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Pleite oder Sanierung: Das ändert sich 2021 bei Insolvenzverfahren

Dörte Neitzel

Als der Zahlungsdienstleister Wirecard am 25. Juni 2020 Insolvenz anmeldete, staunten Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesfinanzminister Olaf Scholz nicht schlecht. Hatten sie doch alles getan, um dem einstigen DAX-Star in der Volksrepublik China die Türen zu politischen Entscheidungsträgern zu öffnen. Nun sollten dessen Vorstände des Betrugs, der Bilanzfälschung und Marktmanipulation schuldig sein? Das wirft ihnen zumindest die Staatsanwaltschaft München vor.

Die Wirecard-Bazis bekamen jedoch nicht nur die Unterstützung der Bundesregierung. Weil der Insolvenzverwalter die ehemalige Produktvorständin Susanne Steidl braucht, um den Skandal abzuwickeln, ließ er sie sogar noch einen Beratervertrag bei Wirecard unterschreiben. Das berichtet ZEIT online. Dass die Staatsanwaltschaft Steidl Untreue zur Last legt, scheint dabei nicht zu stören.

Corona lässt Zahl der Firmenpleiten 2020 um bis zu 20 Prozent steigen

Von solch einer Vorzugsbehandlung können selbständige Handwerker nur träumen, wenn sie den Gang zum Insolvenzgericht antreten müssen. Dazu könnten im Zuge der Corona-Pandemie in den kommenden Monaten immer mehr Kleinunternehmer gezwungen sein.

Wie das Statistische Bundesamt meldet ist die Zahl der offenen Forderungen aus Firmenpleiten bereits im ersten Halbjahr 2020 gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres um 64 Prozent auf 16,7 Milliarden Euro gestiegen.

Die Wirtschaftsauskunftei Creditreform rechnet bis Ende des Jahres mit rund 125.000 Insolvenzen. Das sind 20 Prozent mehr Fälle als 2019.

Staatsanwaltschaft prüft jede Insolvenzakte

Jede einzelne Insolvenzakte wird dabei in der Regel auch dem Staatsanwalt vorgelegt. Dieser prüft, ob die Insolvenz rechtzeitig und gerechtfertigt beantragt wurde und ob sich der Antragsteller einer in den Paragrafen 283 bis 283c des Strafgesetzbuches (StGB) geregelten Insolvenzstraftat wie Bankrott oder einer Verletzung seiner Buchführungspflichten schuldig gemacht hat.

Wer wegen eines derartigen Delikts verurteilt wird, muss nicht nur mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren rechnen. Ihm wird auch die Befreiung von der Restschuld verweigert, die Paragraf 286 der Insolvenzordnung (InsO) einräumt. Ein unternehmerischer Neuanfang ist dann so gut wie ausgeschlossen.

Sanierung ohne Insolvenzverfahren ab 2021

Ein solcher unternehmerischer Neuanfang soll ab dem 1. Januar 2021 jetzt ohne Insolvenzverfahren möglich werden. Zumindest für solche Unternehmen, die durch die Coronakrise in Not geraten sind. Dafür soll der Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen (SRR) sorgen. Im Kern gesunde Unternehmen sollen nicht vorschnell in die Insolvenz rutschen.

"Unternehmen, die eine Mehrheit ihrer Gläubiger mit einem soliden Plan von ihrer Sanierungsperspektive überzeugen, können ihr Sanierungskonzept künftig auch ohne Insolvenzverfahren umsetzen", erläutert Bundesjustizministerin Christine Lambrecht.

Vor allem Unternehmen, die über ein überzeugendes Geschäftsmodell verfügten, könnten von den Neuerungen profitieren. Der SRR bietet Krisen-Unternehmen erstmals einen gesetzlich geschützten Rahmen, in dem sie sich ohne ein Insolvenzverfahren nachhaltig restrukturieren können. 

Will ein Unternehmen den SRR nutzen, muss die Geschäftsführung keinen Antrag mehr stellen. Der Beginn des Prozesses wird dem zuständigen Gericht nur angezeigt, erklärt Restrukturierungsexperte Burkhard Jung. 

