KI in Unternehmen: Chancen nutzen, verantwortungsvoll handeln

Die deutsche Wirtschaft treibt den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) weiter voran. Aktuell verwenden 40,9 % der Unternehmen KI in ihren Geschäftsprozessen. Das ist ein deutlicher Anstieg gegenüber dem Vorjahr mit 27 %. Weitere 18,9 % planen in den kommenden Monaten den KI-Start. „KI wird zunehmend zu einem strategischen Thema in den Unternehmen“, sagt Klaus Wohlrabe, Leiter der ifo-Umfragen. „Die Herausforderung besteht darin, sie sinnvoll in bestehende Prozesse zu integrieren.“
Ein Viertel der Firmen im Baugewerbe setzt auf KI
Besonders stark zugenommen hat der Einsatz im Bauhauptgewerbe: Innerhalb von zwei Jahren stieg der Anteil von 7,1 auf 25 %. Im Handel stieg der Einsatz von KI von 10 auf knapp 34 %. Im Verarbeitenden Gewerbe und im Dienstleistungssektor verwenden mittlerweile jeweils über 40 % KI. „Der Wechsel ist spürbar: Statt über KI zu sprechen, setzen viele Firmen sie jetzt aktiv ein“, sagt Wohlrabe.
Beim genauen Blick in die Branchen gibt es deutliche Unterschiede. Unternehmen in der Werbung und Marktforschung verwenden KI besonders oft – inzwischen sind es 84,3 %. Auch die IT-Dienstleister (73,7 %) treiben den Einsatz intelligenter Systeme mit voller Kraft voran. Die Automobilbranche setzt mit 70,4 % ebenfalls stark auf datenbasierte Abläufe in der Produktion. In der Chemischen Industrie und dem Maschinenbau verwendet jeweils etwa jedes zweite Unternehmen Künstliche Intelligenz. Die Gastronomie (31,3 %), die Nahrungsmittel- und Getränkehersteller (rund 21 %) und Textilproduzenten (18,8 %) sind hier noch zurückhaltender.
Je größer, desto öfter KI
Ein klarer Zusammenhang zeigt sich mit der Unternehmensgröße: Während 56 % der Großunternehmen KI nutzen, sind es bei kleinen und mittleren Unternehmen 38 % und bei Kleinstbetrieben nur 31 %. Dennoch ist auch bei kleineren Unternehmen ein zunehmendes Interesse erkennbar – viele befinden sich in der Planungs- oder Diskussionsphase.
Trotz des positiven Trends gibt es Branchen, in denen der Einsatz von Künstlicher Intelligenz vergleichsweise selten diskutiert wird. Im Einzelhandel ist für 22,2 % der Unternehmen KI aktuell kein Thema. Zwar nutzen in der Gastronomie und im Bauhauptgewerbe bereits viele Betriebe KI, doch gleichzeitig ist das für jeweils rund 27 % kein Thema. „Damit bleiben diese Bereiche im Vergleich zu anderen Branchen zurückhaltender, wenn es um eine künftige Strategie für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz geht“, sagt Wohlrabe.
KI in Unternehmen und die damit verbundene Verantwortung
Viel wird darüber gesprochen, wie Künstliche Intelligenz (KI) unsere Lebenswelt und unseren Alltag verändert: Welche Vorteile sie bietet, aber auch, welche Gefahren sie birgt. Erste rechtliche Regelungen hat die Europäische Union im Mai 2024 mit dem AI Act festgelegt. Aber wie steht es eigentlich mit KI in Unternehmen? Die ARAG-Experten konnten Antonia Strohschen, Leiterin des Abteilungsreferats AI Accelerator bei der ARAG SE, für ein Interview gewinnen und Fragen zum Einsatz von KI in Unternehmen und der damit verbundenen Verantwortung stellen.
Warum sollten sich auch Unternehmen mit KI beschäftigen?
Antonia Strohschen: Unternehmen kommen nicht daran vorbei, sich mit KI zu beschäftigen, weil sie in einer immer digitaleren Welt wettbewerbsfähig bleiben müssen. KI hilft beispielsweise, Prozesse zu automatisieren und personalisierte Dienstleistungen anzubieten. Für Versicherungen bedeutet das nicht nur eine Effizienzsteigerung, sondern auch, dass sie ihren Kunden noch schnellere, genauere und passgenauere Lösungen bieten können – und das wird von den Verbrauchern auch zunehmend erwartet.
Wo sehen Sie hier grundsätzliche Herausforderungen für Unternehmen?
Antonia Strohschen: Eine der größten Herausforderungen bei der Implementierung von KI in Unternehmen ist die Integration in bestehende Systeme und die Gewährleistung einer zuverlässigen Datenbasis. Dabei sind der Datenschutz und ethische Fragestellungen elementare Aspekte, vor allem bei der Verarbeitung sensibler Daten. Zudem müssen Mitarbeitende oft erst von der Technologie überzeugt werden, da KI als Bedrohung wahrgenommen werden kann. Dabei ist nicht zu unterschätzen, welchen Einfluss KI auf die Arbeitsweise der Mitarbeitenden hat. Sie müssen alten Gewohnheiten in einem langwierigen Prozess ablegen, um die KI optimal zu nutzen. Ein Aspekt, der zunächst für Unsicherheit und Ablehnung sorgen kann. Für all diese Herausforderungen ist transparente Kommunikation immens wichtig. Denn KI soll uns alle entlasten und deshalb gilt es, alle auf die spannende Reise mitzunehmen. Nicht zuletzt bedarf es einer kontinuierlichen Evaluation und Weiterentwicklung der KI-Systeme, sodass Unternehmen stets am Puls der Zeit bleiben.
