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Koalitionsvertrag: 80% erneuerbarer Strom und 50% klimaneutrale Wärme bis 2030

Jürgen Wendnagel

„Die Ampel steht“ verkündete am 24.11.2021 der wohl künftige Bundeskanzler Olaf Scholz. 177 Seiten umfasst der Koalitionsvertrag mit dem Titel „Mehr Fortschritt wagen - Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit. Psychologisch interessant ist, dass die drei Koalitionäre das Verb „wagen“ benutzt haben. Man könnte dies wie folgt interpretieren: „Wir haben den Mut, ein Projekt anzupacken, das Risiken birgt und dessen Ausgang ungewiss ist.“

Klimaschutz-Sofortprogramm bis Ende 2022

Um das „Wagnis“ Klimaschutz in den Griff zu bekommen, enthält der Koalitionsvertrag verschiedene Leitplanken. Generell will die kommende Bundesregierung die Einhaltung der Klimaziele künftig anhand einer sektorübergreifenden und analog zum Pariser Klimaabkommen mehrjährigen Gesamtrechnung überprüfen. Basis dafür ist das jährliche Monitoring. SPD, Grüne und FDP sehen den Klimaschutz als Querschnittsaufgabe, wobei nach wie vor alle Sektoren ihren Beitrag leisten müssen (Verkehr, Bauen und Wohnen, Stromerzeugung, Industrie und Landwirtschaft). Das bedeutet zunächst, dass künftig das jeweils federführende Ressort seine Gesetzentwürfe auf ihre Klimawirkung und die Vereinbarkeit mit den nationalen Klimaschutzzielen hin prüfen und entsprechend begründen muss, was als „Klimacheck“ bezeichnet wird.

Als zentrale Aufgaben dazu formuliert der Koalitionsvertrag, dass das Klimaschutzgesetz noch im Jahr 2022 konsequent weiterentwickelt wird. Bis Ende 2022 soll ein Klimaschutzsofortprogramm inklusive aller notwendigen Gesetze und Vorhaben vorliegen. Dann wird man genauer absehen können, wo man steht und was noch geleistet werden muss. Dennoch enthält der Koalitionsvertrag einige konkrete Aussagen, Termine und Zahlen. Wir haben nachfolgend die für die Bau- und TGA/SHK-Branche wichtigsten Punkte strukturiert zusammengestellt. Es handelt es sich um wörtliche Zitate, bei denen die Redaktion bestimmte Worte hervorgehoben (gefettet) hat.

Vorab noch zwei Zahlen zum Automobilsektor: mind. 15 Millionen vollelektrische Pkw bis 2030 und ab 2035 Zulassung von nur noch CO2-neutralen Fahrzeugen (gemäß EU-Vorschlägen).

Fachkräfte und Ausbildung im Handwerk

  • Zur Fachkräftesicherung im Handwerk werden wir
  • das Duale System der beruflichen Ausbildung stärken und
  • den Übergang von der Schule in die berufliche Bildung verbessern und
  • im Rahmen eines Ausbildungspakts Ausbildungsbotschafterinnen und -botschafter fördern.
  • Zudem wollen wir die Durchlässigkeit von beruflicher und akademischer Bildung verbessern. Die Ausbildung im Handwerk werden wir gezielt fördern.
  • Zusätzlich wollen wir eine Begabtenförderung in der beruflichen Bildung einführen.
  •  Wir wollen den Zugang zur Meisterausbildung erleichtern, indem wir die Kosten von Meisterkursen und -briefen für die Teilnehmer deutlich senken.
  • Im Ausbildungsmarkt wollen wir Menschen mit Migrationsgeschichte mit einer Förderinitiative stärken.
  • Frauen im Handwerk werden wir stärken.
  • Die Tarifbindung im Handwerk und Mittelstand wollen wir stärken.
  • Wir wollen ehrenamtliche Beteiligungen und die Transparenz im Kammerwesen im Dialog mit den Sozialpartnern stärken.

