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Infrarotheizung versus Luft-Wasser-Wärmepumpe: Was verbraucht mehr Graue Energie?

Herr Fleißgarten, was haben Sie genau untersucht? 

Wir haben die sogenannte Graue Energie eines Luft/Wasser-Wärmepumpen-Systems inklusive Wärmeverteilung und -abgabe, jedoch ohne den Raumbedarf für den Aufstellraum und Schächte einerseits und die Wärmeverteilung und -abgabe von Infrarotheizungen, die gänzlich ohne zentralen Wärmeerzeuger auskommen, andererseits untersucht. Die Graue Energie ist die gesamte Energie, die für Herstellung, Transport, Lagerung, Verkauf und Entsorgung eines Produktes benötigt wird. Der Endenergie-Strombedarf, also die Energie für den Betrieb der Heizungsanlagen, zählt nicht dazu.

Dazu muss man wissen, dass Infrarotheizgeräte in der Regel einfach nur an der Wand oder unter der Decke montiert werden. Das Stromkabel wird in die Steckdose beziehungsweise an einen Deckenauslass eingesteckt oder angeklemmt. Bei Infrarotheizsystemen gibt es auch kaum Verluste über das Stromnetz. Anders ist es bei einem traditionellen wassergeführten Heizsystem wie einer Wärmepumpe mit einem Puffer-Speichersystem, bei dem die Wärmeenergie über gut zu dämmende Rohrnetze transportiert wird. Das gesamte Hydrauliksystem hat hohe Wärmeverluste, was die praktische Jahresarbeitszahl stark verringert.  

Was hat Sie zu der Untersuchung motiviert? 

Seit 2014 beschäftige ich mich als Architekt und Sachverständiger für Wärmeschutz zunehmend mehr mit beiden Heizsystemen. Dabei ist auffällig, dass Wärmepumpenanlagen besonders komplex und die Kältemittel von Wärmepumpen-Systemen extrem klimaschädlich sind. Im Gegensatz dazu sind Infrarotheizungen sehr einfach aufgebaut und der Verbrauch an grauer Energie ist nicht nennenswert. Wir haben uns in unserer Untersuchung übrigens auf qualitativ hochwertige Infrarotheizungen aus dem Fachhandel beschränkt, die von anderen Stromdirektheizungen wie Nachtspeicheröfen, Heizlüftern und Elektroradiatoren zu unterscheiden sind. 

Bitte beschreiben Sie das Haus in Ihrer Untersuchung kurz. 

Der Untersuchung liegt ein Einfamilienhaus mit 150 m2 Nutzfläche zugrunde. Für diese Betrachtung beziehungsweise für ein gut funktionierendes Wärmepumpen- und Infrarotheizungssystem hat es hier mindestens Neubaustandard, also KfW Effizienzhaus 55 beziehungsweise Energieeffizienzklasse A, zu entsprechen. 

Bei der Luft/Wasser-Wärmepumpen- und der Infrarotheiztechnik wurde jeweils von 12.000 Watt thermischer Leistung ausgegangen. Die Leistung entspricht der vom Heizsystem jeweils erforderlichen Heizlast, um den oben beschriebenen Neubau effizient zu beheizen. Die Umrechnung der „gefühlten“ thermischen Leistung von Infrarotheizungssystemen erfolgt gemäß Herstellerangaben und kann zwischen 5.200 und 13.500 Watt bei vergleichbarem Endenergie-Stromverbrauch liegen. „Gefühlt“ bedeutet dabei, dass Wärmestrahlung eine höhere physiologische Wirksamkeit besitzt als die Erwärmung des Menschen über ihn umgebende warme Luft und daher in Folge weniger Leistung und Energie benötigt.

Auf welcher Basis haben Sie die Graue Energie der Heizsysteme ermittelt?

Anhand eines detaillierten Angebotes einer Luft-Wärmepumpenheizung haben wir Stücklisten, Quadratmeter- und Längenberechnungen sowie die einzelnen Anlagen-Komponenten einer Luft/Wasser-Wärmepumpe erstellt. Dazu gehören eine Innen- und Außeneinheit, Trinkwasser- und Pufferspeicher, Heizkreis-Verteiler, 150 Quadratmeter Polysterol-Noppenbahnen, 50 Meter Kupfer- und mehr als 2,2 Kilometer Metallverbundrohr, mehr als 5.000 Kleinteile, Befestigungen, Dichtungen, Wärmedämmstoffe und Betonfundament. Um solch ein Gesamtsystem zu transportieren, braucht man einen kleinen LKW.

Die Ermittlung der Bestandteile von Infrarotheizgeräten und Durchlauferhitzer stellte sich im Vergleich zur Wärmepumpe sehr einfach dar. Da sind im Wesentlichen die Infrarotpaneele, Thermostate, Steuerzentrale und der Durchlauferhitzer für die Küche und das Bad zu nennen. Solch eine Heizung passt in einen PKW-Kombi. 

