiel Gebäudeentwässerung: Guss vs. Kunststoff

Ein Paradebeispiel für die Auswirkungen der Materialwahl auf die Nachhaltigkeit des Bauprojekts ist die Gebäudeentwässerung: Während bei Gussrohren das Ideal der Kreislaufwirtschaft bereits heute Realität ist, ist das zirkuläre Bauen mit Kunststoffrohren noch illusorisch.

Mit ihrer hohen Robustheit, Widerstandsfähigkeit und Langlebigkeit weisen Gussrohrsysteme eine hohe Wirtschaftlichkeit auf und punkten auch bei Nachhaltigkeitsbetrachtungen. Bei Umweltaspekten wie Ressourcenverbrauch, Carbon Footprint und Recycelbarkeit überzeugt das Material Guss ebenfalls: Gussrohrsysteme wie PAM-GLOBAL S können zu 100 Prozent wiederverwertet werden. Die abriebfeste Epoxidschicht im Innern der Rohre, die eine Korrosion des Graugussmaterials zuverlässig verhindert, hat eine Schichtdicke von nur 130 µm bzw. 0,13 mm. Deshalb lassen sich die Gussrohre wie ein Monomaterial verschrotten und als recycelter Metallwerkstoff in der Produktion wiederverwenden.

Rohrsysteme aus Kunststoff hingegen haben bei einer Nachhaltigkeitsbetrachtung materialbedingt ein Problem: Noch basiert die organische Chemie weitgehend auf fossilen und damit aus ökologischer Sicht problematischen Kohlenstoffquellen wie Erdöl, Kohle oder Erdgas. Hinzu kommt eine niedrige Rezyklatquote, was mit dem Materialmix aus verschiedenen Kunststoffsorten und Füllmaterialien zusammenhängt. Das bedeutet: Sofern keine neuen Recyclingverfahren entwickelt werden können, landen heute verbaute Kunststoffrohre am Ende ihres Lebenszyklus weitgehend als Abfall in der thermischen Verwertung. Und hier geht es um bedeutende Mengen an Kunststoff: Etwa ein Viertel aller Kunststoffprodukte – knapp 3 Millionen Tonnen jährlich – werden für die Baubranche produziert, die voraussichtlich nicht in den Wertstoffkreislauf zurückgeführt werden können.

Fazit: Nachhaltigkeitsbetrachtung bei der Materialwahl

Mit zunehmender gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Bedeutung des Aspekts Nachhaltigkeit lohnt es sich, bei der Planung von Gebäudeobjekten nicht nur funktionale Materialeigenschaften wie Brand-  und Schallschutz, sondern auch die Ökobilanz mit Kriterien wie Ressourceneinsatz und Recycelbarkeit einzubeziehen.

Daniel Schulz ist Leiter Technik & Marketing bei Saint-Gobain Pam Building Deutschland GmbH und Vorstandsvorsitzender des IZEG Informationszentrum Entwässerungstechnik Guss e.V.

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