Silizium-PV-Module: Zellriss-Klassifizierung für mehr Rechtssicherheit

Schäden an Photovoltaik (PV)-Modulen, insbesondere Zellrisse und Mikrorisse in kristallinen Siliziumzellen, entstehen durch eine Kombination aus herstellungsbedingten Eigenspannungen (Vorbelastungen) und externen mechanischen, umweltbedingten Belastungen während des Betriebs. Diese können die Leistung, Sicherheit und Lebensdauer von Solaranlagen erheblich beeinträchtigen. Obwohl Elektrolumineszenz (EL)-Messungen mittlerweile Standard sind und dadurch Zellrisse und andere Auffälligkeiten sichtbar gemacht werden können, fehlen bislang allgemein anerkannte Bewertungsstandards und verbindliche Kriterien zur Risikobewertung oder zur Prognose der Auswirkungen auf Leistung und Sicherheit.
Die Unsicherheit über die Bedeutung solcher Befunde führt oft zu Rechtsstreitigkeiten, von denen vor allem kleine und mittelständische Betreiber betroffen sind. Dies ist eine der derzeit größten Herausforderungen in der Qualitätssicherung und Schadensbewertung von PV-Systemen.
Belastbare Kriterien zur Nomenklatur, Klassifizierung und Bewertung von Zellrissen
Mit dem Abschluss des Forschungsprojekts "PV-Riss" unter der Leitung des Fraunhofer CSP ist ein bedeutender Schritt zur standardisierten Bewertung von Zellrissen in kristallinen Silizium-PV-Modulen gelungen. Ziel war es, belastbare Kriterien zur Nomenklatur, Klassifizierung und Bewertung von Zellrissen zu schaffen. Der Schwerpunkt der Forschungsarbeiten am Fraunhofer CSP lag auf der systematischen Untersuchung, Kategorisierung und Bewertung von Zellrissen sowie deren Auswirkungen unter Labor- und Feldbedingungen.
Es wurde ein standardisierter Fehlerkatalog zur Klassifikation von Rissen entwickelt, primär basierend auf EL-Aufnahmen, untermauert durch Magnetfeldaufnahmen (MFI), sowie Infrarotfotografie (IR) und Leistungsdaten. In Laborversuchen mit über 200 Modulen wurden Zellrisse gezielt erzeugt und hinsichtlich ihres Verhaltens bei unterschiedlicher Anzahl von Busbars und Rissmustern untersucht. Mittels kombinierter thermo-mechanischer Belastungstests und zyklischer Lastprofile wurde die Entwicklung von Zellrissen sowie deren Einfluss auf Leistungsabfall und potenzielle Sicherheitsrisiken untersucht. Dabei kam ein eigens entwickelter Prüfstand zum Einsatz.
Handlungsempfehlungen zur Bewertung und zum Umgang mit Zellrissen
Die gewonnenen Daten werden für zukünftige Anfragen als Handlungsempfehlungen zur Bewertung und zum Umgang mit Zellrissen verwendet. Neben den vor allem für ältere Module relevanten Zellrissen wurden auch den weiteren in der EL sichtbaren Auffälligkeiten zusätzliche Kategorien zugewiesen. Unter anderem sind Kontaktierungsprobleme, Fehler im Siebdruck, Zelldefekte sowie Degradationsmuster durch Lichtdegradation (LID, LETID), potentialinduzierte Degradation (PID) und UV-induzierte Degradation (UVID) sowie weitere Beobachtungen in einer umfangreichen Übersicht erfasst.
VDE SPEC 90031
Das Fraunhofer CSP war federführend an der Entwicklung der VDE SPEC 90031 beteiligt, die eine einheitliche Nomenklatur für Elektrolumineszenz-Bilder schafft und internationale Normungsprozesse unterstützt. "Zellrisse sind kein neues Phänomen, aber ihre Bewertung war bislang von Unsicherheit geprägt. Mit der VDE SPEC 90031 liefern wir erstmals eine wissenschaftlich fundierte, reproduzierbare Methodik zur Klassifikation und Bewertung – ein entscheidender Schritt für die Qualitätssicherung moderner PV-Systeme. Dies reduziert Unsicherheiten bei Gewährleistungsfragen, verbessert die Kommunikation zwischen Herstellern, Gutachtern und Betreibern und unterstützt eine effizientere Betriebsführung von PV-Anlagen", sagt Dr. Bengt Jäckel, Projektleiter am Fraunhofer CSP.
Das Forschungsvorhaben "PV-Riss" wurde im Rahmen des Programms "WIPANO" (Wissens- und Technologietransfer durch Patente und Normen) durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE) gefördert. Projektpartner waren das Forschungszentrum Jülich GmbH, die Hochschule Anhalt, die Hanwha Q Cells GmbH, das Ing.-Büro Kirch, die Arp & Kleiss GmbH, die Sunset Energietechnik GmbH und die Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik in DIN und VDE (DKE).