Mehr und schneller Bauen, Bereich (soziales) Bauen und Wohnen

  • Unser Ziel ist der Bau von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr, davon 100.000 öffentlich geförderte Wohnungen. Dafür werden wir die finanzielle Unterstützung des Bundes für den sozialen Wohnungsbau inklusive sozialer Eigenheimförderung fortführen und die Mittel erhöhen.
  • Wir werden unseren Einsatz für altersgerechtes Wohnen und Barriereabbau verstärken und die Mittel für das KfW Programm auskömmlich aufstocken.
  • Wir werden durch serielles Bauen, Digitalisierung, Entbürokratisierung und Standardisierung die Kosten für den Wohnungsbau senken.
  • Wir wollen die Prozesse der Normung und Standardisierung so anpassen, dass Bauen günstiger wird.
  • Wir wollen modulares und serielles Bauen und Sanieren durch Typengenehmigungen beschleunigen.
  • Wir werden das Baugesetzbuch (BauGB) mit dem Ziel novellieren, seine Instrumente noch effektiver und unkomplizierter anwenden zu können, Klimaschutz und -anpassung, Gemeinwohlorientierung und die Innenentwicklung zu stärken sowie zusätzliche Bauflächen zu mobilisieren und weitere Beschleunigungen der Planungs- und Genehmigungsverfahren vorzunehmen.
  • Wir heben die lineare Abschreibung für den Neubau von Wohnungen von zwei auf drei Prozent an und behalten dabei die unterschiedlichen Effekte auf die verschiedenen Bauherren im Blick. So starten wir die klimagerechte Neubauoffensive.
  • Um das Mieter-Vermieter-Dilemma zu überwinden, prüfen wir einen schnellen Umstieg auf die Teilwarmmiete. Im Zuge dessen wird die Modernisierungsumlage für energetische Maßnahmen in diesem System aufgehen.
  • Wir werden das Wohngeld stärken, eine Klimakomponente einführen und kurzfristig einen einmalig erhöhten Heizkostenzuschuss zahlen.

Klimaschutzmaßnahmen im Gebäudebereich

  • Im Rahmen des Klimaschutzsofortprogramms führen wir 2022 nach dem Auslaufen der Neubauförderung für den KfW-Effizienzhausstandard 55 (EH 55) ein Förderprogramm für den Wohnungsneubau ein, das insbesondere die Treibhausgas-Emissionen (THG-Emissionen) pro m² Wohnfläche fokussiert.
  • Wir ändern das Gebäudeenergiegesetz (GEG) wie folgt:

    -        Zum 1. Januar 2024 werden für wesentliche Ausbauten, Umbauten und Erweiterungen von Bestandsgebäuden im GEG die Standards so angepasst, dass die auszutauschenden Teile dem EH 70 entsprechen.

    -        Zum 1. Januar 2025 soll jede neu eingebaute Heizung auf der Basis von 65 Prozent erneuerbarer Energien betrieben werden.

    -        Zum 1. Januar 2025 werden die Neubau-Standards an den KfW-EH 40 angeglichen.