Was hat es mit dem Treibhauspotenzial auf sich, das sie ermittelt haben? 

Graue Energie verursacht Treibhausgasemissionen, die über das globale Treibhausgaspotenzial (GWP = Global Warming Potential/auch als Erderwärmungspotenzial bezeichnet) mit Hilfe von CO2-Äquivalenten quantifiziert werden. Das Treibhauspotenzial ist der potenzielle Beitrag eines Stoffes zur Erwärmung der Atmosphäre. Der Beitrag des Stoffes wird relativ zu dem Treibhauspotenzial des Stoffes Kohlendioxid als CO2-Äquivalente angegeben. CO2 hat daher ein GWP von 1. 

Das Global Warming Potential (GWP) der beiden Systeme haben wir anhand der Datenbank des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, ökobau.DAT ermittelt.

Wie lauten die wichtigsten Ergebnisse Ihrer Untersuchung? 

Auffällig ist die hohe Differenz der CO2-Äquivalente zwischen dem Luft/Wasser-Wärmepumpen- und dem Infrarotheizsystem, wobei bei der Wärmepumpe das Kältemittel der Hauptverursacher ist. 

Für die Bestandteile der Luft/Wasser-Wärmepumpe mit Fußbodenheizung und Trinkwasserbereitung haben wir 7,44 Tonnen CO2-Äquivalente errechnet, für fünf Kilogramm Kältemittel kommen nochmals 10,49 Tonnen CO2-Äquivalente dazu. 

Das heißt, für das Wärmepumpensystem müssen in der Summe 17,93 Tonnen CO2-Äquivalente Graue Energie aufgewendet werden.

Bei den Infrarot-Deckenheizungen mit Durchlauferhitzer sind es lediglich 0,32 bis 0,74 Tonnen CO2-Äquivalente, so dass sich ein Faktor von durchschnittlich 34 zu eins ergibt, je nach Infrarothersteller. (Berechnung: 17,93 ÷ 0,53 = 33,83) 

Das entspricht der ökologischen Lebensleistung von 18 Buchen, die 80 Jahre alt und 23 Meter hoch sind und einen Stammumfang von 95 cm haben, im Vergleich zu einer einzigen Buche, die nicht einmal 40 Jahre alt ist. Anders als bei dem späteren Endenergieverbrauch durch die Gebäudenutzung, werden die 17,93 Tonnen CO2-Äquivalente der Wärmepumpe sofort klimaschädlich wirksam.

Dem Kältemittel, das wir mit einmaliger Befüllung angesetzt haben, steht bei der Infrarot-Heiztechnik kein Wert gegenüber, da bei dieser Heizungsart keine Betriebsmittel erforderlich sind.

Welche Rolle spielt das Kältemittel?

Die Verluste von Kältemitteln einer Luft/Wasser-Wärmepumpe betragen laut Fachbuch „Wärmepumpen. Heizen - Kühlen - Umweltenergie nutzen“ von Marek Miara u.a.* - hier konservativ für ein Einfamilienhaus mit 150 Quadratmeter Nutzfläche und 5 Kilogramm angenommen - 7% der Füllmenge und somit 0,7 Tonnen CO2-Äquivalente in 18 Jahren. Das ist also mehr als die gesamte Graue Energie der vollständigen Installation einer Infrarotheizung für das oben beschriebene Einfamilienhaus. 

Weiterhin gehen wir in unserer Berechnung davon aus, dass nach 20 Jahren die Luft/Wasser-Wärmepumpe gegen ein Gerät mit einem weniger klimaschädlichen Kältemittel, beispielsweise Propan, ausgetauscht wird. Insgesamt verursacht das Kältemittel für die erstmalige Befüllung, Verluste und abschließendem Recycling-Prozess nach 20 Jahren am Ende des Lebenszyklus 11,22 Tonnen CO2-Äquivalente. Bei nicht fachgerechter Entleerung und Entsorgung bei Kompressortausch oder -reparatur würde sich der Wert nochmals verdoppeln. Leider ist davon auszugehen, dass ein bedeutender Anteil der Kältemittel nicht fachgerecht entsorgt wird. Dafür wäre die Einhaltung von zwei EU-Verordnungen, vier nationalen Verordnungen, einem Gesetz und zwei Normen/Technischen Regeln, zertifiziertem Personal sowie aufwendigem technischen Gerät erforderlich. Das Kältemittel ist ganz eindeutig die Hauptursache für die hohen CO2-Äquivalente bei Wärmepumpen.

