Abweichen von a.a.R.d.T. als Mangel: Architekten haften ohne Schadenseintritt

Anscheinsbeweis bei Nichteinhaltung der Regeln der Technik
Werden die allgemein anerkannten Regeln der Technik nicht eingehalten, so spricht der Anscheinsbeweis dafür, dass im örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Werkleistung entstandene Schäden bei Beachtung der anerkannten Regeln der Technik vermieden worden wären und auf deren Verletzung zurückzuführen sind (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil v. 24.01.2025, Az.: 22 U 19/24).
Im konkreten Fall hatte der Auftraggeber (AG) einen Architekten (AN) mit Planungs- und Überwachungsleistungen hinsichtlich des Umbaus einer 2-Gruppingen Kindergarteneinrichtung in einem Gebäude aus den 1960er Jahren beauftragt. Nach der Fertigstellung wurde im Kindergarten Feuchtigkeit und eine Schimmelpilzbelastung in der Raumluft festgestellt. Daraufhin veranlasste der AG eine Überprüfung der Leistungen des AN. Es sollte insbesondere geklärt werden, ob der AN für die Feuchteschäden verantwortlich war.
Ein Sachverständiger stellte fest, dass die Planung des AN eine Abdichtung der Bodenplatte hätte vorsehen müssen. Dies war vorliegend jedoch nicht geschehen. Nach Sachverständiger Feststellung hätte ein Wassereintritt durch eine ordnungsgemäße Abdichtung verhindert werden können. Allerdings hatte der AN im Zuge der Planung keine Abdichtung bei der Bodenplatte entsprechend den allgemein anerkannten Regeln der Technik (a.a.R.d.T.) vorgesehen und auch nicht ausführen lassen.
Entscheidung des Gerichts
Das Gericht hatte entschieden, dass der AN für die mangelhafte Planung und die daraus resultierenden Feuchtigkeitsschäden und die Schimmelbelastung im Kindergarten haftet und dem AG Schadensersatz schuldet. Denn ein Mangel des Architektenwerks liegt bereits dann vor, wenn die Planung von den anerkannten Regeln der Technik abweicht. Der Eintritt eines Schadens ist nicht zwingend erforderlich. Auch habe der AG nicht auf die entsprechende Planungsleistung bzw. Ausführung der Abdichtung verzichtet.
Ein Verzicht des Bauherrn auf bestimmte Planungsmaßnahmen entlastet den Architekten nur, wenn der Bauherr über die Risiken umfassend aufgeklärt wurde und die Tragweite der Entscheidung vollständig erkannt hat. Das setze allerdings voraus, dass der Bauherr die Bedeutung und Tragweite der Fehlerhaftigkeit der Planung erkannt habe:
„Das kann in der Regel nur angenommen werden, wenn der Architekt den Bauherrn aufgeklärt und belehrt hat (BGH, Urt. v. 09.05.1996 – VII ZR 181/93, NJW 1996, 2370). Die Aufklärung muss dazu geführt haben, dass sich der Besteller Problematik bewusst war und auch die Tragweite derselben voll erkannt hat bzw. erkennen musste (BGH, Urteil vom 10. Februar 2011 – VII ZR 8/10, NJW 2011, 1442). Allein das Wissen des Bestellers um die tatsächlichen Umstände, aus denen sich eine Gefährdung für die dauerhafte Nutzbarkeit eines Bauwerks ergibt, gestattet noch nicht ohne weiteres den Schluss, dass der Besteller deren Tragweite auch zutreffend bewertet. Das Wissen um das Vorhandensein eines Risikos bedeutet nicht ohne weiteres, dass der Besteller dessen Ausmaß zutreffend einschätzt. Die Aufklärung des Architekten muss es dem Besteller ermöglichen, sinnvoll eine eigenverantwortliche Entscheidung zu treffen, ob dieses Risiko in Kauf genommen werden soll (BGH, Urt. v. 20.06.2013, Az.: VII ZR 4/12, NZBau 2013, 515)“, so das Gericht in seiner Urteilsbegründung.
Es ist zu vermuten, dass die Klägerin im Falle hinreichender Aufklärung über die Risiken die (Mehr-)Kosten für die Erstellung einer ordnungsgemäßen Abdichtung in Kauf genommen hätte. Insoweit spreche auch der Beweis des ersten Anscheins bei Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik, dass im örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Werkleistung entstandene Schäden vermieden worden wären und auf deren Verletzung zurückzuführen sind.
Grundsätzliches und Fazit
Wenn das Abweichen von den allgemein anerkannten Regeln der Technik in Rede steht und der Bauherr dies fordert, müssen Planer reagieren. Über die Folgen einer Abweichung von den allgemein anerkannten Regeln der Technik (a.a.R.d.T.) ist aufzuklären. Insoweit ist grundsätzlich sicherzustellen, dass jede Abweichung von den a.a.R.d.T. detailliert dokumentiert und eindeutig vom Auftraggeber akzeptiert wird. Ein Abweichen von öffentlich-rechtlichen Vorschriften ist grundsätzlich nicht möglich.