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Solarstrom: Energiegemeinschaften als Geschäftsmodell

Sven Ullrich
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Die Lebensmittelkette Unimarkt entstand 1975 als Zusammenschluss regionaler Großhändler aus Oberösterreich. Inzwischen ist Unimarkt in fünf Bundesländern – Oberösterreich, Niederösterreich, Salzburg, Steiermark und Burgenland – mit Filialen unterschiedlicher Größe vertreten.

Die Bandbreite reicht von großen Supermärkten bis hin zu kleinen Uniboxen. Dies sind ­kleine Geschäfte, die in Gemeinden entstehen, in ­denen die Nahversorgung mit Lebensmitteln komplett eingestellt wurde. Der Kunde gelangt jederzeit mit einer Karte in den kleinen ­Laden, kann dort einkaufen und auch selbstständig bezahlen. Großen Wert legt Unimarkt aber nicht nur auf die Versorgung bis zur kleinsten Gemeinde. Auch die Zusammenarbeit mit regionalen ­Bäckern, Fleisch- und Wurstproduzenten sowie mit bäuerlichen Betrieben, die ihre Produkte über die Filialen von Unimarkt an die Kunden bringen, ist dem Unternehmen wichtig.

Die Idee hinter den Energiegemeinschaften ist, dass Gebäude mit Solaranlagen benachbarte Häuser ohne Photovoltaik mitversorgen.

Unternehmen dürfen teilnehmen

Diese regionale und örtliche Zusammenarbeit weitet Unimarkt jetzt aus. Denn die Hauseigentümer, Landwirte, Gewerbetreibenden vor Ort können über und an Unimarkt überschüssigen Solarstrom vertreiben. Möglich wird dies durch eine Regelung im neuen Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG), das das österreichische Parlament im Juni 2021 verabschiedet hat und das inzwischen auch in Kraft getreten ist.

Denn ein zentraler Punkt in diesem Gesetz ist die Zulassung von erneuerbaren Energiegemeinschaften. Diese sind im Paragraf 79 des EAG geregelt. Dabei handelt es sich um den Zusammenschluss von mindestens zwei ­Beteiligten, die gemeinsam eine Ökostromanlage ­betreiben und den Strom aus dieser Anlage nutzen. Teilnehmen an den Energiegemeinschaften dürfen natürliche Personen, Gemeinden, Kommunen und andere öffentliche Einrichtungen. Auch für kleine und mittlere Unternehmen ist die Teilnahme zulässig.

Die Gemeinschaften können in Form von Vereinen, Genossenschaften oder auch als Personen- oder ­Kapitalgesellschaften gegründet werden. Wichtig ist, dass der finanzielle Gewinn nicht im Vordergrund steht. Dies muss im Vertrag der ­Gemeinschaft festgehalten sein, wenn es sich nicht schon aus der Gesellschaftsform ergibt.

Wie der Name schon klar bestimmt, muss es sich zwingend um Ökostromanlagen handeln, die die Gemeinschaft betreibt. Derzeit geht es hier vor allem um Solaranlagen. Denn die Regelung ist charmant: Mit der Gründung einer Energie­gemeinschaft können Eigentümer von Solaranlagen ihren Überschussstrom an Nachbarn liefern, die keine Photovoltaik auf dem Dach haben. Dadurch steigt der Anteil des Solarstroms, der regional genutzt wird und nicht über Strombörsen als Graustrom vermarktet werden muss.

Dies ist nicht nur für private Hauseigentümer interessant, sondern auch für Unternehmen. Denn diese nutzen zwar in der Regel den größten Teil des Solarstroms ohnehin in der eigenen Produktion. Allerdings fällt vor allem an den ­Wochenenden Überschussstrom an. Diesen können ­Haushalte nutzen, die in dieser Zeit den höchsten Strombedarf haben.

Firmen nutzen den Solarstrom unter der Woche, Nachbarn am Wochenende.

Mit dieser Möglichkeit will die Regierung in Wien vor allem den Solarstromausbau voranbringen. „Hauptziel ist, dass die erneuerbaren Energiegemeinschaften in den nächsten Jahren ein wichtiger Bestandteil in der österreichischen Energiewirtschaft werden“, erklärt ­Stephan Heidler auf der diesjährigen Herbsttagung der österreichischen Photovoltaik- und Speicherbranche, die PV Austria und die Technologieplattform Photovoltaik organisiert haben. Dem neuen Ansatz der Energiegemeinschaften widmeten die Organisatoren einen ganzen Block in der Veranstaltung.

