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Tipp vom Anwalt: Widerrufsrecht - Verbraucherbauvertrag versus Werkvertrag

Matthias Scheible

Die Vorschriften über den Verbraucherbauvertrag sind nur anwendbar, wenn der Auftragnehmer mit der Errichtung des gesamten Gebäudes oder erheblichen Umbaumaßnahmen insgesamt und nicht nur mit einem Teil davon beauftragt wird, der Bau also "aus einer Hand" erfolgt. Ein Werkvertrag über Fassadenarbeiten ist deshalb kein Verbraucherbauvertrag.

Wird ein Werkvertrag über Fassadenarbeiten nach der Durchführung eines Ortstermins allein über die Kommunikation per E-Mail geschlossen, kann er vom Auftraggeber nicht widerrufen werden (vgl. OLG Brandenburg, Urteil v. 10.11.2022, Az.: 12 U 69/22).

Wankelmütiger Auftraggeber

Der Auftraggeber (AG) beauftragt den Aufragnehmer (AN) mit Arbeiten an der Fassade seines Gebäudes. Zum Vertragsschluss kommt es zwischen dem AG und dem AN nach persönlicher Abstimmung auf der Baustelle in der Folge via E-Mail-Korrespondenz. Auf Basis dieses Vertrages und noch vor Leistungserbringung zahlt der AG an den AN einen Abschlagsbetrag auf das Gesamtentgelt. Unmittelbar danach „widerruft“ der AG den Vertrag und fordert die Anzahlung wieder zurück.

Vertrag per Mail kann nicht widerrufen werden

Das Gericht hat einen Anspruch des AG auf Rückgewähr der vom AG geleisteten Abschlagszahlung aus § 355 Abs. 3 Satz 1, § 357 Abs. 1 BGB abgelehnt. Das Gericht führt aus, dass nach diesen Regelungen ein Unternehmer dann verpflichtet ist, empfangene Leistungen einem Verbraucher zurück zu gewähren, wenn dem Verbraucher ein Widerrufsrecht durch Gesetz eingeräumt ist und der Verbraucher das Widerrufsrecht rechtswirksam ausübt hat. Diese Voraussetzungen lagen im konkreten Fall jedoch nicht vor.

Dem AG steht auch kein Recht zum Widerruf des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrags nach § 312g Abs. 1, § 355 Abs. 1 Satz 1 BGB zu. Denn der Vertragsschluss erfolgte allein über E-Mail, weshalb der für den Anwendungsbereich der Vorschrift erforderlichen gleichzeitigen körperlichen Anwesenheit der Vertragsparteien fehlt. Der Vertragsschluss erfolgte auch nicht unmittelbar nach persönlicher Ansprache des AG durch den AN Beklagte oder auf einem Ausflug gemäß § 312b Abs. 1 Nrn. 3, 4 BGB. Die Parteien haben auch keinen Fernabsatzvertrag geschlossen gemäߧ 312c BGB, weil die Parteien vor Abschluss des Vertrages Vertragsverhandlungen in persönlichen Gesprächen führten.

Schließlich war auch der Anwendungsbereich des § 650i BGB nicht eröffnet. Das Gericht erklärt, dass nach dem Wortlaut des Gesetzes die Vorschriften über den Verbraucherbauvertrag nur dann anwendbar seien, wenn der Unternehmer mit der Errichtung des gesamten Gebäudes oder erheblichen Umbaumaßnahmen insgesamt und nicht nur mit einem Teil davon beauftragt wird, der Bau also "aus einer Hand" erfolgt. Dies sei hier bei der Fassadenarbeiten nicht der Fall.

Vielmehr wertet das Gericht den Widerruf als freie Kündigung des Vertrages gemäß § 648 BGB, was sich im Abrechnungsverhältnis für den AG – anders als beim Widerrufsrecht - finanziell nachteilig auswirkt.

Leistungsumfang genau betrachten

Die Vorschriften über den Verbraucherbauvertrag sind nur anwendbar, wenn der AN mit der Errichtung des gesamten Gebäudes oder erheblichen Umbaumaßnahmen insgesamt und nicht nur mit einem Teil davon beauftragt wird. Hier bedarf es einer genauen Betrachtung des tatsächlich beauftragten und geschuldeten Leistungsumfangs.

Nach § 650 i BGB gelten Verbraucherbauverträge als Verträge, durch die der Unternehmer von einem Verbraucher zum Bau eines neuen Gebäudes oder zu erheblichen Umbaumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude verpflichtet wird. Der Verbraucherbauvertrag bedarf der Textform. Für Verbraucherbauverträge gelten ergänzend weitere Vorschriften. Der Unternehmer hat dem Verbraucher z.B. eine Baubeschreibung mit bestimmtem Inhalt sowie Planungsunterlagen zu übergeben etc. Liegt ein solcher Verbraucherbauvertrag vor, steht dem Verbraucher ein Widerrufsrecht gemäß § 355 BGB zu, außer der Vertrag wurde notariell beurkundet. Der Unternehmer ist außerdem verpflichtet, den Verbraucher nach Maßgabe des Artikels 249 § 3 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche über sein Widerrufsrecht zu belehren.

Die Rechtsfolge des Widerrufs ist die Rückabwicklung des Vertrages. Dies bedeutet, dass die noch nicht erfüllten Leistungspflichten entfallen und bereits erbrachte Leistungen grundsätzlich zurückzugewähren sind.

Wird ein Vertrag über Bau- bzw. Handwerkerleistungen außerhalb von Geschäftsräumen des Unternehmers geschlossen (z.B. auf der Baustelle), besteht zu Gunsten des AGs auch ein gesetzliches Widerrufsrecht (§ 312 BGB). Das Widerrufsrecht folgt im konkreten Fall allerdings auch nicht aus den erwähnten allgemeinen verbraucherschützenden Vorschriften bei Fernabsatz- oder außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen.

Rechtsanwalt Matthias Scheible ist Syndikusrechtsanwalt bei einem Wohnungsbauunternehmen und verfasst Artikel zu rechtlichen Themen auf haustec.de.

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