Direkt zum Inhalt
Anzeige
Anzeige
Anzeige
haustec.de
Das Fachportal für die Gebäudetechnik
Ad placeholder
Anzeige
haustec.de
Das Fachportal für die Gebäudetechnik
Ad placeholder
Print this page

Heizlast nach DIN EN 12831: Die Lücke zwischen Regelwerk und Realität

Uwe Dankert
Inhalt

Die Regelwerke für die Energiebedarfs- oder Heizlastberechnung werden immer umfangreicher, die Ergebnisse sind immer schwerer nachvollziehbar. Anhand eines Beispiels werden im ersten Teil des Beitrags physikalische Grundlagen erklärt und dargestellt, warum die Heizlastberechnung nach DIN EN 12831 zu überdimensionierten Wärmeerzeugern führt.

Das Beispielgebäude (Baujahr 2011) wird von einer Grundwasserwärmepumpe beheizt.

Die Energiewende im Gebäudebereich stockt. Die Sanierungsrate ist zu gering und erneuerbare Energien für die Bereitstellung von Raumwärme kommen nur schwer in Gang. Das Regelwerk, nach dem der Energiebedarf von Gebäuden zu berechnen ist, wird immer komplexer.

Ohne Spezial-Software ist die Berechnung (fast) nicht mehr zu bewerkstelligen, will man in einer bezahlbaren Zeit zu aussagekräftigen Ergebnissen kommen – die DIN 18599 hat fast tausend Seiten. Den Energiebedarf zu kennen, ist jedoch Voraussetzung für eine sinnvolle Sanierung und bei geförderten Projekten auf jeden Fall erforderlich.

Große Unterschiede zwischen Bedarf und Verbrauch

Neubauten spielen in der Energiebilanz unserer Volkswirtschaft kaum noch eine Rolle, und befasst man sich mit Bestandsgebäuden, fallen die Berechnungsergebnisse vor allem durch deutliche Unterschiede zwischen Bedarf und Verbrauch auf, also zwischen Berechnung nach Regelwerk und Realität. Das macht die Berechnungssystematik nicht gerade überzeugender.

Wäre es nicht an der Zeit, sich mehr auf pragmatische Verfahren mit guter Genauigkeit und Aussagekraft zu stützen?

In vielen Beraterschulungen werden die physikalischen Grundlagen und Zusammenhänge nicht mehr hinreichend erklärt, also auch nicht verinnerlicht. Vielleicht spielt das außerhalb der Physik keine wirklich wichtige Rolle, aber das Verständnis bleibt auf der Strecke, und damit auch das Gefühl für Plausibilität und die notwendige oder hinreichende Genauigkeit von Ergebnissen.

Im Folgenden werden physikalische Fragestellungen und Auswirkungen der Dimensionierung nach DIN EN 12831 näher betrachtet, um das Eis für eine praxisnähere Vorgehensweise zu brechen.

Wärmefluss und Wärmequellen

Es mag banal klingen, ist aber durchaus nicht allen bewusst: Einem Gebäude muss deswegen Wärme zugeführt werden, weil seine Nutzer in den Räumen eine höhere Temperatur erwarten als im Winter außen vorherrscht und niemand im Wintermantel sein Frühstück einnehmen möchte.

Das unbelebte Universum liebt Gleichgewichte, daher sucht die Wärme einen Ausgleich mit der Kälte und fließt – auch durch dicke Wände – nach draußen ab. Diese Wärme ist dann innen zu ersetzen, dafür stehen drei Quellen zur Auswahl:

  • interne Wärmegewinne, die sich durch die Wärmeabgabe von Körpern ergeben, z. B. von Menschen und elektrischen Geräten, deren Oberflächentemperatur höher als die gewünschte Raumtemperatur ist,
  • solare Wärme, die über transparente und zum Teil auch über opake Gebäudebauteile tagsüber von außen eingebracht wird, und
  • Wärme, die ein Energiewandler aus einem extern zugeführten Energieträger erzeugt und in den gewünschten Temperaturbereich wandelt.

Wie groß der Anteil der einzelnen Wärmequellen ist, hängt von der Gebäudehülle ab. In ungedämmten Bestandsgebäuden erfolgt typischerweise 5 bis 10% der Wärmezufuhr durch interne Gewinne, 5 bis 10% durch solare Gewinne und 80 bis 90% durch externe Wärmeträger. Zu dieser Gruppe gehören ungefähr 60% unserer Gebäude.

In Niedrigenergiehäusern liegt dagegen der Anteil der internen und der solaren Gewinne bei jeweils 25% und der Anteil externer Wärmeträger bei 50%. In Passivhäusern decken interne und solare Gewinne jeweils bis zu 40% ab, manchmal sogar mehr, den Rest übernehmen externe Energieträger.