In dem Abschlussbericht „Wärmepumpen in Bestandsgebäuden – Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt WPsmart im Bestand“ des Fraunhofer ISE** mit 57 untersuchten Modellprojekten in ganz Deutschland wiesen 58% der Kältemittel von Wärmepumpen ein GWP von 2.088 auf. Deshalb haben wir diesen GWP-Wert in unserem Vergleich zugrunde gelegt. 21% der Kältemittel hatten ein GWP von 3.920 und 19% lagen unter einem GWP von 1.774. Eine Wärmepumpe wurde mit Propan betrieben (GWP 3).

Noch klimaschädlicher wirken sich bei Kältemitteln die sogenannten Ewigkeitschemikalien, kurz als PFAS bezeichnet, aus. Die hochgiftigen Gase und deren Bestandteile zerfallen nicht durch Sonnenlicht oder andere natürlichen Einflüsse. Sie bleiben in der Umwelt und können unter anderem zu Fruchtbarkeitsstörungen und Krebs führen (s. Artikel Frankfurter Rundschau***) PFAS stellen eine echte Gefahr für Mensch und Umwelt dar und werden nur vom noch umweltschädlicheren Atommüll übertroffen.

Welche Lebenszyklen haben Sie für die Heizsysteme zugrunde gelegt? 

Für die Haustechnik empfiehlt sich generell die Betrachtung eines Lebenszyklus von 40 Jahren. Bei unserer Berechnung gehen wir davon aus, dass nur die Luft/Wasser-Wärmepumpe inklusive eines klimafreundlichen Kältemittels wie Propan nach einer Lebensdauer von 15 bis 20 Jahren ausgetauscht werden muss. Die Lebensdauer von Infrarotheizgeräten liegt bei 35 bis 40 Jahren, sodass hier kein Austausch stattfinden muss. Die Lebensdauer des Durchlauferhitzers liegt bei 15 Jahren, so dass dieser drei Mal ersetzt werden muss.

Die Graue Energie, die für das jeweilige Heizsystem eingesetzt wurde, wird über 40 Jahre abgeschrieben. Bei 17,93 Tonnen für das Wärmepumpensystem inklusive Erstbefüllung des Kältemittels entspricht dies einer jährlichen Abschreibung von 450 Kilogramm CO2-Äquivalenten, die zusätzlich zum Kohlenstoffdioxid des Endenergieverbrauchs emittiert werden. Für das Infrarotheizsystem beträgt die Abschreibung maximal 0,74 Tonnen, was jährlich weniger als 20 Kilogramm CO2-Äquivalente entspricht – dies bei einem vergleichbaren Endenergieverbrauch, wobei wir uns auf das Forschungsprojekt „IR-Bau – Potenzial von Infrarot-Heizsystemen für hocheffiziente Wohngebäude (02-2020)“**** beziehen. 

Was ist mit „Abschreiben“ in diesem Kontext gemeint? 

Man könnte sagen, es ist ein Vergleichswert bezogen auf ein Jahr. Wenn über einen Zeitraum von 40 Jahren jedes Jahr so viel CO2 kompensiert wird (450 oder 20 Kilogramm) – sei es durch Bepflanzung, Energieerzeugung aus regenerativen Quellen zur Substitution von fossiler Energie oder andere Einsparungen – könnte man die Herstellung der Heizgeräte als „CO2-neutral“ bezeichnen - nicht jedoch den Betrieb.

Wie würden Sie das Resultat Ihrer Untersuchung abschließend zusammenfassen?  

Beim Vergleich der Grauen Energie und der Treibhauspotenziale, die für ein Luft/Wasser-Wärmepumpensystem und für ein Infrarotheizsystem anfallen, schneidet die Infrarotheizung um Längen besser ab, da sie aus wenigen Komponenten besteht, keinen zentralen Wärmeerzeuger benötigt, kaum Energieverluste hat, zumal sie mit Strom aus der Steckdose betrieben wird, und kein Wärmeverteilsystem benötigt, da sie Strahlungswärme erzeugt. 

Die Differenz mit dem Faktor 34:1 ist eklatant, was der folgende Vergleich veranschaulicht: Um die Graue Energie und das Erderwärmungspotenzial des Wärmepumpensystems zu neutralisieren, erfordert es achtzehn 80 Jahre alte Buchen, während für die Infrarotheizung eine einzige, nicht einmal 40 Jahre alte Buche reicht. 

Der ökologische Rucksack eines Luft/Wasser-Wärmepumpensystems wiegt also schwer. Es ist keine Frage, dass es diesen im Laufe der Betriebszeit von etwa 15 bis 20 Jahren niemals wettmachen kann - und das bei gleichem Endenergie-Stromverbrauch wie ein Infrarotheizsystem, wie es in dem Forschungsprojekt IR-BAU ermittelt wurde. 

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