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Wie viel kann H2-ready zum Klimaschutz beitragen?

Jochen Vorländer
Bild 1: DVGW-Cert-Prüfsiegel „H2-ready“ für eine Beimischung von bis zu 20 Vol.-% Wasserstoff zum Erdgas.

Die Gasgeräte-Industrie erklärt sich zurzeit „H2-ready“. Sofern sich hierbei ein Hersteller auf das DVGW-Zertifizierungsprogramm ZP 3100 [1] (Bild 1) bezieht, wird über ergänzende Prüfungen sichergestellt, dass ein entsprechend zertifizierter Gas-Heizkessel zuverlässig funktioniert, wenn der Gasversorger im zur Verfügung gestellten Energieträger einen Wasserstoffanteil von 0 bis 20 Vol.-% variiert.

Lückenschluss im DVGW-Regelwerk

Prinzipiell ist heute schon eine Beimischung von bis zu 10 Vol.-% über das technische Regelwerk möglich, wenngleich bestimmte Gas-Anwendungen außerhalb der Wärmeerzeugung in Gebäuden für eine solche Quote nicht zugelassen sind.

Das DVGW-Zertifizierungsprogramm ZP 3100 soll eine Lücke bezüglich der Wasserstoff-Anwendungen in Prüfgrundlagen im DVGW-Regelwerk temporär schließen, denn das DVGW-Regelwerk selbst ist nur eingeschränkt H2-ready:

So hat der DVGW im März 2021 mitgeteilt, im Rahmen eines Innovationsprogramms für Wasserstoff unter dem Motto „Zeit für einen Stoffwech2el“ zusätzlich zu laufenden Investitionen, die bislang größte Einzelinvestition in seiner über 160-jährigen Vereinsgeschichte zu tätigen. Rund 15 Mio. Euro sollen in den kommenden fünf Jahren in die Bereiche Forschung, Regelwerk, Zertifizierung, Aus- und Weiterbildung sowie Kommunikation fließen.

H2-ready wird zuerst regional relevant

Das bedeutet letztendlich auch, dass eine generelle Beimischung von Wasserstoff – also im gesamten Erdgasnetz – oberhalb von 10 Vol.-% noch für viele Jahre und aufgrund mutmaßlich erforderlicher Anpassungsarbeiten oberhalb von 20 Vol.-% für einen noch längeren Zeitraum unrealistisch ist. Aber selbst eine Beimischung bis 10 Vol.-% ist bisher mehr eine Branchenhoffnung als eine politisch unterstützte oder gar – wie von der Gaswirtschaft gefordert – eine gesetzlich verankerte Strategie.

Absehbar ist jedoch, dass es immer mehr kleine lokale Netzgebiete geben wird, wo Wasserstoffanteile bis zu 20 Vol.-% und auch mit deutlich höheren Anteilen bis zu 100 Vol.-% pilotiert bzw. zum dauerhaften Betrieb realisiert werden. Bezogen auf den Gasabsatz in Deutschland werden diese Netze aber zusammengenommen zunächst nur einen sehr kleinen Anteil haben, immerhin werden allein 47 % der 40,6 Mio. Wohnungen in Deutschland über das öffentliche Gasnetz beheizt.

Ein H2-ready-Zertifikat ist also in erster Linie wichtig für das Marketing – um Kunden Sicherheit zu geben, einen heute angeschafften Gas-Heizkessel über viele Jahre ohne eine Erneuerung oder teure Umrüstung betreiben zu können. Eventuell werden viele solcher Geräte aber in der Praxis nie mit solchen Beimischungen konfrontiert.

Bild 2: Der Gas-Brennwertheizkessel CGB-2-38/55 von Wolf wurde erfolgreich für die Beimischung von bis zu 20 Vol.-% Wasserstoff nach DVGW zertifiziert und ist damit für ihren zukünftigen Einsatz „H2-ready“.

Nutzbares Potenzial ist noch geringer

Mit einer technisch bedingten Grenze für den Wasserstoffanteil im Erdgasnetz verringert sich das Potenzial zur mengenmäßigen Substitution: Da einerseits Wasserstoffblasen im Gasnetz ausgeschlossen werden müssen und andererseits die Möglichkeiten zur Wasserstoffproduktion und Einspeisung weder zeitlich noch regional mit der Gasabnahme korrelieren, kann mit sinnvollen Maßnahmen nur eine deutliche kleinere Menge Wasserstoff als rechnerisch möglich beigemischt werden.

In den nächsten zehn Jahren wird dies aber kein größeres Problem darstellen. 2020 sind in Deutschland rund 965 TWh (Hi) Erdgas und 10 TWh auf Erdgasqualität aufbereitetes und ins Erdgasnetz eingespeistes Biogas verbraucht worden. Zum Vergleich: Die Nationale Wasserstoffstrategie (NWS) sieht bisher einen Markthochlauf von in Deutschland hergestelltem grünem Wasserstoff auf bis zu 14 TWh/a vor.

