Bivalente Wärmepumpenanlagen im Ein- und Zweifamilienhaus: Wer profitiert wirklich?
In der aktuellen Diskussion um die Energiewende werden bivalente Wärmepumpenanlagen häufig als ideale Lösung für Ein- und Zweifamilienhäuser präsentiert. BicTech-Unternehmen, Newcomer und Seiteneinsteiger favorisieren mit raffinierter und brilianter Werbung und Herstellerinformationen Hybrid-Wärmepumpenanlagen im Ein- und Zweifamilienhaus. Sie betonen dabei vor allem die Vorteile dieser Systeme. Doch bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass diese Darstellung oft unvollständig ist und wichtige Nachteile verschwiegen werden. Insbesondere stellt sich die Frage: Wer profitiert tatsächlich von bivalenten Systemen in kleinen Wohngebäuden?
Technische Grundlagen bivalenter Systeme
Bivalente Wärmepumpenanlagen kombinieren eine Wärmepumpe mit einem zweiten Wärmeerzeuger, meist einem Gas- oder Ölkessel. Ziel ist es, die Wärmepumpe bei moderaten Außentemperaturen effizient zu betreiben und bei niedrigen Temperaturen den konventionellen Kessel zur Unterstützung hinzuzuschalten, ohne Veränderungen bei den Heizflächen vornehmen zu müssen. Der sogenannte Bivalenzpunkt bestimmt die Außentemperatur, bei der der zweite Wärmeerzeuger aktiviert wird.
Wirtschaftliche und energetische Betrachtung von Hybridsystemen
In Ein- und Zweifamilienhäusern mit gut gedämmter Gebäudehülle und modernen Heizsystemen ist der Einsatz eines zweiten Wärmeerzeugers oft nicht notwendig. Aber auch bei weniger gutem Zustand der Gebäudehülle reichen oft schon geringfügige Dämmaßnahmen, wie die Dämmung der obersten Geschoßdecke und/oder der Kellerdecke schon aus, um die Voraussetzungen für eine monoenergetische Wärmepumpenanlage zu erreichen. Die alleinige Nutzung einer richtig dimensionierten Wärmepumpe kann den Wärmebedarf vollständig decken. Die Umrüstung auf größere Heizflächen oder die Optimierung der Heizkurve sind in vielen Fällen kostengünstiger und effizienter als die Installation eines bivalenten Systems.
Entscheidend ist auch, dass die Investitionskosten für eine monovalente oder monoenergetische Wärmepumpenanlage häufig sogar günstiger sind als für eine bivalente Lösung. Der Grund: Bei bestehenden Gas- oder Ölheizungen muss der Schornstein auf Brennwerttechnik saniert werden – eine zusätzliche Investition, die bei einer reinen Wärmepumpenanlage entfällt. Hinzu kommt, dass bei bivalenten Systemen zusätzliche Technik wie Umschaltventile, Pumpen und Regelungen erforderlich ist, die weitere Kosten verursachen.
Bei den laufenden Betriebskosten macht sich die doppelte Wartung besonders negativ bemerkbar. Neben der Wartung der Wärmepumpe muss auch der fossile Wärmeerzeuger regelmäßig gewartet werden. Dazu kommen die Abgasmessungen und Prüfungen durch den Bezirksschornsteinfeger sowie oft ein separater Strom- und Gaszähler – alles Posten, die sich im Jahr schnell zu mehreren hundert Euro addieren. Bei einer monovalenten/monoenergetischen Wärmepumpe entfallen diese wiederkehrenden Kosten vollständig.
Darüber hinaus ist zu beachten, dass bivalente Wärmepumpenanlagen Monovalente und bivalente Anlagen zurzeit gleich gefördert werden, aber dass der Aufwand dafür bei bivalenten Anlagen wesentlich höher ist. Monovalente und bivalente Anlagen werden nur gleich gefördert, solange sie die notwendigen technischen Voraussetzungen erfüllen und ggf. die Boni (Tauschstichtag, Effizienz, Einkommen) in Anspruch nehmen. Unterschiede gibt es nur beim technischen Nachweis der Effizienz, nicht beim Fördersatz. Im Rahmen des Technischen Projektnachweises (TPN) muss nachgewiesen werden, dass bei einer bivalenten Anlage der vorgeschriebene Anteil zur Deckung des Wärmebedarfes durch die Wärmepumpe den Vorgaben nach GEG/BEG entspricht, d.h. dass die Wärmepumpe mindestens 65 % des gesamten Wärmebedarfs decken muss.
Zusätzliche Kosten und Wartungsaufwand
Bivalente Systeme verursachen daher höhere Investitions- und Betriebskosten. Neben der Anschaffung des zweiten Wärmeerzeugers fallen zusätzliche Wartungsarbeiten, Schornsteinfegergebühren und mögliche Reparaturen an. Zudem bleibt die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen bestehen, was langfristig sowohl ökologische, als auch ökonomische Nachteile mit sich bringt.
Hinzu kommt, dass die Hydraulik einer reinen Wärmepumpenanlage für den Installateur wesentlich einfacher, überschaubarer und damit weniger fehleranfällig ist. Monovalente/monoenergetische Systeme lassen sich in der Regel schneller und mit weniger Aufwand installieren und einstellen, was nicht nur Kosten spart, sondern auch die Betriebssicherheit und Effizienz der Anlage erhöht.
Schornstein blockiert, PV-Eigenverbrauch erschwert
Eine monovalente/monoenergetische Wärmepumpenanlage ermöglicht zudem noch eine höhere Eigenverbrauchsquote bei der Nutzung von Photovoltaikanlagen. Die Integration eines zweiten Wärmeerzeugers erschwert diese Optimierung und reduziert die Unabhängigkeit von fossilen Energiequellen.
