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EBPD: EU Gebäuderichtlinie mit Pflichten zu Gebäudesanierung und Solardach

Jürgen Wendnagel
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Das Bundeskabinett debattiert derzeit noch über die technische und soziale Ausgestaltung der Pflicht zum Einsatz von 65% erneuerbaren Energien im Heizungsbereich. Robert Habeck möchte u. a. eine großzügige Förderung von Heizungsbesitzern mit kleinen und mittleren Einkommen, um die höheren Kosten vom Umstieg von Öl und Gas auf ein Wärmepumpenheizsystem zu dämpfen.

Doch nun rollen aus Brüssel schon die nächsten Herausforderungen für die Ampel-Koalition und für Hauseigentümer heran, die hinsichtlich der möglichen Kosten und der praktischen Umsetzung eindeutig anspruchsvoller sein werden, als die reine, erneuerbare Heizungsmodernisierung.

75 % des EU-Gebäudebestands ist energetisch ineffizient

Das EU-Parlament hat am 14.03.2023 dem Entwurf der überarbeiteten Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (Neufassung) mit klarer Mehrheit zugestimmt: mit 343 zu 216 Stimmen bei 78 Enthaltungen. Im nächsten Schritt arbeiten nun das EU-Parlament und der Rat der Europäischen Union (besetzt mit den Fachminister der 27 Mitgliedsländer) die endgültige Form der gemeinsamen Vorschrift aus, die offiziell „Energy Performance Buildings Directive“ (EPBD) heißt.

Nach Einschätzung der EU erfordere die notwendige Dekarbonisierung des Gebäudebestands der Union in großem Maßstab energetische Renovierungen: Fast 75% dieses Gebäudebestands seien nach den derzeitigen Gebäudestandards ineffizient und 85 bis 95 % der heutigen Gebäude werden 2050 noch stehen. Die gewichtete jährliche energetischen Renovierungsquote liege jedoch anhaltend niedrig bei rund 1%. Beim derzeitigen Tempo würde die Dekarbonisierung des Gebäudesektors Jahrhunderte dauern. Zentrale Ziele der Richtlinie sind: das Auslösen und die Unterstützung von Gebäuderenovierungen, um die derzeitige Renovierungsquote mindestens zu verdreifachen, sowie der Übergang zu emissionsfreien Heizungsanlagen.

Verbot (rein) fossil betriebener Wärmeerzeuger in Neu- und Altbau

Die Mitgliedstaaten sollten Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass die Nutzung von mit fossilen Brennstoffen betriebenen Heizungsanlagen ab dem Datum der Umsetzung dieser Richtlinie nicht mehr zulässig ist:

  • in neuen Gebäuden und
  • in Gebäuden, die einer größeren Renovierung, umfassenden Renovierung oder Renovierung des Heizsystems unterzogen werden. (Hinweis: Die Begriffe „größere/umfassende Renovierung“ sind noch nicht klar definiert.)

Zudem soll die Nutzung von mit fossilen Brennstoffen betriebenen Heizungsanlagen in allen Gebäuden bis 2035 auslaufen. Bei Umsetzungsproblemen kann auf Nachweis gegenüber der Kommission die Frist bis maximal 2040 verlängert werden.

Interessante Ausnahme: Hybride Heizungsanlagen, Heizkessel, die für den Betrieb mit erneuerbaren Brennstoffen zertifiziert sind, und sonstige gebäudetechnische Systeme, für die nicht ausschließlich fossile Brennstoffe verwendet werden […], gelten für die Zwecke dieses Absatzes nicht als mit fossilen Brennstoffen betriebene Heizungsanlagen.

Theoretisch könnten unter „hybrid“ z.B. ein H2-ready- und Biomethan-Gasbrennwertgerät sowie ein für E-Fuels geeigneter Heizölbrennwertkessel fallen (Öko-Brennstoffanteil jeweils 100%) – sofern der Richtlinien-Grundsatz „Energieeffizienz an erster Stelle“ („Efficiency first“) dadurch nicht verletzt wird.

Nullemissionsgebäude werden künftig in der Gesamtenergieeffizienzklasse A eingestuft.