    Daneben können im Rahmen der Innovationsklausel gleichwertige, dem Ziel der THG-Emissionsreduzierung folgende Maßnahmen eingesetzt werden.
  • Um eine wirtschaftlich effiziente, sozialverträgliche Umsetzung der Klimaschutzziele, insbesondere orientiert an der eingesparten Tonne CO2, sicherzustellen, setzen wir auf passgenaue und technologieoffene Maßnahmen aus Optimierung der Gebäudehülle, der technischen Anlagen zur Erzeugung und Versorgung mit erneuerbarer Energie am Gebäude und Quartierslösungen. Die Förderprogramme werden wir den Zielen und Bedarfen entsprechend weiterentwickeln und umschichten.
  • Alle geeigneten Dachflächen sollen künftig für die Solarenergie genutzt werden. Bei gewerblichen Neubauten soll dies verpflichtend, bei privaten Neubauten soll es die Regel werden. Bürokratische Hürden werden wir abbauen und Wege eröffnen, um private Bauherren finanziell und administrativ nicht zu überfordern. Wir sehen darin auch ein Konjunkturprogramm für Mittelstand und Handwerk.
  • Wir werden die Grundlagen schaffen, den Einsatz grauer Energie sowie die Lebenszykluskosten verstärkt betrachten zu können. Dazu führen wir u. a. einen digitalen Gebäuderessourcenpass ein. So wollen wir auch im Gebäudebereich zu einer Kreislaufwirtschaft kommen.
  • Außerdem werden wir eine nationale Holzbau-, Leichtbau- und Rohstoffsicherungsstrategie auflegen. Innovativen Materialien, Technologien und Start-ups wollen wir den Markteintritt und Zulassungen erleichtern.
  • In den Verhandlungen über das EU-Programm "Fit for 55" unterstützen wir die Vorschläge der EU-Kommission im Gebäudesektor.
  • Wir streben eine breite, systematische Nutzung von Sanierungsfahrplänen an und werden diese z. B. für Wohnungseigentumsgemeinschaften und beim Kauf eines Gebäudes kostenlos machen.
  • Wir werden serielles Sanieren vorantreiben, indem wir das Förderprogramm fortführen und innerhalb des BEG ausweiten. Im Rahmen des Forschungsprogramms "Zukunft Bau" werden wir serielles und modulares Bauen und Sanieren z. B. nach dem niederländischen Energiesprong-Prinzip weiterentwickeln sowie bauplanungs- und bauordnungsrechtliche Hürden identifizieren und beseitigen.
  • Wir verbessern, vereinheitlichen und digitalisieren den Gebäudeenergieausweis. Wir werden die Erstellung eines digitalen Gebäudeenergiekatasters prüfen.

Anmerkung der Redaktion mit Blick auf die die klimaneutrale Wärmeerzeugung: Der Einsatz des Energieträgers Wasserstoff wird nicht auf bestimmte Anwendungsfelder begrenzt. Grüner Wasserstoff soll jedoch „vorrangig“ in Bereichen genutzt werden, wo eine Elektrifizierung mit Blick auf die Treibhausgasneutralität nicht möglich ist (siehe Kapitel zur Wasserstoff-Strategie).