Dies hätte 2020 einem energetischen Anteil von knapp 1,5 % und etwa 4,4 Vol.-% Wasserstoff im Erdgasnetz entsprochen. Anmerkung: Gleichzeitig wird aktuell in Deutschland Wasserstoff im Umfang von 55 TWh/a (davon 51 TWh/a grauer Wasserstoff, teilweise fällt er als Nebenprodukt in anderen Prozessen an) für stoffliche Anwendungen genutzt.

Bild 3: Am Standort Worcester hat Bosch im November 2020 den Prototypen eines H2-Heizkessels vorgestellt. Dieser kann zunächst mit Erdgas betrieben und später in wenigen Schritten auf die vollständige Nutzung von Wasserstoff umgestellt werden.

20 Vol.-% hat technischen Grund

Die Marke 20 Vol.-% hat einen sehr konkreten technischen Hintergrund. Schon bei etwas geringeren Beimischungen werden je nach Herkunft die bisher geltenden Limitierungen der Gasarten H und L bezüglich relativer Dichte oder Wobbe-Index (DVGW-Arbeitsblatt G 260) erreicht.

Bei Erdgas aus Russland (bzw. ganz allgemein bei Erdgas mit sehr hohem Methan-Anteil) können diese bereits bei einem Wasserstoffanteil unterhalb von 5 Vol.-% erreicht werden. Nordsee-Erdgas ermöglicht eine wesentlich höhere Beimischung, der definierte Bereich für die relative Dichte wird jedoch schon bei einem Wasserstoffanteil von weniger als 20 % verlassen.

Ob bei 20 Vol.-% oder etwas mehr oder weniger – ab einem bestimmten Wasserstoffgehalt steigt der Modernisierungsaufwand, um die vorhandene Gas-Infrastruktur und auch die Abnehmer darauf auszurichten deutlich.

Für eine höhere Defossilisierung von Erdgas innerhalb der bisher bestehenden oder ggf. künftig erweiterten Limitierungen könnte man allerdings statt reinem Wasserstoff aus Wasserstoff hergestelltes Methan ohne Begrenzung in das Erdgasnetz einspeisen. Das bringt zwar weitere technische und finanzielle Herausforderungen, sie liegen dann aber ausschließlich außerhalb des Gas-Netzes und sind deshalb viel einfacher kalkulierbar.

Deutlicher Unterschied: volumetrischer und energetischer Wasserstoffanteil

Neben den technischen Hintergründen und historisch entstandenen Limitierungen ist bei der Wasserstoffbeimischung jenseits eines Smalltalks immer darauf zu achten, ob von einem volumetrischen oder einem energetischen Wasserstoffanteil bzw. einer -beimischung gesprochen wird. In der Regel wird es ein volumetrischer Anteil sein, es wird aber fast ausschließlich nur „10 %“ und fast niemals „10 Vol.-%“ kommuniziert.

Aufgrund der sehr unterschiedlichen Eigenschaften von Wasserstoff und dem Erdgas dominierenden Methan ist für Bilanzen bzw. verbrennungsbezogene CO2-Emissionen eine Angabe unumgänglich, ob die Beimischung volumetrisch oder energetisch ist.

Wie groß die Unterschiede sind, verdeutlich nachstehend zwei Beispiele. Ausgangswerte sind der Brennwert (Hs,n) von Methan (CH4) mit 11,06 kWh/m3 und von Wasserstoff (H2) mit 3,54 kWh/m3. Zudem wird angenommen, dass sich beide Gase wie ein ideales Gas verhalten.

Volumetrische Betrachtung für 10 %:

  • Bei einem Wasserstoffgehalt von 10-Vol.-% sinkt der Brennwert um 6,8 % des CH4/H2-Gemischs auf 10,31 kWh/m3. Um die gleiche Energiemenge zu liefern, muss das eingesetzte Gasvolumen dadurch um 7,3 % steigen.
  • Bei einem Wasserstoffgehalt von 10 Vol.-% stammen energetisch 3,43 % aus dem beigemischten Wasserstoff.
  • Die verbrennungsbezogenen CO2-Emissionen sinken bei einem Wasserstoffgehalt von 10-Vol.-% zu Methan um 10 % bezogen auf einen Kubikmeter des Gasgemischs. Bezogen auf 1 kWh (HS,n) sinken sie nur um 3,43 %.

Energetische Betrachtung für 10 %:

  • Um 10 % des Brennwerts von Methan energetisch zu ersetzen, muss der Wasserstoffanteil eines CH4/H2-Gemischs 25,8 Vol.-% betragen.
  • Das für die gleiche Energiemenge benötigte Gasvolumen steigt um 21,2 %. Der Brennwert sinkt auf 9,122 kWh/m3.
  • Die verbrennungsbezogenen CO2-Emissionen sinken bei einem energetischen Ersatz durch Wasserstoff um 10 % bezogen auf 1 kWh (HS,n) und bezogen auf einen Kubikmeter des Gasgemischs um 25,8 %.