Ab 2050 soll es nur noch „Nullemissionsgebäude“ geben

Gemäß dem EU-Grundsatz: „Effizienz an erster Stelle“ (Efficiency first“) reicht der Ausstieg aus fossilen Energieträgern und die Transformation der Strom- und Wärmeversorgung von Gebäuden zu 100% auf Basis erneuerbaren Energien alleine nicht aus. Zwei weitere zentrale Ziele sind die Steigerung der Energieeffizienz sowie die Verringerung des Energieverbrauchs, hier in Form von höheren energetischen Gebäudestandards: Um die Abhängigkeit der Union von Energieimporten zu verringern, die negativen Auswirkungen der hohen Energiepreise abzuschwächen und um das erneuerbare Energieversorgungssystem (vor allem auf Strombasis) resilienter zu machen. Jeder Mitgliedstaat soll deshalb einen bis 2050 reichenden, nationalen Gebäuderenovierungsplan vorlegen, um den Umbau (möglichst aller) bestehender Gebäude zu Nullemissionsgebäuden.

Als „Nullemissionsgebäude“ definiert die Richtlinie ein Gebäude mit einer sehr hohen Gesamtenergieeffizienz, das durch nachfrageseitige Flexibilität zur Optimierung des Energiesystems beiträgt. Die noch benötigte sehr geringe Restmenge an Energie wird vollständig aus erneuerbaren Quellen gedeckt. Angestrebt werden eine möglichst vollständige standortnahe Erzeugung und Speicherung.

Im Anhang III der Richtlinie gibt es eine Tabelle mit maximalen Schwellenwerte für den jährlichen Gesamtprimärenergieverbrauch von Nullemissionsgebäuden, die von einer Klimazone abhängen. Beispiel: Die Anforderung an ein bestehendes Wohngebäude in der „Kontinentale Klimazone“ liegt bei < 65 kWh/(m2a).

Jeder Gebäuderenovierungsplan (Ziel: Klimaneutralität bis 2050) muss den Grundsatz „Energieeffizienz an erster Stelle“ erfüllen und umfasst einen nationalen Fahrplan mit

  • festgelegten Zielen,
  • messbaren Fortschrittsindikatoren und
  • spezifischen Zeitplänen für alle bestehenden Gebäude,

um bis 2030, 2040 und 2050 höhere Gesamtenergieeffizienzklassen zu erreichen.

Die Mitgliedstaaten müssen dazu u.a. eine Methode zur Berechnung der Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden und kostenoptimale Mindestanforderungen an die Gesamtenergieeffizienz (MEPS) festlegen. Diese MEPS basieren auf einem neu skalierten Schema für Energieausweise, bei dem die schlechtesten 15% jedes nationalen Gebäudebestands als Klasse G klassifiziert werden, während Nullemissionsgebäude in die Klasse A fallen.

Als „Gebäude mit der schlechtesten Energieeffizienz“ stuft die Richtlinie übrigens Gebäude der Energieeffizienzklasse E, F und G ein.

Übrigens: Die Einführung von Mindestvorgaben für die Gesamtenergieeffizienz sollte durch einen unterstützenden Rahmen begleitet werden, der technische Hilfe und finanzielle Maßnahmen sowie Strategien zur Verbesserung der Kompetenzen der im Bau- und Renovierungssektor Beschäftigten umfasst.

Interessant: Von der EU ist geplant, die Lebenszyklus-Emissionen von Gebäudekomponenten und -materialien nach und nach (gemäß einer von der Kommission festzulegenden EU-Methode) sowohl bei Neubauten als auch bei Renovierungen zu erfassen. In die Gebäuderenovierungspläne der Mitgliedstaaten sollen dann Strategien und Ziele zur Verringerung der Lebenszyklus-Treibhausgasemissionen aufgenommen werden.

Pflichtsanierung für über 5 Millionen Wohngebäude bis 2030/2033

Die Mitgliedstaaten müssen in ihren Ländern gewährleisten, dass alle Gebäude den Mindestvorgaben für die Gesamtenergieeffizienz entsprechen, wobei sie bei den Gebäuden mit der geringsten Energieeffizienz beginnen sollen:

  • Wohngebäude müssen spätestens

    - ab dem 1.1.2030 mindestens die Gesamtenergieeffizienzklasse E und

    - ab dem 1.1.2033 mindestens Klasse D erreichen.
  • Nichtwohngebäude müssen spätestens

    - ab dem 1.1.2027 mindestens die Gesamtenergieeffizienzklasse E und

    - ab dem 1.1.2030 mindestens Klasse D erreichen.
  • Öffentliche Gebäude müssen spätestens

    - ab dem 1.1.2027 mindestens die Gesamtenergieeffizienzklasse E und

    - ab dem 1.1.2030 mindestens Klasse D erreichen;

Doch Achtung: Diese Fristen sind nur Etappen auf dem Weg zum Fernziel „Nullemissionsgebäude ab 2050“. In ihrem Fahrplan sollen die Mitgliedstaaten lineare Zielpfade für die schrittweise Erreichung höherer Gesamtenergieeffizienzklassen bis 2040 und 2050 festlegen. Die Richtlinie empfiehlt deshalb im ersten Schritt eine Renovierung hin zum Niedrigstenergiegebäude.

