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"BIM verändert nicht das Bauen selbst, sondern die Planung!"

Daniel Mund
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Harald Hochstaffl kennt sich bestens mit dem Thema „Building Information Modeling“, der Bauwerksdatenmodellierung, aus.

Tischlermeister Harald Hochstaffl (MSc MBA) ist ein ausgewiesener Kenner der Branche und zugleich „Digitalisierungsexperte“. Er hatte in seiner Karriere stets die Prozessoptimierung und das QM in der Produktionsleitung im Blick. Von 2010 bis 2016 war er CEO eines IT-Dienstleisters in der Bauelementefertigung mit dem Schwerpunkt Digitalisierung und Automatisierung von Geschäfts- und Fertigungsprozessen und zudem verantwortlich für das Stammdatenmanagement des Softwarehauses. Davor betreute er beim österreichischen Baubeschlagshersteller Maco den Beschlagskonfigurator.

Jetzt hat Hochstaffl als geprüfter BIM-Koordinator ein Buch zum Thema BIM als Basis der Auftrags- und Positionsdaten für Bauelemente geschrieben. Wir wollten von ihm unter anderem wissen, ob es sich in Zukunft auszahlt, sich beim Thema BIM weiter wegzuducken.

Sehr geehrter Herr Hochstaffl, welches Ziel hat das Buch? An welche Leser haben Sie gedacht, als Sie das Buch geschrieben haben?

Harald Hochstaffl: Das Buch richtet sich an strategische Entscheider der Fensterbau- und Zulieferindustrie, an der Stelle sind auch die Vertreter der Verbände und Normungsinstitute angesprochen. Ziel ist es, die Rahmenbedingungen einer digitalen Auftragsabwicklung herauszuarbeiten, welche weit über das Digitalisieren von Papier hinausgeht. Dabei liegt nicht nur der Prozess im Fokus, vorrangig sind die Herausforderungen in der digitalen Information und deren eindeutigen Interpretation zu finden.

Deutschland ist sozusagen BIM-Diaspora. Die Marktakteure wehren sich bislang relativ erfolgreich, sich mit dem Thema BIM auseinanderzusetzen. Ist das eine Strategie, die auch für die Zukunft Erfolg verspricht?

Mitnichten, RAL und DIN sind Standards und Regelwerke auf die viele Staaten Bezug genommen haben, Marktakteure verweisen gerne und häufig auf diese Standards. Woran es liegt, dass beim Thema standardisierte Digitalisierung, z. B. von Stammdaten oder technischen Produktinformationen, nur wenig Bewegung zu erkennen ist, muss auch in den Gremien der Verbände gesucht werden. Sicher scheint, dass es noch Themen-­Pusher braucht, die wie Marktakteure über Nationalgrenzen hinaus denken.

Business-Prozesse in der Bauwirtschaft haben sich noch nicht maßgeblich weiterentwickelt bzw. digitalisiert. Was wird sich diesbezüglich in Zukunft ändern?

Um die Jahrtausendwende entstanden Plattformen wie e.Vergabe oder Vergabe.Bayern und ein halbes Dutzend weiterer Marktplätze. Die Bauindustrie ist der Erfinder des Virtuellen-Marktplatzes. Der Kannibalisierungseffekt und die geringe Maschinenlesbarkeit der Daten führten nicht alle Plattformen zum Erfolg. Die Maschinenlesbarkeit der Information ist das wesentliche Element, um den Virtuellen-Marktplätzen neues Leben einzuhauchen. Die Datenstruktur und der Sprachgebrauch des Datensatzes bestimmen die eindeutige Information. Im BIM-Modell kommt die Datenstruktur aus dem IFC und die Information entspricht einem Klassifizierungssystem wie dem bsDD, der STLB-Bau oder einem weiteren der unzähligen Systeme.

Mit welchen Marktverschiebungen ist zu rechnen, wenn die Digitalisierung auch in der Bauwirtschaft angekommen ist?

