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Kältemittel und F-Gase Phase down: Diese Entwicklungen beschäftigen die Branche

Christoph Brauneis

In der TGA-Branche werden die meisten Entscheidungen für oder gegen eine Technik relativ emotionslos getroffen. Man bewertet Fakten, definiert Anforderungen, betrachtet Investitions- und Betriebskosten und legt sich dann auf ein technisches Konzept fest. Wenn es um das Thema Kältemittel geht, sieht das oft anders aus. Dann treten bisweilen die Sachargumente in den Hintergrund und es wird ideologisch argumentiert. Dann gibt es die guten und die schlechten – sprich natürliche und fluorierte – Kältemittel. Es wäre zielführend, wenn man sich auch beim Thema Kältemittel an die Fakten halten und nicht aus politischem Kalkül heraus agieren würde. Doch welche Kältemittelthemen beschäftigen aktuell die Branche?

Die EU F-Gase VO 517/2014 (F-Gase-Verordnung) muss an dieser Stelle sicher nicht mehr vorgestellt werden. Alle, die beruflich mit Kälte-, Klima- und Wärmepumpenanlagen zu tun haben, werden sich mit dieser seit 2015 gültigen Verordnung beschäftigt haben. Zentraler Baustein der Verordnung ist das sogenannte Phase-down – also die schrittweise Reduzierung der in der EU verfügbaren Kältemittelmenge. Hierbei wird der GWP-Wert (Global Warming Potential = Treibhauseffekt) eines Kältemittels – umgerechnet in CO2-Äquivalente – berücksichtigt. Je höher der GWP-Wert ist, umso mehr belastet das Kältemittel das Klima (sofern es in die Atmosphäre entweicht) und damit auch die zur Verfügung stehende jährliche Kältemittelquote. Aber das sollte allen bekannt sein. Hersteller, Betreiber und Handwerk haben sich auf diese Quotierung der Kältemittel eingestellt, ihre Produktions- und Investitionspläne darauf abgestimmt und sie befürworten genau wie die Verbände der Kälte-/Klimabranche diesen wichtigsten Grundpfeiler der F-Gase-Verordnung.

Novellierung der F-Gase-Verordnung

Jetzt schwebt das Damoklesschwert der Novellierung der F-Gase-Verordnung über der Branche. Seit April 2022 ist der Entwurf der EU-Kommission bekannt, Vorschläge der relevanten Ausschüsse des EU-Parlaments sind in der Diskussion und auch der Europäische Rat hat sich zur Novellierung geäußert. Sowohl Hersteller- als auch Handwerksverbände wie der Verband Deutscher Kälte-Klima-Fachbetriebe (VDKF) und die Landesinnung Hessen-Thüringen/Baden-Württemberg (LIK) haben den Entwurf kritisch kommentiert und auf die drastischen Auswirkungen für Betreiber, Hersteller, Handwerk sowie die Wirtschaft und den Klimaschutz hingewiesen, die sich durch eine Verschärfung der F-Gase-Verordnung ergeben würden.

Doch was kommt auf das Handwerk und die Betreiber von Kälte- und Klimaanlagen zu und warum wehren sich Verbände gegen die Novellierung? Die geplanten Verschärfungen der F-Gase-Verordnung hätten deutliche Auswirkungen auf die zur Verfügung stehende Menge an HFKW-Kältemitteln. In der Novellierung ist nämlich vorgesehen, dass der Phase-down deutlich beschleunigt und für weitere Anwendungen ein Verwendungsverbot eingeführt wird. Von 2024-26 stünden statt 31 % nur noch 23,6 % der F-Gase zur Verfügung (100 % sind die Mengen im EU-Markt vor der Einführung der F-Gase-VO 2014, umgerechnet in CO2-Äquivalente), 2027-29 statt 24 % noch 10 % und 2030-32 statt 21 % nur noch magere 5,1%. In wenigen Jahren hätten wir also eine Kälte- und Klima-Welt, in der praktisch nur noch natürliche Kältemittel verwendet werden könnten, weil HFKW-Kältemittel kaum noch verfügbar wären.