Mustervertrag in Arbeit

Heidler ist als Referent für ­Energiegemeinschaften beim Klima- und Energiefonds unter ­anderem zuständig für eine eigens zur Unterstützung solcher gemeinschaftlich betriebener Anlagen eingerichtete Koordinierungsstelle. Sie berät Interessenten an ­Energiegemeinschaften rund um die Gründung und den Netzzugang. Sie stellt zudem ­Informationen bereit, wie Energiegemeinschaften funktionieren. Auf dem Aufgabenzettel der Koordinierungsstelle steht ­zudem die Ausarbeitung eines Leitfadens und von Musterverträgen, um die Schwelle zur Energiegemeinschaft zu ­senken.

Die Vorteile liegen für Heidler auf der Hand. In erster Linie ist es wirtschaftlich. Zwar lohnt sich die Investition in eine Photovoltaikanlage selbst in Österreich mit seinen moderaten Strompreisen auch ohne Förderung. Voraussetzung ist ein hoher Eigenverbrauchsanteil. Doch ist die Überschusseinspeisung kaum lohnenswert. Zumal das EAG eine Förderung mittels Einspeisetarifen nicht mehr kennt.

Niedrigere Strompreise

Dieses Problem besteht mit den Energiegemeinschaften kaum noch. Denn einerseits können die Beteiligten den Strompreis untereinander aushandeln. Da hier alle Seiten mit dem Preis zu­frieden sein müssen, ist gesichert, dass diese niedriger ausfallen als die Strompreise beim Versorger.

Andererseits fließt der Überschussstrom an einen Verbraucher in der Nachbarschaft und muss nicht im Netz gehandelt werden. Ein dritter wirtschaftlicher ­Vorteil ist, dass die Energiegemeinschaften für den eingespeisten Überschussstrom eine Marktprämie bekommen können. Voraussetzung ist, dass sie weniger als die Hälfte der von der ­gemeinschaftlich betriebenen Anlage ­erzeugten Strommenge einspeisen.

Ein riesiger wirtschaftlicher Vorteil ist aber auch die Reduzierung der Netzentgelte für den vor Ort verbrauchten gemeinschaftlich produzierten Solarstrom. Dieser Vorteil fällt – je nach genutzter Netzebene – unterschiedlich groß aus. Bleibt der genutzte Strom innerhalb des Einzugsgebietes eines Ortsnetztrafos, sinken die Kosten für die Netznutzung um 57 Prozent im Vergleich zum normalen Strombezug.

Regionale Energiegemeinschaften erstrecken sich über mehrere Ortsnetztrafos, bleiben aber im Gebiet einer Umspannstation. Hier sinken die Netzentgelte um 28 Prozent für die Nutzung des Niederspannungsnetzes und um 64 Prozent für die Nutzung des Mittelspannungsnetzes. „Ein Durchschnittshaushalt kann sich durch die Teilnahme an einer Energiegemeinschaft allein bei den Netzgebühren samt zugehöriger Abgaben 50 bis 70 Euro pro Jahr ersparen“, erklärt Werner Hengst, Geschäftsführer von Netz Niederösterreich. Diese Rabatte machten den Netzbetreibern lange Zeit Sorgen. Doch inzwischen unterstützen sie die Energiegemeinschaften. „Denn diese Gemeinschaften entlasten die Netze, weil im Idealfall möglichst viel Strom direkt am Ort der ­Erzeugung verbraucht wird und nicht über weite Strecken transportiert werden muss“, beschreibt Brigitte Ederer den Vorteil für die Netzbetreiber. Sie ist Sprecherin des Forums Versorgungssicherheit, einer gemeinsamen Plattform der ­Verteilnetzbetreiber von Wien, Niederösterreich, ­Oberösterreich, Burgenland und Linz.