Massiver Ausbau der Erneuerbaren Energien bei Strom und Wärme

  • Wir machen es zu unserer gemeinsamen Mission, den Ausbau der Erneuerbaren Energien drastisch zu beschleunigen und alle Hürden und Hemmnisse aus dem Weg zu räumen.
  • Wir richten unser Erneuerbaren-Ziel auf einen höheren Bruttostrombedarf von 680-750 TWh im Jahr 2030 aus. Davon sollen 80 Prozent aus Erneuerbaren Energien stammen. Entsprechend beschleunigen wir den Netzausbau. Die jährlichen Ausschreibungsmengen passen wir dynamisch an.
  • Wir streben einen sehr hohen Anteil Erneuerbarer Energien bei der Wärme an und wollen bis 2030 50 Prozent der Wärme klimaneutral erzeugen.
  • Wir benötigen einen Instrumentenmix, um den massiven Ausbau zu erreichen: Neben dem EEG werden wir Instrumente für den förderfreien Zubau, wie z. B. langfristige Stromlieferverträge (PPA) und den europaweiten Handel mit Herkunftsnachweisen im Sinne des Klimaschutzes stärken.
  • Den dezentralen Ausbau der Erneuerbaren Energien wollen wir stärken.
  • Wir werden Planungs- und Genehmigungsverfahren erheblich beschleunigen. Die Erneuerbaren Energien liegen im öffentlichen Interesse und dienen der Versorgungssicherheit. Bei der Schutzgüterabwägung setzen wir uns dafür ein, dass es einen zeitlich bis zum Erreichen der Klimaneutralität befristeten Vorrang für Erneuerbare Energien gibt.
  • Unser Ziel für den Ausbau der Photovoltaik (PV) sind ca. 200 GW bis 2030. Dazu beseitigen wir alle Hemmnisse, u. a. werden wir Netzanschlüsse und die Zertifizierung beschleunigen, Vergütungssätze anpassen, die Ausschreibungspflicht für große Dachanlagen und die Deckel prüfen. Auch innovative Solarenergie wie Agri- und Floating-PV werden wir stärken und die Ko-Nutzung ermöglichen.
  • Die Bioenergie in Deutschland soll eine neue Zukunft haben. Dazu werden wir eine nachhaltige Biomasse-Strategie erarbeiten.
  • Wir wollen das Potenzial der Geothermie für die Energieversorgung, u. a. durch Verbesserung der Datenlagen und Prüfung einer Fündigkeitsrisikoversicherung, stärker nutzen.
  • Wir stärken die Bürger-Energie als wichtiges Element für mehr Akzeptanz. Im Rahmen des europarechtlich Möglichen werden wir die Rahmenbedingungen für die Bürger-Energie verbessern (Energy Sharing, Prüfung eines Fonds, der die Risiken absichert) und insgesamt die De-minimis-Regelungen als Beitrag zum Bürokratieabbau ausschöpfen.
  • Wir werden im Rahmen der Novellierung des Steuer-, Abgaben- und Umlagensystems die Förderung von Mieterstrom- und Quartierskonzepten vereinfachen und stärken.
  • Wir werden uns für eine flächendeckende kommunale Wärmeplanung und den Ausbau der Wärmenetze einsetzen.
  • Wir wollen dafür sorgen, dass Kommunen von Windenergieanlagen und größeren Freiflächen-Solaranlagen auf ihrem Gebiet finanziell angemessen profitieren können.

Ausbaustrategien bei der Windenergie

  • Für die Windenergie an Land sollen zwei Prozent der Landesflächen ausgewiesen werden. Die nähere Ausgestaltung des Flächenziels erfolgt im Baugesetzbuch. Wir stärken den Bund-Länder-Kooperationsausschuss.
  • Wir werden noch im ersten Halbjahr 2022 gemeinsam mit Bund, Ländern und Kommunen alle notwendigen Maßnahmen anstoßen, um das gemeinsame Ziel eines beschleunigten Erneuerbaren-Ausbaus und die Bereitstellung der dafür notwendigen Flächen zu organisieren.
  • Wir werden sicherstellen, dass auch in weniger windhöffigen Regionen der Windenergieausbau deutlich vorankommt, damit in ganz Deutschland auch verbrauchsnah Onshore-Windenergie zur Verfügung steht (und Netzengpässe vermieden werden).
  • Wo bereits Windparks stehen, muss es ohne großen Genehmigungsaufwand möglich sein, alte Windenergieanlagen durch neue zu ersetzen. Den Konflikt zwischen Windkraftausbau und Artenschutz wollen wir durch innovative technische Vermeidungsmaßnahmen entschärfen, u. a. durch Antikollisionssysteme. Wir wollen die Abstände zu Drehfunkfeuern und Wetterradaren kurzfristig reduzieren. Bei der Ausweisung von Tiefflugkorridoren soll der Windenergieausbau verstärkt berücksichtigt werden.
  • Die Kapazitäten für Windenergie auf See werden wir auf mindestens 30 GW 2030, 40 GW 2035 und 70 GW 2045 erheblich steigern. Dazu werden wir entsprechende Flächen in der Außenwirtschaftszone sichern. Offshore-Anlagen sollen Priorität gegenüber anderen Nutzungsformen genießen. Auch in der Ko-Nutzung sehen wir eine Möglichkeit für einen besseren Interessenausgleich. Wir treiben europäische Offshore-Kooperationen weiter voran und stärken grenzüberschreitende Projekte in Nord- und Ostsee.
  • Den zusätzlich erzeugten Offshore-Windstrom werden wir beschleunigt, eingriffsminimierend und gebündelt anbinden. Die dafür notwendigen Technologieentscheidungen, beispielsweise zur Rolle hybrider Interkonnektoren, vermaschter Offshore-Netze oder von Multiterminalanbindungen, werden wir umgehend treffen und dabei auch die landseitige Netzintegration im Blick haben.