Hinweis: Die Mitgliedstaaten können Ausnahmereglungen für bestimmte Gebäudekategorien treffen (z. B. denkmalgeschützte Gebäude, Werkstätten sowie für Gebäude für Gottesdienst und religiöse Zwecke).

Wie viele Wohngebäude in Deutschland allein von der ersten Renovierungswelle betroffen sind, lässt sich derzeit nur grob abschätzen. Die Gesamtenergieeffizienzklassen-Einstufungen (MEPS) innerhalb der EU müssen zuvor noch harmonisiert werden. In Deutschland gibt es z. B. noch die Klasse „H“. Der Immobilienverband Deutschland IVD meint, dass in Deutschland überproportional viele Ein- und Zweifamilienhäuser betroffen wären: „Rund 40 Prozent der 16 Mio. Eigenheime sind kaum saniert und befinden sich jetzt noch in den Energieklassen G und H.“

Ähnlich äußerte sich Kai Warnecke, Verbandschef von „Haus & Grund“: „In den kommenden zehn Jahren müssen etwa ein Drittel aller Wohngebäude in Deutschland energetisch deutlich verbessert werden. Das betrifft vor allem die Eigentümer von Ein- und Zweifamilienhäusern.“

Effizienzvorgaben für neue Gebäude „ab sofort“

Alle neuen Gebäude sollen ab dem 1.1.2028 Nullemissionsgebäude sein; öffentliche Gebäude bereits ab dem 1.1.2026. Bis zu diesen Terminen müssen die Mitgliedstaaten nach Einführung der Gebäuderichtlinie sicherstellen, dass alle Neubauten mindestens Niedrigstenergiegebäude sind.

Als „Niedrigstenergiegebäude“ definiert die Richtlinie ein Gebäude mit einer sehr hohen Gesamtenergieeffizienz und bei dem der fast bei Null liegende oder sehr geringe Energiebedarf zu einem ganz wesentlichen Teil durch Energie aus erneuerbaren Quellen gedeckt wird.

Interessant: Die Richtlinie sieht in der effizienten Abwärmenutzung aus Systemen zur Warmwasserbereitung in Wohnhäusern eine „bedeutende Möglichkeit zur Energieeinsparung“. In neuen Gebäuden sei die Warmwasserbereitung die Hauptquelle des Energieverbrauchs, die Wärme wird jedoch nicht wiederverwendet. Vor allem die Nutzung der Wärme aus dem Duschabfluss in Gebäuden könne eine einfache und kostenwirksame Möglichkeit sein, Einsparungen beim Endenergieverbrauch und bei den CO2-Emissionen zu erzielen.

Solaranlagen-Pflicht für Wohngebäude ab 2028/2032

Laut EU würde ein großflächiger Ausbau von Solarenergie auf Gebäuden wesentlich dazu beitragen, die Verbraucher besser vor steigenden und volatilen Preisen für fossile Brennstoffe zu schützen, die Exposition schutzbedürftiger Haushalte gegenüber hohen Energiekosten verringern und breitere ökologische, wirtschaftliche und soziale Vorteile mit sich bringen.

Die Mitgliedstaaten sollen deshalb sicherstellen, dass geeignete Solarenergieanlagen errichtet werden:

  • bis 24 Monate nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Richtlinie auf allen neuen öffentlichen Gebäuden und neuen Nichtwohngebäuden
  • bis zum 31.12.2026 auf allen bestehenden öffentlichen Gebäuden und Nichtwohngebäuden
  • bis zum 31.12.2028 auf allen neuen Wohngebäuden und überdachten Parkplätzen
  • bis zum 31.12.2032 auf allen Gebäuden, die einer größeren Renovierung unterzogen werden.

Voraussetzungen für diese Solarpflicht: Technisch Eignung sowie wirtschaftlich und funktional machbar. Zudem sollen die Mitgliedsstaaten durch geeignete Maßnahmen, wie Infos, Beratungen, Genehmigungsbestimmungen etc., eine möglichst effiziente, einfache und kostengünstige Nutzung und Installation von Solaranlagen auf den Dächern von Neubauten und Bestandsgebäuden zu ermöglichen.

Einführung eines Renovierungspasses für Gebäude

Die Mitgliedstaaten sollen ein System von Renovierungspässen bis zum 31.12.2024 einführen. Der „Renovierungspass“ ist ein Dokument, das einen maßgeschneiderten, ganzheitlichen Fahrplan für die umfassende Renovierung eines bestimmten Gebäudes in einer maximalen Anzahl von Schritten enthält, durch die das Gebäude bis spätestens 2050 zu einem Nullemissionsgebäude wird. Oberster Grundsatz: „Energieeffizienz an erster Stelle“ („Efficiency first“).