Zudem bleibt der Schornstein durch den konventionellen Kessel blockiert, wodurch die Möglichkeit entfällt, einen Kaminofen als Notheizung bei Stromausfällen zu nutzen.
Profiteure bivalenter Systeme
Von bivalenten Anlagen profitieren vor allem:
- Installateure: Durch den Verkauf und die Installation zusätzlicher Komponenten und höhere Wartungskosten und -aufwand.
- Hersteller: Durch den Absatz komplexerer Systeme mit höherem Gewinn.
- Beim Schornsteinfeger nimmt es sich letztendlich nicht viel, ob er die Abgasmessung beim Brennwertgerät alle zwei Jahre durchführt oder ob er den Schornstein für den Kaminofen regelmäßig kehrt und die Feuerstätte kontrolliert. Vorausgesetzt, ein solcher ist vorhanden.
Für den Endverbraucher hingegen stehen die zusätzlichen Kosten und der höhere Wartungsaufwand oft in keinem Verhältnis zum Nutzen.
Falsche Auslegung des Bivalenzpunkts
In der Praxis wird der Bivalenzpunkt häufig zu hoch angesetzt, beispielsweise bei +5 °C statt bei -5 °C. Dies führt dazu, dass der konventionelle Kessel häufiger einspringt, wodurch die Wärmepumpe weniger effizient arbeitet und die erwarteten Energieeinsparungen nicht realisiert werden.
Zusätzliche Risiken und systemische Nachteile bivalenter Anlagen
Neben den bereits genannten wirtschaftlichen und technischen Nachteilen ergeben sich bei bivalenten Heizsystemen folgende weitere Risiken und Zusatzbelastungen:
- Gaspreisrisiko durch Mindermengenzuschlag:
Bei bivalenten Anlagen mit Gas-Brennwertkessel kann es bei zu geringer jährlicher Gasabnahme vorkommen, dass der Versorger einen Mindermengenzuschlag („Tarif Mindermenge“) erhebt. Dadurch steigt der spezifische Gaspreis erheblich an und die ohnehin knappe Wirtschaftlichkeit verschlechtert sich weiter. Analog trifft dies natürlich auch beim Zukauf kleinerer Ölmengen zu. - Erhöhtes Störungsrisiko:
Zwei unabhängige Wärmeerzeuger sorgen für Redundanz und brennstoffpreis-geregelte Betriebsweise. Gleichzeitig besteht bei zwei Wärmeerzeugern ebenfalls die Möglichkeit, dass Störungen an beiden Geräten auftreten können, was zu erhöhtem Kontrollaufwand und Stress mit den Handwerkern führen kann. - Langfristig doppelte Ersatzinvestitionen:
Da beide Wärmeerzeuger altern, müssen sie ggf. zu unterschiedlichen Zeitpunkten ersetzt oder modernisiert werden. Dies führt zu mehrfachen Investitionen und erhöhten Instandhaltungskosten gegenüber einer monovalenten/monoenergetischen Lösung. - CO₂-Bepreisung verteuert Gas weiter:
Die fortschreitende CO₂-Bepreisung im Rahmen der nationalen und europäischen Klimapolitik wird den Gaspreis in den nächsten Jahren weiter signifikant erhöhen. Dies betrifft bivalente Anlagen besonders und verschlechtert deren Wirtschaftlichkeit zusätzlich. - Höhere Anforderungen an Fachpersonal und Systemtechnik:
Die Planung, der hydraulische Abgleich und die Regelung bivalenter Anlagen sind deutlich anspruchsvoller als bei monovalenten Wärmepumpen. Dies stellt erhöhte Anforderungen an Heizungsbauer und Servicetechniker und erhöht die Gefahr von Fehlauslegungen und Störungen. Dem Autor sind durch seine Gutachtertätigkeit mehrere bivalente und Hybridanlagen bekannt, bei denen es zu Problemen durch Fehler in der Planung und bei der Installation gekommen ist und die bezüglich Wirtschaftlichkeit sehr zu wünschen übriglassen. Oft wird über dem Rechtsweg versucht, Abhilfe zu schaffen. In einem Fall verurteilte das Landgericht (Bad Kreuznach) schließlich den Installateur zum Rückbau der Anlage. Die Hersteller kommen dabei meistens mit einem blauen Auge davon, obwohl sie in konkreten Fällen den Installateur schlecht beraten haben.
Fazit
Für Ein- und Zweifamilienhäuser ist der Einsatz bivalenter Wärmepumpenanlagen in den meisten Fällen weder wirtschaftlich noch energetisch sinnvoll. Eine sorgfältige Planung und die Entscheidung für ein monovalentes/monoenergetisches Wärmepumpensystem mit entsprechender Anpassung der Heizflächen und Heizkurven bieten langfristig mehr Vorteile. Es ist wichtig, die tatsächlichen Bedürfnisse und Gegebenheiten des Gebäudes und des Betreibers zu analysieren und sich nicht von teurer, cleverer und einseitiger gemachter Werbung beeindrucken zu lassen.
Im Mehrfamilienhaus oder in der Industrie ist der Einsatz bivalenter Wärmepumpenanlagen oft zwingend die bessere Lösung, vor allem, wenn es sich um stark wechselnde Lasten und um Großanlagen bei der Warmwasserbereitung handelt. Mehr dazu findet man in der 3. erweiterten Auflage „Effizienter Betrieb von Wärmepumpenanlagen" beim VDE- Verlag und in „Wärmepumpen für Heizung und Warmwasser“ von Stiftung Warentest.