Kohleausstieg bis 2030 und Ausbau von Gaskraftwerke

  • Zur Einhaltung der Klimaschutzziele ist auch ein beschleunigter Ausstieg aus der Kohleverstromung nötig. Idealerweise gelingt das schon bis 2030. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, das verschärfte 2030-Klimaziel sowie die kommende und von uns unterstützte Verschärfung des EU-Emissionshandels schränken die Spielräume zunehmend ein. Das verlangt den von uns angestrebten massiven Ausbau der Erneuerbaren Energien und die Errichtung moderner Gaskraftwerke, um den im Laufe der nächsten Jahre steigenden Strom- und Energiebedarf zu wettbewerbsfähigen Preisen zu decken. Dafür werden wir den für 2026 im Kohleausstiegsgesetz vorgesehenen Überprüfungsschritt bis spätestens Ende 2022 analog zum Gesetz vornehmen.
  • Die Versorgungssicherheit und den schnellen Ausbau der Erneuerbaren werden wir regelmäßig überprüfen. Dazu werden wir das Monitoring der Versorgungssicherheit mit Strom und Wärme zu einem echten Stresstest weiterentwickeln.
  • Die bis zur Versorgungssicherheit durch Erneuerbare Energien notwendigen Gaskraftwerke sollen zur Nutzung der vorhandenen (Netz-)Infrastrukturen und zur Sicherung von Zukunftsperspektiven auch an bisherigen Kraftwerksstandorten gebaut werden. Sie müssen so gebaut werden, dass sie auf klimaneutrale Gase (H2-ready) umgestellt werden können.
  • Wir beschleunigen den massiven Ausbau der Erneuerbare Energien und die Errichtung moderner Gaskraftwerke, um den im Laufe der nächsten Jahre steigenden Strom- und Energiebedarf zu wettbewerbsfähigen Preisen zu decken. Die bis zur Versorgungssicherheit durch Erneuerbare Energien notwendigen Gaskraftwerke müssen so gebaut werden, dass sie auf klimaneutrale Gase (H2-ready) umgestellt werden können. Erdgas ist für eine Übergangszeit unverzichtbar.
  • Wir werden im Dialog mit den Unternehmen Lösungen suchen, wie wir Betriebsgenehmigungen für Energieinfrastruktur (Kraftwerke oder Gasleitungen) mit fossilen Brennstoffen rechtssicher so erteilen können, dass der Betrieb über das Jahr 2045 hinaus nur mit nicht-fossilen Brennstoffen fortgesetzt werden kann, ohne einen Investitionsstopp, Fehlinvestitionen und Entschädigungsansprüche auszulösen.