Einsatz natürlicher Kältemittel nicht immer sinnvoll

An dieser Stelle muss deutlich festgestellt werden, dass VDKF und LIK keine einseitigen Befürworter des Einsatzes fluorierter Kältemittel sind. Die stärkere Verwendung von Systemen mit natürlichen Kältemitteln ist aus Umweltschutzgründen ein Gebot der Stunde; aber auch deshalb, weil die Menge an F-Gasen (bzw. an CO2-Äquivalenten) aufgrund der beschriebenen Quotierung kontinuierlich abnehmen wird und diese durch alternative Kältemittel ersetzt werden müssen. Genauso wichtig ist der weitestgehende Verzicht auf Kältemittel mit hohem GWP, die intensivere Wiederaufbereitung gebrauchter Kältemittel und die Vermeidung von Leckagen. Es gibt eine Fülle von energieeffizienten Kälte- und Klimasystemen bzw. -anwendungen, die auf Basis natürlicher Kältemittel wie Ammoniak, Propan, Kohlendioxid oder Wasser funktionieren.

Der Einsatz der genannten Kältemittel ist jedoch nicht in allen Fällen sinnvoll oder möglich. Ein universell einsetzbares Kältemittel, das ausschließlich positive Eigenschaften hat, also ohne Treibhauseffekt, weder brennbar noch toxisch, dabei energieeffizient und sicher handhabbar, einsetzbar für alle Temperaturbereiche – das wird es nie geben. Man wird immer positive und negative Aspekte finden und Kompromisse eingehen müssen. Und deshalb benötigen wir auf absehbare Zeit noch die Option, fluorierte Kältemittel einsetzen zu dürfen – und zwar in größeren Mengen und für einen längeren Zeitraum, als es derzeit in Brüssel geplant ist.

Die folgenden Anmerkungen sollen diese Forderung untermauern:

