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Graue Energie bewahren: Die nachhaltige Alternative zum Abriss

Claudia Siegele
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Das Thema graue Energie rückt auch in der Energieberaterszene immer mehr in den Fokus – es genügt längst nicht mehr, effiziente Rezepturen für Neubauprojekte und Sanierungen parat zu haben, die maximale Fördererlöse ermöglichen und sich über die Betriebsphase innerhalb einer möglichst kurzen Frist durch eingesparte Energiekosten finanziell „lohnen“, nein: Es geht im Sinne des nachhaltigen und ressourcenschonenden Bauens endlich verstärkt um die Kardinalsfrage, wie die Energie- oder Ökobilanz eines Gebäudes oder eines ganzen Quartiers aussieht, wenn auch die in der grauen Energie versteckten energetischen Aufwendungen mit in die Rechnung einbezogen werden. Also wenn der gesamte, der umfassende Lebenszyklus von Hochbauprojekten mit allen anverwandten Aspekten bei der Suche nach der „effizientesten Lösung“ einfließt.

Insbesondere bei der Frage, ob Abriss und Neubau diesbezüglich vorteilhafter sind als eine umfassende und durchdachte Sanierung; respektive, ob der Bau von Einfamilienhäuschen heutzutage energiebilanziell und ökologisch besehen im Vergleich nicht eher dem Kauf eines SUV gleichkommt, der – egal ob elektrifiziert, hybrid oder komplett fossil unterwegs – unterm Strich weitaus mehr Ressourcen in Anspruch nimmt als jeder andere Pkw. Der Verbrauch eines SUV auf hundert Kilometer beziehungsweise der jährliche Energiebedarf eines Einfamilienhauses ist dabei nur ein Aspekt.

Oft vergessen werden bei solchen Vergleichen indes viele andere, ebenfalls begrenzte Ressourcen auf unserer nicht vom Wachstum profitierenden Erdkugel, die in eine Bilanz auch mit einzuberechnen sind: Die Herstellungsenergie für die erforderlichen Baustoffe (Beton, Holz, Stahl, Ziegel, ...) und Produkte (Dämmung, Heizanlage, PV, Verglasung, ...), der Flächenverbrauch eines Gebäudes geteilt durch seine Bewohner, die dem einzelnen Gebäude zuzurechnenden energie- und ökobilanziellen „Begleitaufwendungen“ für Erschließung (Straßen, Park­raum, Tiefbau für Versorgungsinfrastruktur, ÖPNV, ...) sowie letztlich auch die Auswirkungen des zunehmenden Individualverkehrs, die nicht selten in den Bau von Umgehungsstraßen münden. Alles zusammengefasst unter dem Begriff „graue Energie“. Insofern kann und muss man als Planer und Energieberater bei der Beratung von Kunden generell die Frage stellen: Muss denn unbedingt neu gebaut werden oder wäre der Kauf einer Wohnung oder eine Sanierung nicht auch eine Option?

Die häufigste Ursache für den Abriss eines Wohngebäudes ist mit 69 Prozent der sogenannte „Ersatzneubau“, also der Abriss und Neubau eines Hauses an gleicher Stelle.

Aus alt mach neu oder doch lieber neu vor alt?

Diese Überlegung vor dem Hintergrund der ökologischen Konsequenzen in Bezug auf Ressourcen, Energie und Flächenverbrauch, vor allem aber auch hinsichtlich des Klimaschutzes sollte bei der Schaffung neuen Wohnraumes eine Selbstverständlichkeit sein. Doch überwiegen zumeist eingefahrene Sichtweisen. Das „Häuschen im Grünen“ steht in Deutschland unangefochten auf Platz eins, wenn es um die Frage nach den Vorlieben des Wohnens geht. Die versteckten Potenziale von Altbauten oder gewachsenen Quartieren geraten beim Spaziergang durch die Neubaugebiete schnell aus dem Blick – warum einen alten Bunker aufhübschen, auf vorhandene Zwänge und Kostenrisiken eingehen, wenn ich mir mein Häuschen aus dem Katalog aussuchen kann oder einen Architekten an der Hand habe, dessen Entwurf exakt meinen Wünschen entspricht?

Welche Bauwilligen machen sich schon Gedanken über Optionen, deren Vorteile sie gar nicht kennen? Welcher Laie kann mit dem Begriff „graue Energie“ tatsächlich etwas anfangen, ihn quantifizieren? Warum wohl kursieren in der Öffentlichkeit Mythen wie jene, dass die Herstellungsenergie von Dämmstoffen so hoch sei, dass sie durch die energetischen Einspareffekte niemals wieder kompensiert, und schon gar nicht überkompensiert werden könnte? Wer denkt schon darüber nach, welchen Einfluss große Glasflächen auf die Ökobilanz eines Gebäudes haben? Oder wie viele Ressourcen für den Bau, aber auch die Erschließung eines neuen schicken „Häuschens im Grünen“ draufgehen, während verlassene Altbauten in vernachlässigten Quartieren zu Ruinen verkommen, weil es an Ideen und Vorstellungskraft fehlt, die Potenziale des Bestands zu nutzen?

Hier stehen auch die Bauämter der Gemeinden und Städte in der Pflicht, die mit dem Ausweisen neuer Baugebiete weitaus schnell bei der Hand sind, aber die bestehenden Schätze in der Ortsmitte kaum oder nur halbherzig behüten und bewahren. Oder sich Konzepte für das Nachverdichten von Siedlungen zu überlegen und sie so attraktiv auszugestalten, dass sich die Vorteile im gewachsenen Quartier gegenüber dem Einfamilienhäuschen im gesichtslosen Neubaugebiet quasi aufdrängen.

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