Dieser Rest liegt in vielen Fällen unter 20%, bei größeren Nichtwohngebäuden im Passivhausstandard kann er aber auch 30% betragen.

Abb. 1: Beispielhafte Größenordnung der drei für den Ausgleich von Wärmeverlusten in einem Gebäude möglichen Wärmequellen

Um einem thermodynamischen Gleichgewichtszustand näherzukommen, strömt Wärme immer zum kälteren Bereich. Beim Gebäude ist dieser Wärmefluss QT proportional zur Temperaturdifferenz zwischen warmer und kalter Seite, also im Prinzip zwischen innen und außen. Das gilt auch für den Luftaustausch.

Wird warme Luft im Gebäude durch kalte Außenluft ausgetauscht, muss letztere erwärmt werden. Die dafür notwendige Leistung QL ist ebenfalls proportional zur Temperaturdifferenz zwischen warmer und kalter Luft, also zwischen innen und außen.

QV = QT + QL = (kT + kL) · (tinnen - taußen )

mit

QVWärmestrom vom Gebäude an die Außenluft [kW]

QT Transmissions-Wärmestrom [kW]

QL Wärmestrom durch Luftaustausch [kW]

kT Proportionalitätskonstante für Transmissionsverluste [kW/K]

kL Proportionalitätskonstante für Lüftungsverluste [kW/K]

tinnen Innentemperatur

taußen Außentemperatur

Eigentlich ein ganz einfaches Prinzip, das zu einem in guter Näherung linearen Zusammenhang zwischen der Heizlast QHL, die durch externe Energieträger gedeckt werden muss, und der Temperaturdifferenz führt.

Wird die Heizlast über einen gewissen Zeitraum gemittelt, z.B. über eine Woche oder einen Monat, können die solaren Einstrahlungswerte und Wärmeeinbringungen interner Quellen als im Mittel konstant angenommen werden, auch wenn sie zeitlich schwanken.

QHL = QV - (Qintern + Qsolar )  kHL · (tinnen - taußen )

mit

QHL Heizlast [kW]

Qintern interne Wärmegewinne [kW]

Qsolar solare Wärmegewinne [kW]

kHL Proportionalitätskonstante für die Heizlast [kW/K]

Praxisbeispiel: Außenlufttemperaturen

Mit diesem Wissen und einer wie auch immer ermittelten maximalen Heizlast lassen sich bei einer anzunehmenden niedrigsten Außentemperatur, z.B.  16°C in Südbayern, aus detaillierten Wetterdaten einige Aussagen zum thermischen Steckbrief eines Gebäudes ableiten.

Abb. 2 zeigt dies für ein Bestandsgebäude mit Baujahr vor 2000. In Abb. 2a ist der Temperaturverlauf der Außenluft dargestellt, der im Verlauf des Jahres 2018 in einer Wetterstation auf einer Höhe von 2 m über dem Erdboden gemessen wurde, wobei die üblicherweise erfassten Stundenwerte auf durchschnittliche Tagestemperaturen gemittelt sind.

Liegen die Außentemperaturen unterhalb der Heizgrenztemperatur des Gebäudes, sind die Werte blau, für die übrigen Tage orange. Damit ist auf einen Blick zu erkennen, an welchen Tagen nicht geheizt werden musste – entweder, weil die Außentemperatur über der gewünschten Raumtemperatur lag, oder weil vorhandene interne wie externe Wärmequellen ausreichten.

Die Heizgrenztemperatur hängt von der thermischen Gebäudequalität, dem Lüftungsverhalten und der Rauminnentemperatur ab.

Solche Grafiken sind hübsch anzuschauen, für das Verständnis der Energiebilanz ist aber eine sortierte Darstellung ergiebiger. Deshalb sind in Abb. 2b die Temperaturwerte in aufsteigender Reihenfolge sortiert. Anhand der Farben ist sofort die Heizzeit von 6624 Stunden bzw. 276 Tagen zu erkennen.

Spiegelt man diese Kurve an der x-Achse, verschiebt sie anschließend um den Betrag der Heizgrenztemperatur nach oben und lässt den orange-gefärbten Bereich weg, ergibt sich Abb. 2c. Diese Kurve endet an der x-Achse, die sie bei dem Wert trifft, der die Zahl der Heizgradtage markiert. Mathematisch ist dies eine Transformation der Außentemperatur ta nach

t*a = ( 1) · ta + tHG = tHG - ta für alle ta tHG

mit

t*a transformierte Außentemperatur (entspricht bis auf einen Umrechnungsfaktor der Heizlast)

ta Außentemperatur

tHG Heizgrenztemperatur

Für alle anderen Werte ta > tHG soll t*a = 0 gelten.

