Kritik an Plänen zur Stromsteuersenkung nur für Industrie

Wirtschaftsverbände wie der Handelsverband Deutschland, der Zentralverband des Deutschen Handwerks und die Deutsche Industrie- und Handelskammer werfen der Regierung Wortbruch vor. Sie fordern eine Entlastung für alle Branchen und Verbraucher, wie ursprünglich versprochen.
Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) begründet die Entscheidung mit begrenzten finanziellen Möglichkeiten. Die Regierung verweist auf andere geplante Entlastungen für Bürger. Kritiker sehen darin jedoch einen Vertrauensverlust und eine Gefahr für die Akzeptanz der Energiewende.
Die Pläne sind Teil des Haushaltsentwurfs für 2025, der noch im Parlament beraten wird. Änderungen sind daher noch möglich.
BWP: Absenkung der Stromsteuer ist ein Wahlversprechen
Entgegen monatelangen Ankündigungen und Zusagen aus CDU/CSU und SPD sehen die haushaltspolitischen Eckpunkte für 2026 bis 2029 keine Absenkung der Stromsteuer für alle Verbraucher vor. Der Bundesverband Wärmepumpe (BWP) e.V. ruft die Bundesregierung dazu auf, ihre Pläne schnellstmöglich zu überdenken. Mit Blick auf den zeitgleich vorgelegten Gesetzentwurf für den Bundeshaushalt des laufenden Jahres begrüßt der Verband, dass die Finanzierung der BEG-Förderung auf eine solide Basis gestellt wird.
Die Absenkung der Stromsteuer für Industrie, Gewerbe und Haushalte ist nach dem Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung eine gesetzte politische Maßnahme zur Entlastung. Dort heißt es: „Dafür werden wir als Sofortmaßnahme die Stromsteuer für alle auf das europäische Mindestmaß senken“ – doch dazu soll es jetzt nach dem durch das Bundeskabinett beschlossenen Eckpunktepapier in Sachen Stromsteuer für private Verbraucher und Gewerbeunternehmen vorerst nicht kommen. Dr. Martin Sabel, Geschäftsführer des BWP mahnt: „Die Absenkung der Stromsteuer für alle ist ein zentrales Versprechen von Union und SPD. Nach dem Regierungswechsel haben viele Bürger zurecht die Erwartung, dass dieses Versprechen zügig umgesetzt wird.“
Verband sieht Akzeptanz und Glaubwürdigkeit gefährdet
Dabei, so Sabel, hätten die Verbraucher längst verstanden, dass es bei der Heizung eindeutig auf die Wärmepumpe hinausläuft. Nachfrage, Förderanträge und Absatz seien auch im Vertrauen auf sinkende Strompreise über die letzten Monate gestiegen: „Wer Akzeptanz und Glaubwürdigkeit der Energiewende stärken will, darf nicht bei zentralen Versprechen zurückrudern“, so der Verbandgeschäftsführer. „Wenn der Gesetzgeber gleichzeitig den Gaspreis über Zuschüsse zur Gasspeicherumlage subventioniert, aber Versprechungen zum Strompreis nicht einhält, sendet das ein falsches Signal.“
Strompreisentlastung als Kompensation für steigende CO₂-Kosten
Die im Koalitionsvertrag angekündigte Entlastung der Strompreise war darüber hinaus nicht nur energiepolitisch, sondern auch sozialpolitisch begründet: Sie sollte die Belastungen durch den steigenden CO₂-Preis abfedern, insbesondere im Zuge der Einführung des EU-Emissionshandels für die Sektoren Gebäude und Verkehr (ETS2).
„Die Koalition hat den Emissionshandel zum zentralen Leitinstrument der Klimapolitik erklärt. Wenn die Strompreisentlastung nun nicht kommt, während die CO₂-Kosten weiter steigen, entsteht ein politisch gefährliches Ungleichgewicht“, warnt Sabel: „Das Vertrauen in eine sozial ausgewogene Klimapolitik steht auf dem Spiel.“
Alternativen zur Stromsteuerreform
Sollte eine unmittelbare Absenkung der Stromsteuer aus haushaltspolitischen Gründen nicht realisierbar sein, fordert der BWP, zumindest andere Strompreisbestandteile kurzfristig zu senken – insbesondere Umlagen und Netzentgelte. Hier mahnt der Verband jedoch an, dass Zuschüsse zu den Übertragungsnetzentgelten im Gegensatz zu Steuer-, und Umlagensenkungen nur mittelbar bei Endverbrauchern ankommen und sich durch die Netzentgeltstruktur regional unterscheiden. Daher müsse in jedem Fall sichergestellt sein, dass bei allen Bürgern die angekündigte Entlastung um 5 Cent pro Kilowattstunde auch auf der Stromrechnung ankommen.