  • Eine Entscheidung für den vollständigen Ausstieg aus der Verwendung fluorierter Kältemittel hieße, dass nur noch Kälte-, Klima- und Wärmepumpensysteme mit natürlichen Kältemitteln zum Einsatz kommen könnten. Nicht für alle, aber für manche Anwendungsbereiche würde dies dazu führen, dass weniger effiziente Systeme zum Einsatz kommen müssten. Der stärkere indirekte Treibhauseffekt durch einen erhöhten Energieverbrauch dieser Anlagen würde jedoch dem seitens der EU-Kommission als Leitbild verfolgten „Efficiency first“-Prinzip widersprechen. Bei der Bewertung von Kältesystemen darf nicht nur auf den direkten Treibhauseffekt des Kältemittels geachtet werden, der indirekte – durch den zum Betrieb erforderlichen Energieverbrauch – muss gleichermaßen bewertet werden. Eine Lebenszyklusbetrachtung, die alle Anteile inkl. Ressourcenverbrauch berücksichtigt, ist hier aussagekräftiger, als nur den Fokus auf GWP-Werte der Kältemittel zu legen.
  • Etwa 95 % der ca. 3,5 Mio. Kälte-, Klima- und Wärmepumpenanlagen im Bestand in Deutschland verwenden fluorierte Kältemittel und sie lassen sich in den meisten Fällen nicht auf natürliche Kältemittel umrüsten. Im Fall einer Leckage an einer Anlage mit fluoriertem Kältemittel wäre künftig u.U. kein Kältemittel verfügbar, um die Anlagen zeitnah wieder in Betrieb zu nehmen. Was dies für den zwingend erforderlichen Betrieb von Kälte-, Klima- und Wärmepumpenanlagen bei systemrelevanten Anwendungen bedeuten würde, liegt auf der Hand: Stillstand mit fatalen Konsequenzen. Die Abwärme in Rechenzentren könnte nicht mehr abgeführt werden, Operationen in Krankenhäusern müssten verschoben werden, Klimaanlagen in Hotels, Alten- und Pflegeheimen müssten während einer Hitzewelle genauso ihren Betrieb einstellen wie Wärmepumpen im Winter. Für Betreiber, die auf der sicheren Seite sein wollen, bleibt nur der Komplettaustausch einer funktionierenden Anlage als Option – was mit hohen Investitionen verbunden ist und jeglichem Nachhaltigkeitsgedanken widerspricht.
  • Betreiber müssen heute Investitionsentscheidungen für Kälte-, Klima- und Wärmepumpenanlagen treffen, die über das Jahr 2030 im Einsatz sein werden. Wenn hinter der langfristigen Verfügbarkeit von F-Gasen ein Fragezeichen steht, könnte dies dazu führen, dass Entscheidungen für dringend erforderliche Sanierungen ineffizienter Anlagen vertagt werden, bis für die Betreiber Planungssicherheit besteht. Die im Rahmen des „Green Deals“ der EU-Kommission geforderte Renovierungswelle (Renovation Wave) würde dadurch sicherlich an Fahrt verlieren.
  • Die natürlichen Alternativen zu halogenierten Kältemitteln wie Propan, Ammoniak oder Kohlendioxid sind teils brennbar, toxisch oder haben eine erstickende Wirkung. Ihr Umgang erfordert daher besondere Vorsichtsmaßnahmen bei Installation und Betrieb sowie entsprechende Fachkenntnisse seitens der ausführenden Betriebe. Dieses Fach-Know-how steht – auch vor dem Hintergrund des in der Branche existierenden Fachkräftemangels – aktuell (noch) nicht im ausreichenden Maße zur Verfügung und stellt die Branche vor Herausforderungen. Obwohl die Fachschulen seit Jahren sowohl in der Gesellen- als auch in der Meisterausbildung den Umgang mit natürlichen Kältemitteln vermitteln und auch die Weiterbildungsmaßnahmen für Mitarbeiter der Kälte-Klima-Fachbetriebe intensiv genutzt werden und meist ausgebucht sind, fehlt zahlreichen Fachbetrieben noch das erforderliche Know-how. Hier ist mehr Zeit erforderlich, um alle Akteure der Branche zu schulen.
  • Wenn über den Umwelteinfluss von fluorierten Kältemitteln diskutiert wird, wird oft ihr hoher direkter Treibhausgaseffekt angeprangert. Dieser ist ohne Zweifel höher als bei natürlichen Kältemitteln. Aber er wird nur wirksam, wenn das Kältemittel auch in die Atmosphäre entweicht, was bei ordnungsgemäßem Betrieb nicht bzw. nur zu einem kleinen Teil geschieht. Eine Umweltbelastung entsteht nur durch die Leckagemengen, nicht durch die Gesamtfüllmenge. Der VDKF hat über seine Branchensoftware VDLF-LEC mehr als 200.000 Kälte- und Klimaanlagen im Monitoring und die Software weist für 2022 eine durchschnittliche Leckagerate von lediglich 1,3 % aus.  
  • Der Plan der Bundesregierung, in Deutschland ab 2024 jährlich 500.000 neue Wärmepumpen zu installieren, wäre bei einer Verschärfung der F-Gase-Verordnung nicht umsetzbar. Nur mit Propananlagen ist der Wärmepumpenmarkt nicht in der gewünschten Größenordnung zu erschließen. Vernachlässigen darf man in diesem Zusammenhang auch nicht die hunderttausenden von Wärmepumpen im Bestand, von denen nur ein kleiner Bruchteil natürliche Kältemittel verwendet und für die der Service für die gesamte Lebensdauer der Anlage gewährleistet sein muss.
  • In der internationalen Studie „Lancet Countdown“ wird eindringlich vor einer weiteren Zunahme von hitzebedingten Gesundheitsschäden und Todesfällen gewarnt. Deutschland wird dabei in der Studie als ein Hotspot (im wahrsten Sinne des Wortes) beschrieben. Durch den Klimawandel und die damit verbundenen längeren und heißeren Hitzeperioden wird es immer wichtiger werden, gerade die vulnerablen Bevölkerungsgruppen zu schützen. „Die gesundheitlichen Risiken werden dabei durch das Fehlen von ausreichenden Kühlmechanismen weiter erhöht“, heißt es in der Studie. Klimaanlagen sind nicht ausschließlich ein Komfortthema, auf die man aus Umweltschutzgründen ggf. verzichten könnte, sondern sie schützen Leib und Leben. Wer ihren Einsatz erschwert oder unmöglich macht, weil ihr Betriebsmittel – sprich das fluorierte Kältemittel – verboten wird, nimmt die hitzebedingten Gesundheitsrisiken billigend in Kauf. Komfortklimageräte mit dem natürlichen Kältemittel Propan sind bislang kaum verfügbar; eine Umrüstung von Bestandsanlagen auf wasserführende Systeme ist ohne Komplettaustausch und aufwendige bauliche Maßnahmen nicht möglich.