Auch ernennt das Gericht keinen Insolvenzverwalter oder Sachwalter mehr. Nur in Ausnahmefällen müsse ein sogenannter Restrukturierungsbeauftragter eingesetzt werden. Dieser habe aber lediglich eine überwachende Funktion.

Für die Dauer des Prozesses ist das Unternehmen vor Vollstreckungsmaßnahmen der Gläubiger geschützt. Auch schädliche Verträge sollen beendet werden können, so Jung. Das Unternehmen entwickelt vielmehr gemeinsam mit den Gläubigern einen Restrukturierungsplan. Bei der Abstimmung reicht eine Mehrheit von 75 Prozent, wobei die Höhe der Forderungen hier den Ausschlag gibt.

Die Voraussetzung, um den SRR in Anspruch nehmen zu können, ist übrigens, dass der Betrieb noch nicht insolvent, also überschuldet ist.

Jeder Fehler kann Ihre Existenz vernichten

Ist das Kind schon in den Brunnen gefallen und es muss doch Insolvenz angemeldet werden, sollten Sie Einiges beachten.

Da eine Insolvenz ein komplexer Vorgang ist, den nur Insolvenzanwälte und -verwalter routiniert beherrschen, begehen Selbständige schnell Fehler, durch die sie ins Fadenkreuz der Staatsanwaltschaft geraten. Zumal sie bei einer Pleite ihrer Firma unter gewaltigem Druck stehen.

Doch egal, wie groß die Verzweiflung ist, diese Fehler sollten Unternehmer unbedingt vermeiden:

1. Stellen Sie den Insolvenzantrag nicht zu spät.

Sobald Sie erkennen, dass Ihr Unternehmen überschuldet oder zahlungsunfähig ist, müssen Sie beim Insolvenzgericht die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragen. Tun Sie dies nicht, machen Sie sich der Insolvenzverschleppung schuldig und müssen mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren rechnen.

Überschuldet ist Ihr Unternehmen, wenn seine finanziellen Mittel und die erwarteten Zahlungseingänge nicht reichen, um bestehende Verbindlichkeiten zu decken. Zahlungsunfähig sind Sie, wenn Sie mit ihren vorhandenen Mitteln und den in den kommenden drei Wochen erwarteten Zahlungseingängen nicht mehr in der Lage sind, wenigstens zehn Prozent der in dieser Zeit fällig werdenden Rechnungen zu begleichen.

Das Insolvenzverfahren müssen sie nur dann nicht sofort eröffnen lassen, wenn die begründete Aussicht besteht, dass Sie ihre Firma sanieren können. Dann können Sie sich auf eine dreiwöchige Schonfrist bis zur Antragstellung berufen. Allerdings müssen Sie nachweisen, welche Anstrengungen Sie in dieser Zeit unternommen haben, um ihren Betrieb zu retten. Sie müssen wenigsten belegen können, dass Sie sich von einem Insolvenzanwalt haben beraten lassen.

Noch bis zum Jahresende erlaubt auch das Covid-19-Insolvenzaussetzungsgesetz Unternehmern, den Insolvenzantrag aufzuschieben, wenn sie diesen wegen Überschuldung stellen würden.

2. Gehen Sie nicht ohne Rechtsbeistand in ein Insolvenzverfahren.

Wenn Sie bei einer drohenden Pleite Ihres Betriebs die Kosten für einen kompetenten Anwalt einsparen wollen, ist das verständlich. Der Wunsch, bereits verlorenem Geld noch mehr hinterherzuwerfen, kann aber fatale Folgen haben.

Schon bei der Antragstellung müssen Sie umfangreiche Auskunftspflichten erfüllen und zahlreiche Unterlagen vorlegen. So brauchen Sie unter anderem ein detailliertes Gläubigerverzeichnis, eine Aufstellung des Unternehmensvermögens und eine Dokumentation der Sanierungsmaßnahmen, die sie unternommen haben.