Sozial gerechte Energie- und CO2-Preise

  • Um – auch angesichts höherer CO2-Preiskomponenten – für sozial gerechte und für die Wirtschaft wettbewerbsfähige Energiepreise zu sorgen, werden wir die Finanzierung der EEG-Umlage über den Strompreis beenden. Wir werden sie daher zum 1. Januar 2023 in den Haushalt übernehmen. Die Finanzierung übernimmt der EKF, der aus den Einnahmen der Emissionshandelssysteme (BEHG und ETS) und einem Zuschuss aus dem Bundeshaushalt gespeist wird. Der EKF wird in der Lage sein, die Finanzierung der nötigen Klimaschutzmaßnahmen und der EEG-Umlage zu stemmen.
  • Mit der Vollendung des Kohleausstieges werden wir die Förderung der Erneuerbaren Energien auslaufen lassen. Im Rahmen dieser Änderungen werden alle Ausnahmen von EEG-Umlage und Energiesteuern sowie die Kompensationsregelungen überprüft und angepasst. Ziel ist es, Steuerbegünstigungen abzubauen, die sich auf die wirtschaftliche Nutzung von Strom beziehen und dabei die Entlastung durch den Wegfall der EEG-Umlage zu berücksichtigen. Die Unternehmen sollen dadurch insgesamt nicht mehr belastet werden.
  • Wir betrachten Energiepreise und CO2-Preise zusammen. Angesichts des derzeitigen Preisniveaus durch nicht CO2-Preis-getriebene Faktoren halten wir aus sozialen Gründen am bisherigen Brennstoffemissionshandelsgesetz-Preispfad fest. Wir werden einen Vorschlag zur Ausgestaltung der Marktphase nach 2026 machen.
  • Um einen künftigen Preisanstieg zu kompensieren und die Akzeptanz des Marktsystems zu gewährleisten, werden wir einen sozialen Kompensationsmechanismus über die Abschaffung der EEG-Umlage hinaus entwickeln (Klimageld).
  • Wir wollen eine faire Teilung des zusätzlich zu den Heizkosten zu zahlenden CO2-Preises zwischen den Vermietern einerseits und Mieterinnen und Mietern andererseits erreichen. Wir wollen zum 1. Juni 2022 ein Stufenmodell nach Gebäudeenergieklassen einführen, das die Umlage des CO2-Preises nach BEHG regelt. Sollte dies zeitlich nicht gelingen, werden die erhöhten Kosten durch den CO2-Preis ab dem 1. Juni 2022 hälftig zwischen Vermieter und Mieterin bzw. Mieter geteilt.

Europäischer Emissionshandel auch für Wärme und Mobilität

  • Wir wollen den europäischen Emissionshandel und das Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) im Sinne des EU-Programms "Fit for 55" überarbeiten. Wir setzen auf einen steigenden CO2-Preis als wichtiges Instrument, verbunden mit einem starken sozialen Ausgleich und werden dabei insbesondere Menschen mit geringeren Einkommen unterstützen. Was gut ist fürs Klima, wird günstiger – was schlecht ist, teurer.
  • Daher unterstützen wir die Pläne der Europäischen Kommission zur Stärkung des bestehenden Emissionshandels und setzen uns für eine ambitionierte Reform ein. Wir setzen uns insbesondere auf europäischer Ebene für einen ETS-Mindestpreis sowie für die Schaffung eines zweiten Emissionshandels für die Bereiche Wärme und Mobilität (ETS 2) ein. Dabei ist vorzusehen, dass in den jeweiligen EU-Mitgliedstaaten ein sozialer Ausgleich stattfindet. In den 2030er Jahren soll es ein einheitliches EU-Emissionshandelssystem über alle Sektoren geben, das Belastungen nicht einseitig zulasten der Verbraucherinnen und Verbraucher verschiebt.
  • Der Preis im ETS liegt derzeit bei um die 60 Euro/Tonne. Nach allen Prognosen wird er strukturell nicht unter dieses Niveau fallen, sondern eher steigen. Sollte die Entwicklung der nächsten Jahre anders verlaufen und die Europäische Union sich nicht auf einen ETS-Mindestpreis verständigt haben, werden wir über die entsprechenden nationalen Maßnahmen entscheiden (wie z. B. Zertifikatlöschung oder Mindestpreis etc.), damit der CO2-Preis langfristig nicht unter 60 Euro/Tonne fällt.
  • Das Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG), einschließlich der erfassten Brennstoffemissionen in der Industrie (industrielle Prozesswärme), wollen wir auf seine Kompatibilität mit einem möglichen ETS 2 überprüfen und gegebenenfalls so anpassen, dass ein möglichst reibungsloser Übergang gewährleistet ist.