Die Netzbetreiber stellen sich sogar auf eine regelrechte ­Gründungswelle ein und haben entsprechende organisatorische und technische Vorbereitungen getroffen. Hier geht es vor allem um den Datenaustausch. Dieser läuft aufseiten der ­Netzbetreiber , danke HSüber die Kommunikationsplattform „energiewirtschaftlicher Datenaustausch (EDA)“. Darüber rechnet die Gemeinschaft ihre Verbrauchsdaten ab. „Wir können mit den erneuerbaren Energiegemeinschaften starten. Nichts sollte uns mehr daran hindern, dass wir damit loslegen“, betont Andreas Lugmaier, Obmann von Smartgrid Austria. „Wichtig ist aber, dass wir massenfähige Lösungen auf den Weg bringen.“ Eine dieser Lösungen setzt Unimarkt beim Aufbau der EEG ein. Diese ist eine gemeinschaftliche Entwicklung der FH Technikum Wien und Reisenbauer Solutions.

Sie wird derzeit in Waldhausen im unteren Mühlviertel in Oberösterreich getestet. „Unsere Plattform ­visualisiert in Echtzeit sämtliche Energiedaten innerhalb der Gemeinschaft“, sagt Kurt ­Leonhardtsberger, der das Projekt vonseiten der TH Technikum Wien betreut und die Plattform mitentwickelt hat.

Dadurch hat jedes Mitglied der Energiegemeinschaft von ­Unimarkt den Überblick, was mit seiner ­Energie passiert. „Auf der anderen Seite ist die Plattform in der Lage, vollautomatisch abzurechnen“, sagt Leonhardtsberger. Dazu verarbeitet sie im ­Hintergrund vollautomatisch die Daten aus den intelligenten Zählern der Teilnehmer und schreibt die in die Gemeinschaft gelieferte Energiemenge gut beziehungsweise stellt die genutzte Energiemenge in Rechnung.

Mit Energie einkaufen

Diese Abrechnung erfolgt in der Regel in Euro. Unimarkt hingegen schreibt den Energielieferanten Punkte auf einem ­Paybackkonto gut. Damit können die Betreiber der Solaranlage, die den Strom in die Energiegemeinschaft von Unimarkt liefern, beim Lebensmittelhändler einkaufen gehen. Den gelieferten Strom nutzen die Märkte und Uniboxen selbst. Er kann aber auch an Kunden von Unimarkt geliefert werden, die die Energie wiederum mit gesammelten Paybackpunkten bezahlen.

Bei der Entwicklung ihrer Plattform haben die Projektpartner auf einen möglichst breiten Zugang geachtet, damit die Anlagenbetreiber keine zusätzlichen Geräte nachrüsten müssen, um an der Energiegemeinschaft teilzunehmen. Dazu ­arbeiten sie mit der Anwenderplattform und den ­Portalen der Netzbetreiber zusammen.

So bekommt die Gemeinschaft die Daten aus den Smart Metern der Beteiligten zwar erst bis zu 24 Stunden später. Doch reicht das aus, um die Erzeugung mit den Verbrauchsdaten abzugleichen und entsprechend ­turnusmäßig abzurechnen. „Wir haben aber auch noch andere Möglichkeiten vorgesehen“, sagt Leonhardtsberger. „So können die Betreiber von Anlagen mit Wechselrichtern von ­Fronius voll automatisiert und in Echtzeit unserer Plattform die Daten aus dem Solar Web zur

Verfügung stellen.“

Energie gut verteilen

Außerdem hat der Anbieter von Smart-Meter-Plattformen Cuculus einen Lesekopf für mehrere in Österreich verbaute intelligente Zähler entwickelt. Auch über diesen kann die Plattform auf die Daten aus dessen ­Generator zugreifen.

Hinter der Plattform liegt noch ein Energiemanagementsystem. Es ­empfängt die Daten aus der Energiegemeinschaftsplattform und setzt sie in Befehle um. So können bei Unimarkt die Kühl- und Gefriertruhen eingeschaltet werden, wenn zu viel Solarstrom innerhalb der Gemeinschaft vorhanden ist.

Dies ist nur ein erstes Pilotprojekt. Leonhardts­berger geht davon aus, dass der Testbetrieb bis Mitte 2022 abgeschlossen ist. „Dann werden wir weitere Standorte von Unimarkt mit Energiegemeinschaften ­erschließen“, sagt er.

https://energiegemeinschaften.gv.at

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