Dargestellt wird also eine transformierte Temperatur, die einer Temperaturdifferenz entspricht. Man könnte diese auch zur Temperaturdifferenz ti  ta umrechnen, und das ist die entscheidende Größe, das haben wir oben gesehen, zu der die Heizlast proportional ist.

Abb. 2: Der Verlauf der mittleren täglichen Außentemperaturen (Abb. 2a) ist aus Stundenwerten einer Wetterstation abgeleitet. Die Werte in Blau liegen unterhalb der Heizgrenztemperatur, die Werte in Orange darüber. In Abb. 2b sind die Werte der mittleren Tagestemperaturen aufsteigend sortiert, Abb. 2c zeigt die Jahresdauerlinie der Heizlast.

 

Wir stellen in Abb. 2c also, bis auf eine Proportionalitätskonstante, den jährlichen Verlauf der Heizlast nach der Größe sortiert dar. Solche Jahresdauerlinien sind z. B. aus der Dimensionierung von Heizzentralen für Nahwärmenetze oder Blockheizkraftwerke bekannt.

Um die y-Achse richtig zu skalieren, wird die maximale Heizlast bei 100% festgelegt, und zwar bei der Normaußentemperatur (im Beispiel  16°C). Für ein reales Jahr startet die Jahresdauerlinie bei der höchsten Heizlast, die im betrachteten Jahr aufgetreten ist, also bei der Heizlast des Tages mit der niedrigsten aus den Stundenwerten gemittelten Tagestemperatur.

In Abb. 1c sind das 87% der maximalen Heizlast (= 100%). Bei der Heizgrenztemperatur (bzw. bei t*a = 0°C) erreicht die Heizlast definitionsgemäß 0%.

Diese Zusammenhänge gelten für Bestandsgebäude ebenso wie für Niedrigenergie- und Passivhäuser. Sie spiegeln die physikalischen Gegebenheiten bei real gemessenen Außentemperaturen (und einer angenommenen Heizgrenztemperatur!) wider.

Die Individualität der Gebäude kommt – zusätzlich zur Heizgrenztemperatur – erst dann ins Spiel, wenn wir von relativen Werten der Heizlast (d. h. vom oben beschriebenen Verhältnis zwischen der Heizlast bestimmter Tage und der Normheizlast) zu absoluten Werten wechseln, also zur Angabe der Heizlast in kW. Hier unterscheiden sich die einzelnen Gebäudetypen erheblich.

Die Kurven für ein gutes Passivhaus mit 10°C Heizgrenztemperatur (Abb. 3) zeigen Auswirkungen der besseren Dämmung. Die Zahl der Tage, an denen geheizt werden muss, ist um mehr als ein Drittel geringer, zudem ist die mittlere Außenlufttemperatur während der Heizzeit niedriger. Statt 7,1°C (Beispiel des Bestandsgebäudes) beträgt sie hier nur 2,7°C.

Wie in Abb. 2 sind nur relative Heizlasten dargestellt. Natürlich muss berücksichtigt werden, dass das Passivhaus eine geringere absolute Heizlast benötigt als ein Bestandsgebäude aus Vor-EnEV-Zeiten. Beträgt die Heizlast dort beispielsweise 20kW bei einer Normaußentemperatur von  16°C, könnte ein Passivhaus bei gleichen (absoluten) internen wie solaren Gewinnen mit 0,56kW auskommen.

Wichtig ist dabei, wie diese Heizlast ermittelt worden ist.

Abb. 3:  Im Prinzip geben diese Diagramme die gleichen Kurven wie in Abb. 2 wieder, allerdings für ein Gebäude mit einer Heizgrenztemperatur von 10 °C, wie sie gute Passivhäuser haben sollten. Der Vergleich zwischen Abb. 2 und 3 zeigt deutlich den Zusammenhang zwischen thermischer Gebäudequalität und Heizgrenztemperatur.

 

Die Heizlast nach DIN EN 12831

Brauchbar werden die in Abb. 2 und 3 dargestellten Wetteranalyseergebnisse erst, wenn die maximale Heizlast bekannt ist. Dann lässt sich der Wärmebedarf für das entsprechende Jahr leicht ausrechnen. In obigem Beispiel für ein Bestandsgebäude beträgt er 0,35 · 20 kW · 6624 h/a = 46 400 kWh/a.

Dies ist der „reale Normwärmebedarf“: real, weil er auf gemessenen Außentemperaturdaten eines Jahres (2018) beruht, Normwärmebedarf, weil er interne und solare Gewinne nicht berücksichtigt. Bei Bestandsgebäuden sind deren Anteile im Verhältnis zur extern zugeführten Wärme klein, deshalb ist es in diesem Fall nicht weiter tragisch, dass sie vernachlässigt werden.

