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Wann sind Infrarot-Heizungen eine Alternative zu Wärmepumpen?

Thomas Stark, Jan Heider
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Mit der beschlossenen Energiewende reagiert Deutschland auf den Klimawandel, der maßgeblich auf die CO2-Emissionen zurückzuführen ist. Um diese nachhaltig zu reduzieren, muss das bisher dominierende fossil/atomare Energiesystem in Zukunft vollständig durch erneuerbare Energie ersetzt werden. In den meisten Studien gelten Windkraft- und Photovoltaikanlagen als Schlüsseltechnologien der zukünftigen Energieerzeugung (Abb. 1).

Die fossile Energiewirtschaft basiert auf Primärquellen, durch deren Verbrennung die Wärme direkt nutzbar gemacht werden kann (Erdöl, Erdgas, Kohle). Die Stromerzeugung aus diesen Quellen ist jedoch mit erheblichen Umwandlungsverlusten von bis zu 60% verbunden. Mit den zunehmenden regenerativen Energiequellen in Form von Windkraft und Solarstrahlung steigt allerdings der Anteil an klimaverträglich gewonnenem Strom. Dieser kann über entsprechende Umwandlungssysteme wiederum in gasförmige oder flüssige Energieträger umgewandelt werden, allerdings hier nun um den Preis erheblicher Umwandlungsverluste. Die Randbedingungen unterscheiden sich in den beiden Energiesystemen daher fundamental.

Abb. 1: Entwicklung der Strombereitstellung nach Technologien.

Elektrifizierung der Sektoren

In der Konsequenz bedeutet dies, dass bei einem regenerativ basierenden Energiesystem die direkte Nutzung elektrischer Energie gegenüber gasförmigen oder flüssigen Energieträgern im Vorteil ist. Die Studien zur zukünftigen Energieversorgung gehen daher von einer massiven Elektrifizierung aller Energiesektoren aus (Abb. 2).

In den beiden wichtigsten Sektoren Mobilität und Wärmeversorgung von Gebäuden weisen die aktuellen Entwicklungen bereits eine entsprechende Transformation auf: Im Bereich Verkehr zeigt der Trend klar in Richtung Elektromobilität, im Bereich der Wärmeerzeugung ist beim Neubau die Wärmepumpe als elektrischer Wärmeversorger inzwischen das dominierende Heizsystem [2]. Dies bestätigen auch die Pilotprojekte im Rahmen der EffizienzhausPlus-Initiative, von denen vier Fünftel über Wärmepumpentechnologie beheizt werden [3].

Abb. 2: Entwicklung des Elektrifizierungsgrades für die Bereitstellung von Prozesswärme, Raumwärme (inklusive Trinkwarmwasser) und dem straßen­gebundenen Verkehr.

Trend zu höherem Technisierungsgrad

Wärmepumpen nutzen die lokale Umweltwärme und erzielen somit eine besonders hohe elektrische Effizienz. Bei einer Jahresarbeitszahl (JAZ) von 3 bis 5 können mit einer Kilowattstunde Strom 3 bis 5 Kilowattstunden Wärme erzeugt werden. Dieser Effizienzgewinn geht allerdings mit einem nicht unerheblichen materiellen und finanziellen Aufwand einher. Die Nutzung von lokaler Anergie erfordert eine Vielzahl an Komponenten, wie 

  • einen Wärmeerzeuger (Wärmepumpe),
  • eine Wärmequellenerschließung (Erdsonde, Erdkollektor, Luftwärmetauscher, Eisspeicher, usw.),
  • eine Wärmespeicherung (Pufferspeicher),
  • eine Wärmeübergabe (Fußbodenheizung, Heizkreisverteiler),
  • eine Regelung (Raumthermostate, Stellventile, WP-Regelung),
  • eine Messdatenerfassung zur Überprüfung der Effizienz und der Abrechnung und ­schließlich
  • einen Haustechnikraum (Abb. 4).

Mit steigender Effizienz erhöht sich zudem oft die Komplexität des Systems und damit auch die Fehleranfälligkeit beim Zusammenspiel der Komponenten, wie z.B. Eisspeicher, Hybridkollektoren oder kalte Nahwärmenetze. Die Systeme zur Wärmeversorgung tragen auch wesentlich zur Baukostensteigerung bei. Ein Forschungsprojekt aus dem Jahr 2015 im Rahmen der Zukunft Bau-Initiative hat gezeigt, dass in den vergangenen Jahren die Kosten für Gebäudetechnik (KG 400) deutlich stärker anstiegen als die übrigen Baukosten (Abb. 3).

Abb. 3: Analyse der Verursacher von Investitions- und Betriebskosten im Wohnungsbau

Direktstromheizung als Low-Tech-Alternative

Gegenüber den komplexen Wärmepumpensystemen erweist sich eine direktelektrische Beheizung als denkbar einfachste Art der Raumerwärmung. Vor allem im Wohnungsbau nahmen in den vergangenen Jahren insbesondere die sogenannten Infra­rot-Heizungen (IR-Heizung) zu. Ein IR-System besteht im Wesentlichen nur aus zwei Komponenten (Abb. 4):

  • einer Wärmeerzeugung (Infrarot-​Heizelemente) und
  • einer Regelung (Raumthermostat).
Abb. 4: Vergleich erforderlicher Systemkomponenten bei Wärmepumpen- und Infrarotheizungs-Systemen.