Die Werte lassen sich für andere Wasserstoffgehalte nicht extrapolieren!

  • Für einen Wasserstoffgehalt von 20 Vol.-% ergeben sich eine energetische Ersatzquote und eine CO2-Minderung von jeweils 7,41 %.
  • Um 20 % der sonst über Methan bereitgestellten Energiemenge durch Wasserstoff zu ersetzen (was auch eine Verringerung der verbrennungsbezogen CO2-Emissionen um 20 % bedeuten würde), wäre ein Wasserstoffgehalt in dem Brenngas von 43,9 % erforderlich.

Es kommt auch auf die Farbe an

Die Angaben zur CO2-Minderung wurden jeweils verbrennungsbezogen gemacht. Da Wasserstoff CO2-frei verbrennt, ist an diesem Betrachtungspunkt die Farbe des Wasserstoffs (siehe unten) nicht relevant.

Den Energiewendezielen geholfen ist allerdings nur, wenn in der Gesamtbilanz weniger CO2 in die Atmosphäre als ohne Wasserstoff-Beimischung ins Erdgas erfolgt und die Wasserstoffbereitstellung keine gegenläufigen Effekte provoziert. Dann kommt es sehr wohl auf die Farbe des Wasserstoffs an. Zudem ist relevant, welchen Beitrag Energie, die für die Wasserstoffproduktion direkt und indirekt eingesetzt wird, bei einer anderen Nutzung zur CO2-Bilanz beitragen würde. 

Dieser Beitrag von Jochen Vorländer ist zuerst erschienen in TGA 04/2021.

Literatur

[1]  DVGW-Zertifizierungsprogramm ZP 3100 Ergänzungsprüfungen für Heizkessel für gasförmige Brennstoffe für einen Wasserstoffgehalt von bis zu 20 Vol.-%, Oktober 2020

Die Farben des Wasserstoffs

Grauer Wasserstoff wird aus fossilen Brennstoffen gewonnen. In der Regel wird bei der Herstellung Erdgas unter Hitze in Wasserstoff und CO2 umgewandelt (Dampfreformierung). Das CO2 wird anschließend ungenutzt in die Atmosphäre abgegeben. Bisweilen wird grauer Wasserstoff der über die Vergasung von Kohlen hergestellt wird auch als brauner Wasserstoff bezeichnet.

Blauer Wasserstoff ist grauer Wasserstoff, dessen CO2 bei der Entstehung jedoch abgeschieden und gespeichert wird. Das bei der Wasserstoffproduktion erzeugte CO2 gelangt so nicht in die Atmosphäre und die Wasserstoffproduktion kann bilanziell als CO2-neutral betrachtet werden.

Türkiser Wasserstoff ist Wasserstoff, der über die thermische Spaltung von Methan (Methanpyrolyse) hergestellt wurde. Anstelle von CO2 entsteht dabei fester Kohlenstoff. Voraussetzungen für die CO2-Neutralität des Verfahrens sind die Wärmeversorgung des Hochtemperaturreaktors aus erneuerbaren Energiequellen, sowie die dauerhafte Bindung des Kohlenstoffs.

Weißer Wasserstoff ist Wasserstoff aus natürlichen Vorkommen.

Grüner Wasserstoff wird durch Elektrolyse von Wasser hergestellt, wobei für diese Wasserelektrolyse ausschließlich Strom aus erneuerbaren Energien zum Einsatz kommt. Dann ist der Produktionsprozess unabhängig von der gewählten Elektrolysetechnologie CO2-frei.

Roter, pinker und gelber Wasserstoff wird ebenfalls durch Elektrolyse von Wasser hergestellt. Die nur selten verwendeten Kennzeichnungen Rot und Gelb beziehen sich auf den verwendeten Strom: Strommix bzw. Strom aus Kernkraftwerken. Teilweise wird der „nuklear“ erzeugte Wasserstoff als pinker Wasserstoff bezeichnet. 

Bisher noch ohne Farbe: Photosynthetischer Wasserstoff. Die direkte solare Wasserspaltung, sie entspricht dem ersten Schritt der natürlichen Photosynthese, gelingt bereits im Labor, beispielsweise mit Tandem-Solarzellen aus III-V-Halb­leitern mit Rhodium-Nanopartikeln und kristallinem Titandioxid. Eine weitere Option ist die photosynthetische Gewinnung von Wasserstoff mithilfe von Bakterien.

Photosynthetischer Wasserstoff. Die direkte solare Wasserspaltung, sie entspricht dem ersten Schritt der natürlichen Photosynthese, gelingt bereits im Labor, beispielsweise mit Tandem-Solarzellen aus III-V-Halb­leitern mit Rhodium-Nanopartikeln und kristallinem Titandioxid. Eine weitere Option ist die photosynthetische Gewinnung von Wasserstoff mithilfe von Bakterien.

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