Warum das Finanzamt Steuerbescheide nachträglich ändern darf

Zugestellte Steuerbescheide sind nicht unbedingt für immer gültig. Erhält das Finanzamt neue, digitale Daten, kann es den Bescheid entsprechend anpassen – zum Guten oder zum Schlechten.
Im Zweifel hat das Finanzamt Recht
Steuerzahler füllen ihre Steuererklärung in der Regel mit den Daten aus, die Ihnen (als Arbeitnehmer) von der Lohnsteuerbescheinigung, also vom Arbeitgeber, vorgegeben werden. Bei Rentnern sind es die Rentendaten der Deutschen Rentenversicherung (DRV) oder anderer Versicherer.
Bei der Erstellung des Steuerbescheids greifen die Finanzbeamten jedoch auf die digital übermittelten Daten von Arbeitgebern, der DRV oder anderen Versicherungsgesellschaften zu. Und diese können von denen abweichen, die dem Steuerzahler vorliegen.
Die digitalen Daten des Finanzamts überschreiben immer die in der Steuererklärung eingetragenen Werte. Das kann sowohl zum Vorteil als auch zum Nachteil des Steuerzahlers sein. Doch was, wenn diese digitalen Daten erst später eintreffen? Beispielsweise, wenn der Steuerbescheid schon erstellt und verschickt wurde?
Auch bestehende Steuerbescheide dürfen geändert werden
Es gibt eine Änderungsvorschrift, nach der selbst bestandskräftige Steuerbescheide jederzeit geändert werden können. Dies besagt die Änderungsvorschrift nach § 175b Abs. 1 Abgabenordnung (AO). Das hat auch ein Urteil des Bundesfinanzhofs bestätigt (Urteil vom 27. November 2024, Az. X R 25/22).
Der Fall
Ein Steuerzahler hatte in seiner Steuererklärung für das strittige Jahre seine Einkünfte aus der gesetzlichen Rentenversicherung korrekt eingegeben. Das Finanzamt hatte diese jedoch nicht berücksichtigt, da zum Zeitpunkt der Veranlagung (März 2019) noch keine elektronische Rentenbezugsmitteilung vorlag. Der Steuerbescheid erging also am 2. April 2019, ohne dass diese Einkünfte erfasst wurden. Zudem enthielt der Bescheid keinen Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 der Abgabenordnung).
Die Rentenversicherung schickte im Mai 2019 die Rentenbezugsmitteilung in digitaler Form an das Finanzamt. Erst mit einem Bescheid vom 16. Dezember 2020 änderte das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid für 2017 unter Berufung auf die Änderungsvorschrift § 175b Abs. 1 AO und erfasste die Renteneinkünfte.
Das Urteil
Der Betroffene reichte Klage ein, die sowohl das Niedersächsische Finanzgericht als auch der Bundesfinanzhof zurückwiesen. Die Richter entschieden, dass das Finanzamt nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet war, den materiell-rechtlich fehlerhaften Bescheid vom April 2019 zu ändern – auch, wenn die korrekten Daten durch den Steuerpflichtigen bereits zum Zeitpunkt der Steuererklärung vorlagen und nicht berücksichtigt wurden.
Fazit
Es ist sinnvoll, den Steuerbescheid genau zu prüfen und im Zweifel beim Finanzamt nachzufragen. Denn es ist unerheblich, zu welchem Zeitpunkt die Daten, die gemäß § 175b Abs. 1 AO berücksichtigt werden sollen, an die Finanzbehörde übermittelt worden sind.
Danach muss das Finanzamt, das eine Änderung nach § 175b Abs. 1 AO vornehmen möchte, lediglich prüfen, ob zum Zeitpunkt der vorzunehmenden Änderung die "übermittelten Daten im Sinne des § 93c AO bei der Steuerfestsetzung nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt wurden". Diese Voraussetzung ist auch und insbesondere dann erfüllt, wenn die betreffenden Daten dem Finanzamt erstmals nach Ergehen des zu ändernden Bescheids übermittelt worden sind, heißt es im Behördendeutsch.

