Studie: Ladeinfrastruktur für E-Autos in Mehrparteienhäusern möglich?

Rund 80 Prozent der in Deutschland zugelassenen Elektroautos werden zu Hause geladen. Während Eigenheimbesitzer meist problemlos einen Ladeplatz einrichten können, gestaltet sich die Situation für die rund 70 Prozent der Wohnungen, die sich in vermieteten Mehrparteienhäusern befinden, deutlich schwieriger. Die aktuelle Studie »Laden in Mehrparteienhäusern« des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI) analysiert die Rahmenbedingungen und beleuchtet die Sichtweisen der Wohnungswirtschaft sowie der Bewohnenden.
Anspruchsvolle Umsetzung trotz verbesserter Rahmenbedingungen
Seit 2026 ist für die Installation von separaten Ladepunkten in allen Bundesländern keine Baugenehmigung mehr erforderlich. Zusätzlich profitieren private Ladepunkte in Mehrparteienhäusern von Erleichterungen bei Netzentgelten und Stromsteuer, insbesondere im Hinblick auf das bidirektionale Laden. Für Neubauten und Renovierungen gelten verbindliche Vorgaben zur Vorbereitung und zum Einbau von Lademöglichkeiten.
Trotz dieser Fortschritte bleibt die Umsetzung komplex. Die Studie betont, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen weiter vereinfacht werden sollten, um die Installation und Nutzung von Ladeinfrastruktur in Mehrparteienhäusern zu erleichtern.
Diese Herausforderungen gibt es für die Wohnungswirtschaft
Die Wohnungswirtschaft ist ein zentraler Akteur beim Ausbau der Ladeinfrastruktur. In der Studie wurden vier kommunale Wohnungsunternehmen und drei Wohnungsgenossenschaften aus ganz Deutschland interviewt, die jeweils zwischen 3.000 und 80.000 Wohnungen betreuen. Eine der größten Herausforderungen bleibt die unsichere zukünftige Nachfrage nach Elektroautos und Ladepunkten, wodurch Vorleistungen für möglicherweise ungenutzte Infrastruktur entstehen können.
Technisch limitiert die Netzanschlusskapazität häufig die Anzahl gleichzeitig möglicher Ladevorgänge. Intelligentes Lastmanagement kann zwar Abhilfe schaffen, verursacht jedoch zusätzliche Kosten, ebenso wie die Integration von Photovoltaik-Anlagen. Die Wirtschaftlichkeit von Ladeinfrastruktur ist für viele Unternehmen bislang nicht gegeben.
In urbanen Gebieten verschärft sich die Situation durch den Mangel an Stellplätzen. Die Umwandlung von Verbrenner-Stellplätzen in reine Elektroauto-Ladeplätze birgt Konfliktpotenzial und kann zu zusätzlichem Parkdruck führen. Zudem ist oft unklar, ob und wie sich die Kosten der Ladeplätze auf alle Parteien umlegen lassen. Gleichzeitig kann ein Angebot an Ladeinfrastruktur in Regionen mit einem größeren Wohnungsangebot als -nachfrage die Attraktivität eines Standorts für Mietende erhöhen.
Nutzerakzeptanz und Präferenzen der Bewohnenden beachten
Für die Akzeptanz und Nutzung der Ladeinfrastruktur sind die Präferenzen der Bewohnenden entscheidend. In einer repräsentativen Umfrage wurden 1.472 Personen aus Mehrparteienhäusern befragt. Die private Wallbox ist im Durchschnitt die attraktivste Lösung. Alternativen wie geteiltes Laden im Wohnhaus oder das Laden am Arbeitsplatz werden ebenfalls akzeptiert, während Quartierslösungen ohne Kostenvorteil und öffentliche Ladepunkte auf wenig Zustimmung stoßen.
Die Hälfte der Befragten bevorzugt eine Entfernung von maximal 100 Metern zwischen Wohnung und Ladestation. Etwa 20 Prozent sind bereit, Distanzen von 500 Metern oder mehr in Kauf zu nehmen, was unterschiedliche Möglichkeiten für die Gestaltung von Ladelösungen eröffnet.
Beim Preis zeigen sich die Befragten kostenbewusst: Für eine Fahrt von 100 Kilometern würden sie im Schnitt knapp 7 Euro für das Laden bezahlen, was dem durchschnittlichen Haushaltsstromtarif entspricht. Für Kraftstoffe werden im Mittel gut 11,50 Euro gezahlt.
Hier gibt es noch Förderbedarf
Die Studie empfiehlt, den Ausbau der Ladeinfrastruktur für Bewohnende von Mehrparteienhäusern politisch und finanziell zu unterstützen. Wohnungsunternehmen können als Multiplikatoren agieren, da etablierte Lösungen an weiteren Standorten mit ähnlichen Voraussetzungen kosteneffizient ausgerollt werden können. Die Kombination verschiedener Ladelösungen, wie geteilte Ladepunkte im Haus, kann die Versorgungssicherheit erhöhen und Synergieeffekte schaffen.
Die Autorinnen und Autoren fordern eine weitere Reduzierung der rechtlichen Komplexität und eine verlässliche Förderung, um Unsicherheiten abzubauen und die Wirtschaftlichkeit zu verbessern. Dr. Annegret Stephan, Projektleiterin am Fraunhofer ISI, hebt hervor: »Beim Laden für Bewohnende von Mehrparteienhäusern gibt es keine one-size-fits-all-Lösung. Für einen effizienten Ausbau können unterschiedliche Lösungen ausgewählt und gegebenenfalls auch kombiniert werden. Neben den lokalen Gegebenheiten sind auch die Präferenzen der Bewohnenden entscheidend. Und nicht zu vergessen: Eine Lademöglichkeit kann insbesondere eine Mietwohnung auch attraktiver machen.«
Ausblick: Vielfältige Lösungen für die Zukunft der Elektromobilität
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass der Ausbau der Ladeinfrastruktur in Mehrparteienhäusern differenzierte, flexible Ansätze erfordert. Die Integration verschiedener technischer und organisatorischer Lösungen sowie eine gezielte Förderung können dazu beitragen, die Elektromobilität für breite Bevölkerungsschichten zugänglich zu machen und die Klimaschutzziele im Verkehrssektor zu erreichen.
