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Gutachterfall: Wie Glasschiebetüren völlig verhunzt werden können

Wolf-Dietrich Chmieleck
Abb. 1: Die an die Decke aufgeschraubte Führungsschiene eignet sich laut Hersteller nur für Glasvitrinen.

Das war die Bauaufgabe: Ein Hausbesitzer will eine Nische im Flur zwischen zwei Räumen zu einem Schrank umfunktionieren und beauftragt den Glaser mit der Planung, Lieferung und Montage von zwei Glasschiebetüren. Nach der Fertigstellung und Übergabe stellt der Auftraggeber fest, dass die Glasschiebetüren sich schon bei kleinster Belastung sehr stark durchbiegen. Dies hat wiederum zur Folge, dass die Türen des Öfteren von den unteren Führungsschienen springen.

Die Mängelanzeige des Kunden gegenüber dem Glaser bleibt erfolglos. Der Handwerker behauptet, die Türen seien mangelfrei. Daraufhin verweigert der Hausbesitzer die Bezahlung der Rechnung.

Nun beantragt der Glaser wiederum beim Amtsgericht die Durchführung eines sogenannten „Selbstständigen Beweisverfahrens“. Gemäß Beweisbeschluss des Gerichts soll geklärt werden, ob die Behauptung des Antragstellers stimmt, dass die Schiebetüren mangelfrei und insbesondere stabil seien. Jetzt kommt der Gutachter zum Zug.

Der Ortstermin bringt schnell Klarheit

Beim Ortstermin in der Wohnung des Auftraggebers wurde die zweiflügelige Glasschiebetüranlage, die Ursache der Streitigkeiten, begutachtet. Die Breite der Nische beträgt 186 cm, die Höhe 249 cm.

Dort hatte der Glaser auf dem Boden eine Laufschiene für zwei Rollen aufgeklebt, um der Gefahr einer Beschädigung der im Boden verlegten Fußbodenheizung vorzubeugen. Die Breite der Schiene beträgt 18,5 mm und die Höhe liegt bei 6,5 mm. (Abb. 2). An der Decke (Abb. 1) wurde ein Doppel-U-Profil als Führungsschiene aufgeschraubt. Dieses hatte eine Breite von 25 mm und eine Höhe von 15 mm.

Die beiden Glastüren waren aus 6 mm dickem Einscheibensicherheitsglas (ESG), Typ Master Carre, gefertigt. Zur Vermeidung der Durchsichtigkeit hatte der Glaser noch beide Türen zusätzlich sandgestrahlt (Abb. 4).

Weiter hatte der Handwerker auf die Unterkanten der Glastüren Aluminiumprofile mit integrierten Laufrollen aus Stahl aufgesteckt. Aufgrund der Laufgeräusche hatte er diese Laufrollen später gegen solche mit einer Kunststoffummantelung ausgetauscht (Abb. 3).

Diese ausgetauschten Rollen sind rund 2 mm höher, als die ursprünglich eingesetzten Stahl-Rollen. Der Glaseinstand in der oberen Führungsschiene beträgt lediglich 8 mm.

Falsche Verwendung von Material

Alle die vom Glaser benutzten Beschlagteile stammen aus einem gängigen Glasschiebetürsystem eines bekannten Beschlagherstellers.

Auf Nachfrage des Gutachters erklärt der Beschlaghersteller, dass die hier verwendeten Beschlagteile jedoch lediglich für die Verwendung in Glasvitrinen konzipiert sind, nicht jedoch für große, raumhohe Schiebetüranlagen!

Bei der Planung einer Schiebetüranlage muss der Fachhandwerker davon ausgehen, dass eine Person beim Durchschreiten eines Flures/Laufwegs stürzen und in die Glastüren fallen kann.

Nach Berechnungen des Gutachters würden sich bei Annahme einer entsprechenden Verkehrslast (Anpralllast) von 0,5 kN/lfdm die 6 mm dicken Glastüren etwa 19 cm durchbiegen. In diesem Fall besteht die Gefahr, dass die Türen entweder unten aus den Laufschienen oder oben aus der Führungsschiene herausspringen und in den Flur stürzen.

Die hier eingesetzten Beschläge sind deshalb für eine Verwendung an 250 cm hohen Glasschiebetüren nicht geeignet.

Doch auch das Glas selbst wurde nicht fachgerecht verarbeitet, indem der Glaser die Türen nachträglich sandgestrahlt hat. Das ist im Fall von ESG-Scheiben nicht erlaubt, da hierdurch die Festigkeit und damit ihre Belastbarkeit gemindert werden. Aus den beiden genannten Gründen sind die Schiebetüren deshalb nicht mangelfrei, insbesondere nicht stabil.

Das Fazit des Sachverständigen

Bei der Planung einer Schiebetüranlage reicht es nicht, sich irgendwelche, scheinbar passenden Beschlagkomponenten aus einem Katalog auszusuchen und mit diesen dann eben schnell einmal eine Türanlage zu fertigen. Das wird – wie in diesem Fall – schnell zu einer Bastelarbeit, die dann nicht fachgerecht umgesetzt werden kann.

Wenn ein Glasfachmann solche Systeme selbst umsetzen will, muss er nicht nur die relevanten Regelwerke beachten, er muss eine statische Dimensionierung vornehmen. Das gilt sowohl für die Beschläge, als auch für die Glastüren. Beides war hier nicht ausreichend dimensioniert. Und dass man ESG nicht nachträglich bearbeiten darf, muss jeder Glas-Fachbetrieb wissen.

Der Autor

Dieser Beitrag von Dipl. Ing. Wolf-Dietrich Chmieleck ist zuerst erschienen in der Ausgabe 9/2014 der Zeitschrift Glaswelt. Chmieleck ist öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Glastechnik (http://www.iga-chmieleck.de).

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