Die Marktverschiebung wird von mehreren Faktoren getrieben. So zeigen die Marktzahlen, dass zunehmend Sanierungen sowie auch die Errichtung von 1-FH und 2-FH gewerblich umgesetzt werden. Dadurch stehen dem Hersteller und dem Händler immer häufiger gewerbliche Kunden gegenüber. Die Angebotsanfrage und die Auftragserteilung werden als digitaler Datensatz übermittelt, die Bearbeitung muss dabei nicht zwangsläufig vom Händler selbst bearbeitet werden. Zudem werden vermehrt Bauelemente online gekauft. Für Händler und Hersteller wird es immer entscheidender, wo und wie Sie Ihre Kunden ansprechen und wie das Business-Model aussieht. Mit der Plattform-Ökonomie sind die Hürden kleiner und gleichermaßen haben Systemgeber wie Hersteller die Möglichkeit, direkt am Markt sehr breit aufgestellt tätig zu werden.

Wird sich die Art zu bauen ändern müssen, um digitalisierte Prozesse erst zu ermöglichen – Stichwort Vorfertigung und modulares Bauen?

Nicht das Bauen an sich, die Planung verändert sich. BIM verfolgt den Grundsatz gebaut wie geplant (digitaler Zwilling). Damit wird erst mit dem Bau begonnen, wenn alle Details definiert und das Koordinationsmodell kollisionsfrei ist. Darüber hinaus werden Planer und Bauelementehersteller für die Planung näher zusammenrücken und auf Kollaborationsplattformen zusammenarbeiten. Der digitale Zwilling ist die Grundlage für Vorfertigung und modulares Bauen.

Ist die Partizipation an BIM-Prozessen eher ein Thema für Anbieter, die sich mit gewerblichen Nachfragern auseinandersetzen?

Ja, um ein BIM-Modell herzustellen bedarf es einer Autorensoftware und entsprechender Kenntnisse. Diese sind üblicherweise nur von Planern und Architekten zu erwarten.

Kunden verlangen immer mehr nach dem individualisierbaren Bauelement – die Haustür mit der ganz speziellen Füllung, das Fenster mit der ganz speziellen Konfiguration. Wohl dem, der bei so einer Produktionsvielfalt seine Stammdaten im Griff hat, oder?

Ja, dem kann ich nur zustimmen. BIM ist ein methodisches Vorgehensmodell für die Planung und Bauabwicklung und löst keine ­Problem­stellung der Stammdatenanlage. Die Digitalisierung der Stammdaten basierend auf einem Regelwerk (z. B. e@class) würde für Systemgeber und Fensterhersteller einiges verändern.

Wie muss der Datenfluss gestaltet sein, damit Prozesse auf der Basis von Open BIM digitalisiert automatisiert ablaufen?

Um die Frage ausführlich zu beantworten müsste ich zu weit ausholen, den wichtigsten Aspekt möchte ich dennoch erwähnen. Informationen werden nur einmalig erfasst und immer wieder verwendet. Dabei sind die Eindeutigkeit des Datensatzes und die Exaktheit der Sprache entscheidend. Als Beispiel: Das Merkmal Farbe bringt die Merkmalsausprägung RAL 9016. Diese Exaktheit braucht es für jede Eigenschaft, jedes Merkmal und deren Ausprägung.

Informationen zu Bauelementen werden in allen Planungsstadien, in der Errichtungsphase wie auch in der Phase der Nutzung erzeugt. Sind diese Informationen also eh da und müssen jetzt nur noch entsprechend definiert und hinterlegt werden?

Besser könnte ich es nicht ausdrücken. Aktuell gibt der Auftraggeber vor, wie die Informationen zu hinterlegen und welches Klassifizierungssystem dabei zu verwenden ist. Er ist dabei frei in seiner Auswahl. Empfehlenswert wäre die Verständigung auf ein oder zwei Systeme wie das bsDD, dies bietet eine große Bandbreite und ist in vielen Staaten anerkannt.

Welche Vorteile sehen Sie für den Fensterbauer bei der Produktion und bei der Montage, wenn er BIM in allen Facetten implementiert hat?

Hier ist die 1:1 Beziehung zwischen dem geplanten Element und dem gefertigten Element zu nennen. Im digitalen Zwilling sind die individuellen Bedarfe erkennbar und die Fertigung kann automatisiert darauf reagieren. Für den Gebäudebetrieb verwendet der Kunden ein as-built-model, dies ist ergänzt mit den Informationen aus Fertigung und Montage.