Der Renovierungspass wird von einem qualifizierten und zertifizierten Sachverständigen nach einer Inaugenscheinnahme in einem für den Druck geeigneten digitalen Format ausgestellt. Geplant ist die (spätere) Integration von Renovierungspässen in das digitale Gebäudelogbuch, in dem technische und rechtliche Infos mit wesentlichen Daten für Immobilieneigentümer zur Planung und Durchführung von umfassenden (mehrstufigen) Renovierungen gesammelt werden.

Kontrolle von Energieströmen und der Raumklimaqualität

Die Verpflichtungen der Gebäuderichtlinie sind noch detaillierter und weitergehender und reichen bis in den Gesundheitsbereich. Dazu gehören z.B.:

  • Der Austausch veralteter und ineffizienter gebäudetechnischer Systeme, sofern technisch und wirtschaftlich machbar, soll Teil der in einem Renovierungspass festgelegten Schritte werden.
  • Vorschrift zur Installation von Mess- und Kontrollgeräten zur Überwachung und Regelung der Innenraumqualität auf der Ebene der jeweiligen Einheit.
  • Systeme für die Gebäudeautomatisierung und -steuerung müssen u. a. in der Lage sein, den Energieverbrauch zu überwachen/protokollieren/analysieren/anzupassen und Benchmarks in Bezug auf die Energieeffizienz des Gebäudes aufzustellen.
  • Die Raumklimaqualität soll wirksam überwacht werden, um die Gesundheit und Sicherheit der Bewohner zu gewährleisten. Die Mitgliedstaaten legen (innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten der Richtlinie) Anforderungen für die Umsetzung angemessener Standards für die Raumklimaqualität in Gebäuden fest (Indikatoren sind u. a. CO2-Gehalt, Temperatur, relative Luftfeuchtigkeit, Beleuchtungs- und Akustik-Komfort). Zudem sollen Feinstaubemissionen, Schadstoffausdünstungen etc. erfasst und gemeldet werden.
  • Die Daten über die Raumklimaqualität und andere relevante Daten, die über Mess- und Kontrollgeräte erhoben werden, sollen mit den digitalen Gebäudelogbüchern (im Einklang mit den Datenschutzvorschriften) interoperabel sein.

Wichtig: Gebäudeenergiegesetz an (mögliche) EU-Pflichten anpassen

Die Klimaneutralität bzw. erneuerbare Wärmewende im Gebäudebereich gibt es nicht zum Nulltarif. Sollte die „Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden“ von der EU so eingeführt werden, kommt auf viele Hausbesitzer von unsanierten, alten Immobilien – trotz staatlicher Förderung – ein echter „Kosten-Hammer“ zu. Denn die Investition in ein erneuerbares Wärmesystem ist nur ein Baustein in der EU-Strategie „Energieeffizienz an erster Stelle“ („Efficieny first“), die zusätzlich vor allem energieeffiziente und verbrauchsarme Bestandsgebäude sowie Solardächer fordert. Entlastend könnte im ein oder anderen Fall sein, dass sich die erforderlichen energetischen Sanierungsschritte und -kosten über mehrere Jahre verteilen.

Offen bleibt jedoch die Frage, ob es letztlich genügend Fachkräfte zur planerischen und handwerklichen Umsetzung sowie auf den behördlichen Ebenen gibt, um diese Mammutaufgabe zeitgerecht durchzuführen – inklusive der notwendigen vernetzten Datenbank- und Monitoring-Strukturen, z. B. für die Energie- und Raumklima-Parameter.

Wichtig ist aktuell, dass die Bundesregierung die möglichen EU-Sanierungspflichten in der Novelle des Gebäudeenergiegesetzes berücksichtigt, um die Pflicht zum Einsatz erneuerbarer Energien in einen eventuell erforderlichen Sanierungsablauf sinnvoll zu integrieren. Denn sonst kann es sein, dass z.B. eine Wärmepumpe, die heute eingebaut wird, leistungsmäßig deutlich zu groß ausgelegt ist, falls in den nächsten zehn Jahren die Gebäudehülle einer alten Bestandsimmobilie energetisch stark verbessert werden muss. Ein geplanter bzw. realisierter, höherer energetischer Gebäudestandard bietet zwei wesentliche Vorteile: einen dauerhaft niedrigeren Heizstromverbrauch und eine energieeffizientere Einbindung der Wärmepumpe.

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