Lob für Ankündigungen zur Förderung
Die Wärmewende stehe in der neuen Legislaturperiode vor großen Herausforderungen, so Sabel: „Deswegen begrüßen wir ausdrücklich, dass der Haushalt 2025 die Finanzierung der Wärmepumpen-Förderung absichert. Zugleich ist die Entscheidung für den Heizungswechsel immer von Kapital- und Betriebskosten geprägt. Deswegen kommt dem Verhältnis von Strom- und Gaspreisen eine große Bedeutung zu.“
Appell an die Bundesregierung: Kurskorrektur notwendig
Der BWP appelliert dementsprechend an die Bundesregierung, ihren Kurs im Sinne der Planungs- und Investitionssicherheit rasch wieder auf die Absprachen im Koalitionsvertrag zurückzuführen. Die Branche brauche Verlässlichkeit, um weiter zu investieren – in Produktionskapazitäten, Fachkräfte und Innovation. „Der Umstieg auf die Wärmepumpe ist gesellschaftlich und klimapolitisch gewollt – jetzt braucht es auch die passenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen“, so Sabel abschließend.
ZDH: Industriestrompreis geht in die falsche Richtung
Am 25. Juni hat die EU-Kommission neue Beihilfevorschriften veröffentlicht. Zu den Neuerungen gehören Entlastungen für ausgewählte Branchen energieintensiverIndustrieunternehmen. Dazu erklärt Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH):
„Aus Sicht des Handwerks hätte sich die EU-Kommission besser darauf beschränkt, im neuen Beihilferahmen - wie angekündigt – zulässige Investitionsbeihilfen zu regeln, um die Ziele des Clean Industrial Deal zu erreichen. Stattdessen hat sie dem Druck der deutschen Bundesregierung nachgegeben und den Weg für Entlastungen als Industriestrompreis ermöglicht. Auch wenn diese Entlastung zeitlich befristet und an Bedingungen geknüpft ist, bleibt es dabei: Ein Industriestrompreis ist grundsätzlich nicht geeignet, den Wirtschaftsstandort Europa und Deutschland zu stärken. Vielmehr verzerrt er den Wettbewerb zulasten von kleinen und mittleren Handwerksbetrieben, die diese Entlastung mitfinanzieren müssen.
Was in Deutschland und Europa wirklich gebraucht wird, ist eine strukturelle Entlastung bei den Energiekosten nicht allein für die Industrie, sondern für alle Betriebe und Unternehmen, besonders auch die energieintensiven Betriebe im Handwerk. Gefragt ist eine ganzheitliche Energiepolitik, die das Angebot stärkt, die Netz- sowie Speicherinfrastruktur voranbringt und den EU-Energiebinnenmarkt vollendet. Einseitige Privilegierungen helfen hingegen nicht weiter und sollten von der EU-Kommission nicht unterstützt werden.“
GIH: Energiewende muss bezahlbar bleiben
Die jüngsten energiepolitischen Weichenstellungen auf EU- und Bundesebene enthalten sowohl begrüßenswerte Impulse als auch Anlass zur Kritik – insbesondere mit Blick auf die Rolle von Energieeffizienz und sozial ausgewogene Entlastungen. Der Vorsitzende des Energieberatendenverbands GIH, Stefan Bolln, erklärt dazu:
„Wir begrüßen die Entscheidung der EU-Kommission zur Möglichkeit einen Industriestrompreis einzuführen, der eine staatliche Unterstützung für Unternehmen an klare Bedingungen knüpft: Mindestens 50 Prozent der Beihilfen müssen in klimaschonende Produktionsverfahren investiert werden. Diese Handhabe ist ein wichtiges Signal, um industrielle Wettbewerbsfähigkeit mit einer nachhaltigen Transformation zu verbinden und dauerhafte Energieeffizienzgewinne zu erzielen.“
Die geplante Kopplung von Industriestrompreis und Investitionen in klimafreundliche Prozesse zeige, wie gezielte staatliche Eingriffe zur nachhaltigen Umstellung beitragen können. Gerade Energieeffizienz müsse zur Grundbedingung für Förderungen werden.
Gleichzeitig bedauert der GIH, dass im Kabinettsentwurf für den Bundeshaushalt 2025 keine Senkung der Stromsteuer für Privathaushalte vorgesehen ist – obwohl diese Maßnahme im Koalitionsvertrag angekündigt war. Die einseitige Entlastung von Industrie- und Agrarbetrieben lässt wichtige Verbrauchergruppen außen vor. Das schwächt insbesondere den Anreiz zum Umstieg auf klimafreundliche Systeme wie Wärmepumpen.
„Es ist entscheidend, dass die Energiewende auch für Bürgerinnen und Bürger bezahlbar bleibt. Sie dürfen nicht nur Zuschauer sein – sie sind zentrale Akteure“, so Bolln.
Vor diesem Hintergrund fordert der GIH, dass die Mittel für Effizienz- und Sanierungsförderprogramme im Gebäudebereich trotz angespannter Haushaltslage unangetastet bleiben. Sie sind ein zentrales Element für den Klimaschutz und die soziale Ausgewogenheit im Land.