Illegaler Kältemittelhandel

Die Quotierung der Kältemittel in der EU durch die F-Gase-Verordnung hat dazu geführt, dass sich ein Schwarzmarkt für Kältemittel entwickelt hat. Händler umgehen dabei das Quotensystem durch illegale Importe – und zwar in beachtlichem Ausmaß. Nach Schätzungen des EFCTC (European Fluorocarbons Technical Committee) wurden 2019 fluorierte Kältemittel mit einem CO2-Äquivalent von bis zu 31 Mio. t illegal in die EU importiert – das entspricht etwa einem Drittel der zulässigen Quote. Die Zahlen dürften in den Folgejahren ähnlich aussehen und können nur geschätzt werden, was auf der Hand liegt, da die illegalen Händler verständlicherweise unter dem Radar der Behörden agieren – aber die Größenordnung wird in etwa stimmen und dies ist alarmierend. Der illegale Handel schadet nämlich der legalen Wirtschaft, stärkt die organisierte Kriminalität und untergräbt die Klimapolitik der EU. Eine weitere Verknappung von F-Gasen würde den illegalen Handel für Kriminelle sicher noch attraktiver machen.

Zumindest in diesem Zusammenhang darf man auf die Revision der F-Gase-Verordnung hoffen, denn die EU-Kommission will durch entsprechende Maßnahmen den illegalen Kältemittelhandel erschweren. Eine konsequente Durchsetzung der bestehenden Gesetzgebung, der intensivere Austausch der Behörden in den EU-Mitgliedsstaaten untereinander und eine bessere Ausstattung der Zollbehörden mit den richtigen Instrumenten und Informationen sind weitere Aspekte im Kampf gegen den Kältemittelschmuggel, die berücksichtigt werden sollten.

Der illegale Handel wird in Deutschland übrigens bereits seit August 2021 durch eine Novelle des Chemikaliengesetzes deutlich erschwert. Jeder Käufer von fluorierten Kältemitteln soll überprüfen können, ob es sich bei der Ware um einen legalen Import in die EU handelt. Alle, die hierzulande Kältemittel verkaufen, müssen dem Käufer entsprechende Dokumente zur Verfügung stellen, dass es sich um legale Ware handelt – egal an welcher Stelle der Wertschöpfungskette sich der Käufer befindet. Wer sich auf illegalem Weg Kältemittel beschaffen möchte, kann dies zwar weiter tun. Ein Weiterkauf an einen Endkunden könnte aber dann daran scheitern, dass man nicht die entsprechenden Dokumente vorweisen kann.

PFAS bzw. TFA

Last but not least gibt es weiteres Kältemittelthema, das die Kälte- und Klimabranche beschäftigt: PFAS. PFAS sind per- und polyfluorierte Stoffe, für die auf EU-Ebene ein Beschränkungsverfahren innerhalb der REACH-Verordnung (Europäische Chemikalienverordnung zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe) angestrebt wird. Diese Stoffe sind deshalb in den Fokus der REACH-Verordnung gelangt, weil durch ihre photochemische Zersetzung als atmosphärisches Abbauprodukt Trifluoressigsäure (TFA) bzw. Trifluoracetat identifiziert wurde. TFA ist nicht toxisch, reichert sich aber im Erdreich und in Gewässern an und gilt somit als persistent. Aufgrund der Definition von PFAS fallen viele fluorierte Kältemittel darunter.

Dazu gehören auch HFO-Kältemittel mit niedrigem GWP wie R1234yf – das Standardkältemittel für Autoklimaanlagen – und R1234ze. Beide werden häufig als Komponenten in einer Reihe von Kältemitteln mit niedrigerem GWP verwendet und kommen als Kältemittel in Kältemaschinen der neuesten Generation zum Einsatz. Neben der Novellierung der F-Gase-Verordnung könnte also auch durch die REACH-Verordnung der Einsatz von fluorierten Kältemitteln künftig erschwert bzw. unmöglich werden.

Christoph Brauneis ist Beauftragter für Politik & Medien bei dem Verband Deutscher Kälte-Klima-Fachbetriebe in Bonn.

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