Glasbruch? Kein Problem – aus dem Modell habe ich am Schreibtisch alle nötigen Angaben, wie Scheibenaufbau und Größe. Wartungspläne für Brandschutzabschnitte inkl. der Dokumentation oder Alarmanlagen sind mögliche Anwendungen.

Nimmt nicht auch die Vergleichbarkeit drastisch zu, wenn man seine BIM-Daten zur Verfügung stellt?

Auf den bestehenden Produktportalen wird seit vielen Jahren die Vergleichbarkeit hergestellt. Es wird nach Klassen, Eigenschaften und Merkmalen sortiert, der Planer schreibt in der Folge die entsprechenden Produkte aus. BIM hilft an der Stelle allerdings Transparenz herzustellen. Der BIM-Koordinator prüft im Koordinationsmodell so lange gegen die Anforderung und die zu erfüllenden Eigenschaften, bis das Modell ohne Beanstandung ist.

Um einen Marktzugang für alle Hersteller und Händler sicherzustellen, bedarf es eines einheitlichen maschinenlesbaren und parametrierbaren Datenstandards. Wie kann dieser aussehen? Wer bestimmt hier die Regeln?

Für BIM-Modelle gibt es zwei Philosophien, diese sind Closed BIM und Open BIM. Welches Modell zur Anwendung kommt, wird vom Auftraggeber oder Bauherren festgelegt. Die Parametrisierbarkeit kommt in beiden Fällen über die Bereitstellung der Planungsobjekte in die Modelle. Closed BIM bedingt, dass alle Projektbeteiligten auf einer Softwareplattform arbeiten, die Struktur des nativen Datenformates wird vom Softwarehersteller bestimmt. Für Open BIM gilt: Alle Planer und Projektbeteiligten arbeiten in der gewohnten Umgebung. Der BIM-Koordinator organisiert den Austausch auf Basis von IFC in der vereinbarten Version (Aktuell IFC 4). Abgestimmt wird das Format in der buildingSmart, welche weltweit organisiert ist. Viele Regierungen haben sich für Open BIM ausgesprochen, eine Empfehlung der Interessenvertreter ist noch nicht erkennbar.

Mit BIM entstehen neue Plattformen, um Produkte zu präsentieren und zu vermarkten. Können Sie Beispiele benennen?

BIMobject, Plan.One, MagiCAD spezialisiert auf TGA oder build­up, ein Spin-off der ETH Zürich, um nur wenige Beispiele zu nennen. Zurzeit erweitern viele Bauproduktedatenbanken ihre Funktionen, um BIM-Modelle vorzuhalten. Für Verbände und Bauelementehersteller wird es zunehmend entscheidender, sich Digitalstrategien zu überlegen. Es ist nicht nur wichtig zu wissen, wer meine Kunden sind – auch wie diese arbeiten. So kann man auf einigen Plattformen das Produkt konfigurieren, um es im Anschluss ins Planungsmodell zu übernehmen. Weitere Plattformen stellen auf Autorensoftware abgestimmte Planungsmodelle bereit, die Konfiguration erfolgt in der Software.

Herr Hochstaffl, vielen Dank für die Informationen.

Dieses Interview von GLASWELT-Chefredakteur Daniel Mund mit Harald Hochstaffl ist zuerst erschienen in GLASWELT 03/2020.

Begriffsklärungen

BIM

Der Begriff Building Information Modeling beschreibt eine Methode der vernetzten Planung, Ausführung und Bewirtschaftung von Gebäuden und anderen Bauwerken mithilfe von Software.

IFC

Die Abkürzung steht für Industry Foundation Classes und bezeichnet einen primären, weltweiten, offenen Standard für den Datenaustausch in der Bauindustrie. Entwickelt wurde er von buildingSMART, einer Non-Profit-Organisation, die sich um die Standardisierung des Datenaustauschs im Rahmen von Prozessen des Planens, Bauens und Betreibens von Gebäuden und Infrastruktur bemüht.

BsDD

steht für buildingSMART Data Dictionary, ein offenes, internationales Wörterbuch für die Beschreibung von Objekten und ihren Attributen.

STLB-BAU

Das Standardleistungsbuch für das Bauwesen (StLB) dient der rationellen Beschreibung von Bauleistungen und dem Informationsaustausch der am Bau beteiligten Partner.

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