Durch die geringe Komplexität (Low-Tech) weist die IR-Heizung gegenüber klassischen Wärme­pumpenvarianten einige Vorteile in ökologischer und ökonomischer Hinsicht auf:

  • Vergleichsweise sehr geringe Anfangsinvestitionskosten,
  • vergleichsweise sehr geringer Materialaufwand (Graue Energie),
  • kein Technikraum erforderlich,
  • keine Leitungs- und Speicherverluste,
  • kein Hilfsenergiebedarf,
  • geringer Energieaufwand für Installation, Wartung, Instandhaltung und Entsorgung,
  • geringe Störanfälligkeit (Resilienz),
  • lange Lebensdauer,
  • einfache Umbau-/Nachrüstbarkeit,
  • sehr flexible, schnelle und unmittelbare raum- oder zonenweise Regelung der thermischen Behaglichkeit durch den Nutzer und
  • keine Wärmemengenzähler, Messdatenerfassung und Abrechnung erforderlich.

Dennoch konnten sich direktelektrische Heizungen in den vergangenen Jahrzehnten aufgrund hoher Wärmeverbräuche der Gebäude und damit verbundener Stromkosten und CO2-Emissionen durch fossil erzeugten Strom nicht etablieren. Inzwischen haben sich die Rahmenbedingungen – vor allem im Neubau – jedoch grundlegend verändert:

  • Der Heizenergiebedarf für neu errichtete Gebäude ist dank Energieeinsparverordnungen und damit einhergehender besserer Gebäudedämmung massiv gesunken (Abb. 5).
  • Knapp die Hälfte der elektrischen Energie wird in Deutschland inzwischen mittels regenerativer Quellen erzeugt. Der Primärenergiekennwert ist dadurch von 3,0 im Jahr 2000 auf inzwischen 1,8 gesunken, die CO₂-Emissionen von 644 auf 401 g/kWh [7].
  • Mit den inzwischen deutlich günstigeren Photovoltaikanlagen lässt sich heute regenerativer Strom wirtschaftlich und langfristig lokal am Gebäude erzeugen [8].
Abb. 5: End- und Primärenergiebedarf nach Baualter

Ein geringer Heizwärmebedarf trifft also mittlerweile auf eine kostengünstige und lokale regenera­tive Stromzeugung. Daher ist insbesondere bei energieeffizienten Gebäuden die Frage interessant, welche Potenzi­ale einfache und kostengünstige Infrarot-Heizsysteme – insbesondere in Kombination mit lokaler Stromerzeugung über Photovoltaik – für die Wärmeversorgung von Gebäuden haben.

Das Mehrfamilienhaus K76 in Darmstadt wird mit Infrarot-Paneelen beheizt und ist Modellbauvorhaben für das Forschungsprojekt IR-Bau.

Das Forschungsprojekt IR-Bau

Bisherige Studien zu IR-Heizungen haben hierzu keine belastbaren Grundlagen für die Planung in der Baupraxis hervorgebracht. Vor diesem Hintergrund entschloss sich die Hochschule Konstanz, das Forschungsprojekt IR-Bau in Kooperation mit mehreren Projektpartnern durchzuführen. Finanzielle Unterstützung kam vom Innovationsprogramm Zukunft Bau des Bundesinstitutes für Bau-,Stadt- und Raumforschung [9]. Im Rahmen des Projekts wurden drei Heizsysteme – Luftwärmepumpe mit Fußbodenheizung, elektrische Fußbodenheizung und Infrarot-Heizung – messtechnisch untersucht. Ziel war, zu ermitteln, wie hoch die Differenzen des Stromverbrauchs im Realbetrieb unter Berücksichtigung aller Komponenten sind. Weiterhin wurden am Beispiel eines Pilotprojekts ökologische und ökonomische Vergleichsrechnungen in Form einer Ökobilanz und Lebenszykluskosten über 50 Jahre erstellt. Der vollständige Forschungsbericht und die Ergebnisse der ergänzend durchgeführten Labormessungen sind abrufbar unter bit.ly/GEB2050.

Wissenschaftliche Begleitforschung eines Pilotprojektes

Das Mehrfamilienhaus K76 mit 16 Wohneinheiten in Darmstadt wurde mit Direktstromheizung geplant und 2017 fertiggestellt. Die Raumerwärmung erfolgt über an den Decken installierten Infrarotheizungen, das Warmwasser wird über lokale Durchlauferhitzer erwärmt. Jede der Wohneinheiten verfügt über eine dezentrale Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung. Auf dem Dach iLüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung. Auf dem Dach ist eine 36,2-kWp-PV-Anlage installiert. Geplant und umgesetzt haben das Projekt werk.um Architekten aus Darmstadt, Bauherrschaft und Auftraggeber war die Baugenossenschaft K76. Die rund 1360 m² umfassende Wohnfläche ist in 15 Wohneinheiten mit je 50 bis 120 m² unterteilt. Das Pilotprojekt wurde bereits in GEB 07/08 2019 veröffentlicht (Im Strom der Wärmewende) und detailliert beschrieben.

Die messtechnischen Ergebnisse über zwei komplette Heizperioden sowie die wesentlichen Kennwerte fassen Abb. 6 und Abb. 7 zusammen. Eine ergänzende sozialwissenschaftliche Nutzerbefragung zeigte, dass die an der Studie teilnehmenden Bewohner mit der Behaglichkeit und Bedienbarkeit der IR-Hei­zungen zufrieden bis sehr zufrieden sind.

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