Wie reagiert die ARAG darauf?
Antonia Strohschen: Mit einer KI-Strategie, die sich zum Ziel gesetzt hat, im Rechtsmarkt bei der Nutzung von KI die Vorreiterstellung einzunehmen. Bereits 2023 hat sich unser Versicherungskonzern durch die erste KI-Strategie Orientierung gegeben. Seitdem ist die Zahl unserer KI-Projekte und -Ideen rasant gestiegen und wir haben unsere Strategie erweitert. Entsprechend werden wir KI in allen Bereichen unseres Konzerns einsetzen. So wollen wir KI beispielsweise nutzen, um den Zugang zum Recht für unsere Kunden zu verbessern. Wir nutzen KI zum Beispiel, um Anfragen schneller zu bearbeiten, bessere Entscheidungen zu treffen und maßgeschneiderte Lösungen zu entwickeln. Gleichzeitig wollen wir auch unsere Anwälte mit KI unterstützen. Etwa indem umfangreiche Dokumentationen zusammenfasst oder juristische Texte mithilfe der KI erstellt werden. Unser Ziel ist es, die Technologie gezielt dort einzusetzen, wo sie den größten Mehrwert bietet.
Das klingt ja schön und gut, aber was haben Kunden und Verbraucher davon?
Antonia Strohschen: Für unsere Kunden bedeutet das vor allem schnellere Reaktionen und präzisere Lösungen. Dies betrifft sowohl die Produktentwicklung als auch den Kundenservice, der durch intelligente Assistenzsysteme immer nahtloser und effektiver gestaltet wird. KI hilft uns beispielsweise jetzt schon, eingehende Anfragen automatisch zu analysieren und sie direkt an die richtige Stelle weiterzuleiten. Zudem können wir mit KI neue Services und Produkte entwickeln, die noch besser und vor allem auch schneller auf die individuellen Bedürfnisse unserer Kunden zugeschnitten werden können.
Können Sie ein konkretes Beispiel nennen, wie der Einsatz von KI ARAG Kunden geholfen hat, schneller oder einfacher Lösungen zu finden?
Antonia Strohschen: Ja, unseren ARAG Voicebot zum Beispiel, der seit 2021 Teile der Telefon-Kommunikation übernimmt. Kern des Sprachassistenten ist die KI-basierte Erkennung des Anliegens des Anrufenden. Zum Einsatz kommt unsere eigene “Intent-Recognition”, die die Absichten des Nutzers erkennen kann und bei langen Kundenantworten noch durch GPT oder OpenAI ergänzt wird. Der Vorteil auf Kundenseite liegt in der Zeitersparnis: Anliegen werden präziser bearbeitet und können so schneller zum richtigen Ansprechpartner weitergeleitet werden. Eines der Highlights unseres Voicebots ist dessen eigene ARAG-Stimme. Diese wurde KI-basiert mithilfe von einigen Hundert aufgezeichneten Frage-Antwort-Paaren einer „menschlichen Vorlage“ synthetisch erstellt.
Der AI Act rückt den Schutz der Grundrechte aller Menschen in den Fokus. Wie geht die ARAG mit den ethischen Fragestellungen rund um den Einsatz von KI um, insbesondere in Bezug auf Datenschutz und Transparenz gegenüber Kunden und Mitarbeitenden?
Antonia Strohschen: Das Thema Ethik spielt für uns eine zentrale Rolle. Wir wollen sicherstellen, dass der Einsatz von KI immer im besten Interesse unserer Kunden erfolgt. Deshalb setzen wir auf Transparenz: Wir verfolgen einen verantwortungsvollen und transparenten Umgang mit KI, um sicherzustellen, dass deren Einsatz nachvollziehbar ist. Auch unsere Mitarbeitenden werden regelmäßig geschult, um KI verantwortungsvoll und nachhaltig zu nutzen.
Welchen Einfluss wird KI Ihrer Meinung nach in den kommenden Jahren auf die Versicherungsbranche und den Kundenservice haben?
Antonia Strohschen: KI wird die Versicherungsbranche in den kommenden Jahren grundlegend verändern. Kunden werden von schnelleren, präziseren und individuelleren Dienstleistungen profitieren, die weit über den heutigen Standard hinausgehen. Gleichzeitig werden Versicherungsunternehmen durch KI in der Lage sein, Risiken besser einzuschätzen, Prozesse zu optimieren und schneller auf Veränderungen zu reagieren – vor allem auch bei der Produktentwicklung. Wichtig wird es jedoch sein, dass Unternehmen wie die ARAG dabei einen klaren ethischen Rahmen einhalten, insbesondere im Hinblick auf Datenschutz und Transparenz. KI ist ein mächtiges Werkzeug, das bei verantwortungsvollem Einsatz die gesamte Branche und den Kundenservice auf eine neue Ebene heben kann.
Wie die Künstliche Intelligenz unsere Arbeit ganz konkret verändert, erzählt Antonia Strohschen im Podcast ARAG inEar.