Netze, intelligente Messysteme, Speicher

  • Strom- und Wasserstoffnetze sind das Rückgrat des Energiesystems der Zukunft. Für den massiven Ausbau der Erneuerbaren Energien brauchen wir mehr Tempo und Verbindlichkeit beim Netzausbau auf allen Ebenen.
  • Netzinfrastrukturen wollen wir in Zukunft auf allen politischen Ebenen stärker gemeinsam und vorausschauend planen. Dazu werden wir Bundesnetzagentur und Netzbetreiber umgehend beauftragen, einen über die aktuellen Netzentwicklungsplanungen hinausgehenden Plan für ein Klimaneutralitätsnetz zu berechnen und den Bundesbedarfsplan entsprechend fortschreiben. Besonderes Augenmerk muss bei allen Maßnahmen auf den Stromautobahnen liegen.
  • Im Rahmen des Klimaschutz-Sofortprogramms werden wir weitere Maßnahmen auf den Weg bringen. Wir werden die Planungs- und Genehmigungsverfahren für eine schnellere Planung und Realisierung von Strom- und Wasserstoffnetzen beschleunigen.
  • Wir gewährleisten eine klare Zuordnung der politischen Verantwortung für gute frühzeitige Bürgerbeteiligung beim Netzausbau.
  • Wir legen bis Mitte 2023 eine "Roadmap Systemstabilität" vor.
  • Wir werden die Verteilnetze modernisieren und digitalisieren, u. a. durch eine vorausschauende Planung und mehr Steuerbarkeit.
  • Den Rollout intelligenter Messsysteme als Voraussetzung für Smart Grids werden wir unter Gewährleistung des Datenschutzes und der IT-Sicherheit erheblich beschleunigen.
  • Wir werden Speicher als eigenständige Säule des Energiesystems rechtlich definieren.
  • Deutschland soll zu einem Zentrum für Forschung, Fertigung und Recycling von Batteriezellen werden.

Neues Strommarktdesign

  • Im Zuge des Ausbaus der Erneuerbaren Energien werden wir ein neues Strommarktdesign erarbeiten. Dazu setzen wir gemeinsam als Bundesregierung und Koalitionsfraktionen eine Plattform "Klimaneutrales Stromsystem" ein, die 2022 konkrete Vorschläge macht und Stakeholder aus Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft einbezieht. Dabei bekennen wir uns zu einer weiteren Integration des europäischen Energiebinnenmarktes.
  • Um den zügigen Zubau gesicherter Leistung anzureizen und den Atom- und Kohleausstieg abzusichern, werden wir in diesem Rahmen bestehende Instrumente evaluieren sowie wettbewerbliche und technologieoffene Kapazitätsmechanismen und Flexibilitäten prüfen. Dazu zählen u. a. gesicherte Erneuerbaren-Leistungen, hocheffiziente Gaskraftwerke mit Kraft-Wärme-Kopplung im Rahmen der Weiterentwicklung des entsprechenden Gesetzes, ein Innovationsprogramm, um H2-ready-Gaskraftwerke auch an Kohlekraftwerkstandorten anreizen zu können, Speicher, Energieeffizienzmaßnahmen und Lastmanagement. Wir werden Marktpreise bei der künftigen KWK-Förderung angemessen berücksichtigen.
  • Außerdem bedarf es einer raschen und umfassenden Reform der Finanzierungsarchitektur des Energiesystems. Der Weg muss darin bestehen, Anreize für die sektorübergreifende Nutzung von Erneuerbaren Energien, dezentrale Erzeugungsmodelle sowie die Vermeidung von Treibhausgasemissionen konsequent zu stärken. Wir gewährleisten, dass erneuerbarer Strom wirtschaftlich für die Sektorenkopplung genutzt wird, anstatt die Anlagen wegen Netzengpässen abzuschalten.
  • Wir werden die staatlich induzierten Preisbestandteile im Energiesektor grundlegend reformieren und dabei auf systematische, konsistente, transparente und möglichst verzerrungsfreie Wettbewerbsbedingungen abzielen, Sektorenkopplung ermöglichen und so ein Level-Playing-Field für alle Energieträger und Sektoren schaffen. Dabei spielt der CO2-Preis eine zentrale Rolle.
  • Wir treiben eine Reform der Netzentgelte voran, die die Transparenz stärkt, die Transformation zur Klimaneutralität fördert und die Kosten der Integration der Erneuerbaren Energien fair verteilt.

