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Tipp vom Anwalt: Handwerkliche Selbstverständlichkeit versus Überwachungspflicht

Matthias Scheible

Mit der Bauüberwachung übernimmt der Architekt die Verpflichtung, das Bauwerk frei von Mängeln entstehen zu lassen und dazu das ihm Zumutbare beizutragen. Doch was, wenn der Architekt Dinge als handwerkliche Selbstverständlichkeit ansieht?

Ein Mangel der Objektüberwachung liegt vor, wenn der Architekt seine Bauüberwachungsaufgaben nicht vollständig erfüllt und das Bauwerk infolgedessen Mängel aufweist.

Das Auftragen von Innenputz stellt zwar eine einfache, grundsätzlich nicht überwachungsbedürftige Leistung dar. Werden Putzarbeiten allerdings im Winter ausgeführt, muss der bauüberwachende Architekt zumindest stichprobenartig überprüfen, dass keine Arbeiten bei Temperaturen unter fünf Grad Celsius vorgenommen werden (vgl. OLG Köln, Urteil vom 08.09.2017 - 19 U 133/16; mit Beschluss vom 19.12.2018, Az.: VII ZR 234/17 hat der BGH die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen).

1. Sachverhalt (verkürzt)

Der Auftraggeber (AG) hat den Auftragnehmer (AN) mit  Architektenvertrag mit den Leistungsphasen 6 bis 9 des § 15 HOAI 2002 (u.a. Objektüberwachung) bezüglich der Erweiterung einer Konzernzentrale beauftragt. Neben dem AN waren an dem Bauprojekt zahlreiche weitere Unternehmen beteiligt.

Eine Generalunternehmerin brachte auf die betonkernaktivierten Decken eine - teils rot, teils blau gefärbte - Haftbrücke auf. Sodann verputzte sie die Decken. Zwei Jahre nach Abnahme des Objekts zeigten sich im Deckenputz zahlreicher Büroräume Hohlstellen und es fiel wiederholt Putz herab. Aufgrund der Insolvenz der Generalunternehmerin und der Ablehnung einer Mangelbeseitigung nach § 103 InsO fiel der AG mit Mängelansprüchen weitgehend aus.

Nach Behebung einiger Schäden sowie der Einholung mehrerer Gutachten zur Schadensursache und der geeigneten Sanierungsmethode, ließ der AG die Schäden so sanieren, dass die Stellen, an denen der Putz bereits herabgefallen war oder großflächige Hohlstellen vorlagen, unter Aufbringung einer neuen Haftbrücke neu verputzt und die übrigen Deckenflächen prophylaktisch durch die Injektion von Epoxidharz befestigt wurden, um ein zukünftiges Abfallen des Putzes zu verhindern. Insgesamt wurde eine Deckenfläche von ca. 27.000 m² bearbeitet.

Der AG nimmt den AN auf Schadensersatz wegen mangelhafter Bauüberwachung, unzureichender Planungsleistungen und fehlerhafter Projektsteuerung in Anspruch. Der AG hat die Ansicht vertreten, der AN habe seine Vertragspflichten verletzt und sich dadurch schadensersatzpflichtig gemacht. Die Mängel des Deckenputzes indizierten eine fehlerhafte Bauüberwachung durch den AN. Der AG behauptet, die Generalunternehmerin habe den Deckenputz flächendeckend bei zu niedrigen Temperaturen auf noch nicht ausreichend getrockneten Beton aufgebracht und zudem die Haftbrücke zu dünn sowie ohne hinreichende Durchmischung ausgeführt. Diese Fehler bei der Bauausführung seien der Grund für die aufgetretenen Hohlstellen und das Abfallen des Putzes. Bei sorgfältiger Bauüberwachung hätte der AN die Mängel erkennen und unterbinden müssen.

Der AN hat die Auffassung vertreten, seine vertraglichen Pflichten ordnungsgemäß erfüllt zu haben. Bei den aufgetretenen Hohlstellen und Ablösungen des Deckenputzes habe es sich lediglich um Ausreißer gehandelt, die eine Sanierung aller Deckenflächen - insbesondere die kostenintensive prophylaktische Injektion von Epoxidharz - nicht erforderlich gemacht hätten.

2. Entscheidung

Das Gericht entscheidet, dass ein Baumangel bezüglich des Deckenputzes vorlag, da der Putz - gemäß sachverständiger Feststellung - bei zu niedrigen Temperaturen aufgetragen wurde und er sich deshalb bei der Aushärtung nicht beziehungsweise nicht mit der erforderlichen Stärke in der Betondecke verkrallen konnte. Es sei davon auszugehen gewesen, dass dieser Fehler bei der Bauausführung durchweg und hinsichtlich aller Decken im Gebäude gegeben war.

Des Weiteren stellt das Gericht fest, dass  es sich bei dem Verputzarbeiten an den Decken vorliegend nicht um eine handwerkliche Selbstverständlichkeit handelte, die keiner Überwachung durch den die Bauaufsicht führenden Architekten bedurft hätte.

Das Gericht führt aus: „An den Architekten sind bei der Erfüllung des Leistungsbilds Bauüberwachung strenge Anforderungen zu stellen, wobei er zu erhöhter Aufmerksamkeit und einer intensiveren Bauaufsicht bei kritischen Baumaßnahmen, die erfahrungsgemäß ein höheres Mängelrisiko aufweisen, verpflichtet ist (OLG Köln, Urteil vom 13.03.2013, 16 U 123/12). Soweit in der Rechtsprechung das Auftragen von Innenputz teilweise als einfache, nicht überwachungsbedürftige Arbeit angesehen wird (etwa KG Berlin, Urteil vom 15.02.2006, 24 U 29/05; LG Köln, VersR 1981, 1191), wird auch in diesen Entscheidungen darauf hingewiesen, dass dies lediglich in der Regel beziehungsweise nur dann gilt, solange sich im Verlauf der Bauausführung keine Anhaltspunkte für Mängel ergeben. Bereits der Umstand, dass die Generalunternehmerin die Putzarbeiten hier zumindest zu großen Teilen abweichend von der ursprünglichen Bauablaufplanung im Winter ausgeführt hat, obwohl solche Arbeiten gemäß der DIN 18550 … und den Merkblättern der Berufsverbände … bei Luft- und Bauteiltemperaturen unter 5° Celsius unstreitig nicht hätten vorgenommen werden dürfen.“

Insoweit hätten die äußeren Umstände dem AN Anlass zu einer zumindest stichprobenartigen Überprüfung geben müssen, ob tatsächlich bei zulässigen Temperaturen verputzt wurde. Der AN ist insoweit nicht von seiner Überwachungspflicht befreit. Jedenfalls bei einem verzögerten Bauablauf bestand die Gefahr, dass - um entstandene Rückstände aufzuholen - Putzarbeiten unter ungeeigneten äußeren Bedingungen ausgeführt wurden.

3. Grundsätzliches und Fazit

Das Urteil zeigt einmal mehr, dass Grundsatzaussagen wie, „Verputzarbeiten sind handwerkliche Selbstverständlichkeiten und daher nicht besonders überwachungspflichtig“ nicht immer zutreffend sind. Vielmehr kommt es auf die konkrete Situation und den Einzelfall an.  Das Auftragen von Innenputz stellt zwar eine einfache, grundsätzlich nicht überwachungsbedürftige Leistung dar. Werden Putzarbeiten allerdings im Winter ausgeführt, muss der bauüberwachende Architekt zumindest stichprobenartig überprüfen, dass keine Arbeiten bei Temperaturen unter fünf Grad Celsius vorgenommen werden.

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