Machen Sie bei der Erstellung dieser Unterlagen oder während des Insolvenzverfahrens vorsätzlich oder grobfahrlässig falsche oder unvollständige Angaben, kann Ihnen das Gericht die Restschuldbefreiung versagen. Nur wegen dieser leiten Sie die Insolvenz aber ein.

3. Lassen Sie Sozialversicherungsträger auf keinen Fall auf Beiträge warten.

Zahlen Sie mit Ihren letzten finanziellen Reserven unbedingt die Sozialversicherungsbeiträge ihrer Mitarbeiter. Alles andere ist nachrangig. Wenn Ihre Mittel nur noch für den Arbeitnehmeranteil an den Beiträgen reichen, überweisen Sie diesen und schreiben Sie das ausdrücklich auf den Überweisungsbeleg. Bewahren Sie diesen als Beweismittel auf.

Wenn das Geld danach nicht mehr für die Zahlung der Löhne und Gehälter reicht, brauchen Sie deswegen kein schlechtes Gewissen zu haben. Ihre Arbeitnehmer haben drei Monate lang Anspruch auf Insolvenzgeld. Dieses ist genauso hoch wie der Nettolohn.

Wenn Sie auch die Sozialversicherungsbeiträge nicht mehr abführen können müssen Sie sofort Insolvenz anmelden. Denn strafrechtlich begehen Sie jeden Monat, in dem Sie etwa Krankenversicherungsbeiträge verspätet oder gar nicht zahlen, ein Insolvenzdelikt.

Wohlgemerkt, Monat für Monat und bei jeder Krankenversicherung, die Sie auf ihr Geld warten lassen, machen Sie sich erneut schuldig. So kommt bei einer Verurteilung wegen der begangenen Insolvenzstraftat schnell eine hohe Summe an Tagessätzen zusammen.

4. Zahlen Sie vor einem Insolvenzantrag nur noch die neuesten Rechnungen.

Alle Zahlungsforderungen, die älter als einen Monat sind, begleichen Sie nicht. Denn auch die diesen zugrundeliegenden Verbindlichkeiten sind schon längere Zeit vor der Insolvenz entstanden. Wenn Sie neuere Rechnungen nicht begleichen, legen Ihnen Gläubiger und der Staatsanwalt das unter Umständen als Betrug aus.

Sie nehmen an, dass Sie bereits zum Zeitpunkt der Bestellung oder Auftragsvergabe wussten, dass Sie nicht würden zahlen können. Betrug wird nach Paragraf 263 StGB mit bis zu fünf Jahren Freiheitsentzug bestraft.

Dieses Delikt begehen Sie auch, wenn Sie kurz vor einer Insolvenz noch einen Kredit aufnehmen, um Ihren Betrieb am Laufen zu halten. Auch dann geht die Justiz davon aus, dass Sie Ihre kommende Zahlungsunfähigkeit vorsehen konnten.

5. Versuchen Sie vor einer Insolvenz nicht, Vermögen auf Familienangehörige zu übertragen.

Wer „Bestandteile seines Vermögens, die im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse gehören, beiseite schafft oder verheimlicht“, macht sich des Bankrotts schuldig und wird nach Paragraf 283 StGB mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft.

Dieses Strafmaß steigt auf bis zu zehn Jahre, wenn Sie die Insolvenzmasse vorsätzlich schmälern und dadurch ihre Lieferanten gefährden oder Arbeitnehmer in wirtschaftliche Not bringen.

So schwer es ist: Im Fall einer Insolvenz haften Sie als Unternehmer meist auch mit Ihrem Privatvermögen. Deshalb sollten Sie Ihre Vermögensverhältnisse jederzeit so regeln, dass Sie im Fall einer Pleite nicht versucht sind, privates Wertpapier- oder Immobilienvermögen beiseite zu schaffen. Denn dann ist es zu spät, um sich abzusichern.

Disclaimer:

Dieser Artikel wurde gründlich recherchiert und nach bestem Wissen geschrieben. Dennoch kann er lediglich die wichtigsten Fallen des umfangreichen und komplexen Insolvenzrechts aufzeigen, in die Unternehmer gehen können. Er ersetzt daher keine Rechtsberatung.

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