Passivhäuser „leben“ aber wesentlich von solchen Gewinnen, aktiv wird keine oder nur wenig Wärme gewandelt. Real würde man für das Passivhaus folgenden Wärmeverbrauch erwarten: 0,34 · 0,56 kW · 4032 h/a = 770 kWh/a

In der Norm-Heizlastberechnung werden die Gewinne ebenfalls nicht berücksichtigt.

Für Neubauten schreibt die EnEV eine Heizlastberechnung nach den Regeln der DIN EN 12831 vor. Diese Vorgehensweise ist hier nicht im Detail dargestellt, einige Besonderheiten werden jedoch hervorgehoben:

Zum einen ist die Durchführung zwar nicht kompliziert, aber aufwendig. Für jedes Bauteil (Außenwände, Bodenplatte, Dach, Fenster, Türen) müssen die Abmessungen und ein U-Wert ermittelt werden. Bei Neubauten ist das kein prinzipielles Problem, im Bestand dagegen schon.

Die gewünschten Innentemperaturen in den verschiedenen Räumen müssen ebenfalls festgelegt werden, sodass der Wärmefluss bzgl. Transmissions- und Lüftungsverlusten berechnet werden kann. Sämtliche Wärmeverluste sind zu addieren und an manchen Stellen mit Korrekturfaktoren zu versehen, um eine Normheizlast zu ermitteln.

Als Beispiel, wie ein Ergebnis aussehen könnte, enthält Abb. 4 eine DIN-12831-Bewertung für ein Nichtwohngebäude Baujahr 2011 in Oberbayern.

Die Wärmetransmissionskoeffizienten des Gebäudes (Abb. 5, zweite Spalte) entsprechen den Referenzwerten für ein Nichtwohngebäude nach EnEV 2014 (Abb. 5, dritte Spalte).

Aus der Normberechnung leitet sich das in Abb. 6 dargestellte Energieflussdiagramm ab.

Interne oder solare Gewinne werden bei der Berechnung überhaupt nicht berücksichtigt, was gerade für Niedrigenergiegebäude und Passivhäuser ziemlich ungenau ist und in eine unschöne rechnerische Überdimensionierung des Wärmesystems ausartet.

Dies führt dazu, dass überdimensionierte Heizanlagen geplant und installiert werden, die im realen Betrieb fast nur im Teillastbetrieb und damit unter Umständen ineffizient laufen. Dem Planer kann das egal sein, die Kosten tragen ja die Kunden, von denen die wenigsten das Ganze beurteilen können.

Bei alten, ineffizienten Kesseln haben Überdimensionierungen einen äußerst ineffizienten Regelbetrieb zur Folge, während moderne Brennwertkessel auch unter Teillast hohe Wirkungsgrade erzielen (Abb. 7).

Deshalb kann ihr Jahresnutzungsgrad gute Werte erreichen, obwohl der Kessel in 99% der Heizstunden bei 20% Auslastung oder weniger vor sich hin döst. Der Gebäudebesitzer hat halt zu viel Geld für einen Kessel bezahlt, der das Nachbargebäude mitheizen könnte.

Bei Wärmepumpen, die sehr genau zu projektieren sind, sieht das anders aus. Wenn hier die Dimensionierung nicht zum Bedarf passt, läuft das System später mit niedriger Jahresarbeitszahl und das ist nicht nur unschön, sondern auch teuer.

Das Problem der Wärmepumpen mit Jahresarbeitszahlen unter drei ist durchaus bekannt und führt zu Aufrufen, die Energiewende im Gebäudebereich nicht ausschließlich auf strombasierte Wärmepumpen abzustützen [1].

Ausblick

Im zweiten Teil des Beitrags "Den Verbrauch analysieren" wird erläutert, wie solare Wärmegewinne mit vertretbarem Aufwand und ausreichender Genauigkeit berechnet werden können, und warum es sich lohnt, die Normlastberechnung einer Energieanalyse aus dem Verbrauch gegenüberzustellen.

[1] Auer, Eicke-Hennig, Neumann, Purper: Wärmepumpen-Manifest.

Dieser Artikel von Uwe Dankert ist zuerst erschienen in Gebaeude Energie Berater Ausgabe: 10-2019. Uwe Dankert ist Geschäftsführer von udEEE Consulting GmbH, Haar bei München. Das Unternehmen führt Energieaudits und Energieanalysen für Unternehmen durch, analysiert, bewertet und erstellt zudem Energiekonzepte vorwiegend  für Nicht-Wohngebäude.

Mehr zu diesem Thema
Anzeige
haustec.de
Das Fachportal für die Gebäudetechnik
Ad placeholder