Nationale und europäische Wasserstoff-Strategie

  • Eine Energieinfrastruktur für erneuerbaren Strom und Wasserstoff ist eine Voraussetzung für die europäische Handlungsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit im 21. Jahrhundert. Wir wollen die Energieversorgung für Deutschland und Europa diversifizieren. Für energiepolitische Projekte auch in Deutschland gilt das europäische Energierecht.
  • Wir wollen den Einsatz von Wasserstoff nicht auf bestimmte Anwendungsfelder begrenzen. Grüner Wasserstoff sollte vorrangig in den Wirtschaftssektoren genutzt werden, in denen es nicht möglich ist, Verfahren und Prozesse durch eine direkte Elektrifizierung auf Treibhausgasneutralität umzustellen.
  • Die Wasserstoffstrategie wird 2022 fortgeschrieben. Ziel ist ein schneller Markthochlauf. Erste Priorität hat die einheimische Erzeugung auf Basis Erneuerbarer Energien. Für einen schnellen Hochlauf und bis zu einer günstigen Versorgung mit grünem Wasserstoff setzen wir auf eine technologieoffene Ausgestaltung der Wasserstoffregulatorik.
  • Wir wollen den Aufbau einer leistungsfähigen Wasserstoffwirtschaft und die dafür notwendige Import- und Transportinfrastruktur möglichst schnell vorantreiben.
  • Wir wollen eine Elektrolysekapazität von rund 10 Gigawatt im Jahr 2030 erreichen. Dies werden wir u. a. durch den Zubau von Offshore-Windenergie sowie europäische und internationale Energiepartnerschaften sicherstellen. Dazu ist ein engagierter Aufbau der notwendigen Infrastruktur erforderlich. Dafür werden wir die notwendigen Rahmenbedingungen einschließlich effizient gestalteter Förderprogramme schaffen und insbesondere auch die europäische Zusammenarbeit in diesem Bereich stärken.
  • Wir werden die novellierte Erneuerbare-Energien-Richtlinie nach Verabschiedung möglichst technologieoffen und ambitioniert umsetzen; dabei schließen wir Atomkraft weiterhin aus.
  • Beim Import von Wasserstoff werden wir die klimapolitischen Auswirkungen beachten und faire Wettbewerbsbedingungen für unsere Wirtschaft sicherstellen.
  • Neben dem Ausbau der Infrastruktur werden wir die Ziele zur Elektrolyseleistung deutlich erhöhen, europäische und internationale Klima- und Energiepartnerschaften für klimaneutralen Wasserstoff und seine Derivate auf Augenhöhe vorantreiben und Quoten für grünen Wasserstoff in der öffentlichen Beschaffung einführen, um Leitmärkte zu schaffen.
  • Wir fördern in Deutschland die Produktion von grünem Wasserstoff. Im Interesse eines zügigen Markthochlaufs fördern wir zukunftsfähige Technologien auch dann, wenn die Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff noch nicht ausreichend sichergestellt ist.
  • Wir werden das IPCEI Wasserstoff zusammen mit den Bundesländern schnell umsetzen und Investitionen in den Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur fördern. Wir wollen Programme wie z. B. H2Global europäisch weiterentwickeln und entsprechend finanziell ausstatten.
  • Wir setzen uns für die Gründung einer Europäischen Union für grünen Wasserstoff ein. Dazu wollen wir das IPCEI Wasserstoff schnell umsetzen und Investitionen in den Aufbau einer Wasserstoffnetzinfrastruktur finanziell fördern. So wollen wir bis 2030 Leitmarkt für Wasserstofftechnologien werden und dafür ein ambitioniertes Update der nationalen Wasserstoffstrategie erarbeiten.
  • Wir setzen uns auf europäischer Ebene für eine einheitliche Zertifizierung von Wasserstoff und seinen Folgeprodukten ein und stärken europäische Importpartnerschaften.
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