Mit Infrarot statt mit hydraulischem System heizen
Strom statt Rohre. Eine großflächige Photovoltaikanlage liefert einen Großteil des Energiebedarfs für Heizung, Warmwasser und Haushaltsstrom. Der Rest wird mit Ökostrom aus dem Netz gedeckt. Geheizt wird mit Infrarot-Modulen an der Decke, Warmwasser liefern autarke Boiler. Ergänzt wird das System durch Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung.
Was nach Zukunft klingt, ist in Aschersleben bereits Realität. In der Keplerstraße 4-10 saniert die städtische Wohnungsgesellschaft AGW ein Plattenbau-Ensemble aus den 1970er Jahren – nach ähnlichen Umbauten in der Kopernikusstraße bereits das dritte Projekt dieser Art.
Statt einer rein technischen Sanierung wurde hier ganzheitlich gedacht: Zwei Geschosse wurden abgetragen, ein neues Dachgeschoss in Leichtbauweise errichtet, die Grundrisse überarbeitet, großzügige Balkone angebaut, Aufzüge eingebaut. Das Ergebnis: mehr Komfort, Barrierefreiheit und moderne Architektur – und das in einem Gebäude, das ursprünglich für ganz andere Standards geplant war.
Trotz technischer Herausforderungen, insbesondere bei Statik und Leitungsführung, konnte mit Unterstützung ehemaliger Plattenbauingenieure eine Lösung gefunden werden. Die Betriebskostenstruktur hat sich grundlegend geändert: Statt hoher Nebenkosten für Heizung, Strom und Abrechnung zahlen die Mieter nun eine Pauschalmiete von rund 11,50 Euro pro m² – inklusive aller Energieverbräuche. Unterm Strich ist das für viele günstiger als vorher.
Angenehme Wärme, hohe Effizienz
Die Vorteile der Infrarottechnik zeigen sich im Alltag deutlich: angenehme Strahlungswärme, kaum Luftverwirbelungen, keine Schimmelbildung an Wärmebrücken – und eine wartungsfreie Technik mit einer Lebensdauer von bis zu 30 Jahren. Kombiniert mit Cradle-to-Cradle-Baustoffen und einem nachhaltigen Mieterstrommodell ergibt sich ein Wohnkonzept, das ökologisch, ökonomisch und sozial überzeugt.
Aschersleben ist kein Einzelfall: Laut Energieexperte Timo Leukefeld, der die Anlagen plante und realisierte, wurden bundesweit bereits rund 1.200 Wohneinheiten nach diesem Prinzip realisiert – etwa ein Drittel davon im Bestand. Das Ziel: bezahlbares, zukunftsfähiges Wohnen unabhängig von fossilen Energieträgern.
Auch für kleinere Häuser geeignet
Dabei ist dies nicht nur ein Modell für Plattenbauten. Leukefeld realisierte auch in Ehingen in Bayern ein kleineres Wohngebäude mit dieser Technologie. 81 % des Energiebedarfs werden hier durch 120 Solarmodule gedeckt. Diese versorgen Haushaltsstrom, Infrarotheizungen und Warmwasserboiler.
Die Bewohner zahlen eine Pauschalmiete von 14,50 Euro pro m², inklusive aller Nebenkosten wie Strom, Heizung, Warmwasser, E-Auto-Ladestation und Internet. Der Energieverbrauch ist jedoch gedeckelt, um Effizienz zu gewährleisten. Dank der Solarenergie und einfachen Technik sind die Betriebskosten extrem niedrig. Für das ganze Haus sind jährlich nur rund 50 Euro Stromkosten aus dem Netzbezug fällig.
Die Einfachheit der Technik, die Unabhängigkeit von externen Energiepreisen und die hohe Rendite (ca. 10 %) machen das Modell sowohl für Investoren als auch für Mieter attraktiv.
Infrarotheizung mit PV – wirtschaftlich und skalierbar
Warum lohnt sich die Technologie also (sicher nicht überall, aber eben doch bei vielen Gebäudetypen)?
Während die Investitionskosten für eine Luft-Wasser-Wärmepumpe mit Photovoltaik und Batteriespeicher bei rund 60.000 Euro liegen, kommt das IR/PV-System – bei vergleichbaren Autarkiegraden – auf nur rund 27.000 Euro, so eine Berechnung von Leukefeld. Die jährlichen Betriebskosten inklusive Haushaltsstrom liegen bei der Infrarot-Lösung bei rund 1.800 Euro, bei der Wärmepumpen-Lösung bei 1.300 Euro. Trotz des höheren Stromverbrauchs überzeugt die Infrarotheizung durch geringe Investitionskosten, Wartungsfreiheit und Unabhängigkeit von volatilen Wärmepumpen-Komponenten.
Auch für Vermieter ist das Modell attraktiv: Durch die Kombination aus höherem Komfort, planbaren Nebenkosten und dem Wegfall vieler Abrechnungsprozesse lassen sich bis zu 2-3 Euro höhere Nettokaltmieten realisieren – ohne Mehrbelastung für die Mieter. Gleichzeitig erhöht sich die Zukunftsfähigkeit der Bestände – eine wichtige Voraussetzung für ESG-Strategien in der Wohnungswirtschaft.
Mit inzwischen über 1.200 realisierten Wohneinheiten (davon rund 400 im Bestand) hat das Konzept seine Skalierbarkeit unter Beweis gestellt. Durch die standardisierte Technik, die modulare Planung und die Möglichkeit der seriellen Umsetzung eignet sich der Ansatz sowohl für kommunale Wohnungsunternehmen als auch für genossenschaftliche oder private Bestandshalter. Besonders geeignet sind Wohngebäude mit klarer Gebäudestruktur, Dachflächen für PV und dezentralen Hausanschlüssen.