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Verschatten statt Kühlen: Sonnenschutz in Zeiten des Klimawandels

Das eine bedingt das andere – kein Fenster kommt ohne Verschattung aus. Zwar gehören die klassischen Klappläden bis heute zum Repertoire der Verschattungssysteme, jedoch haben sich deren Technologie, Materialität und Vielseitigkeit grundlegend geändert. Der angehende Klimawandel rückt zudem die Frage des sommerlichen Wärmeschutzes und den Schutz vor der UV-Strahlung in den Fokus. Claudia Siegele von der Redaktion unserer Schwesterzeitschrift GEB sprach mit Manuel Demel vom ift Rosenheim über die Verschattung als Sonnenschutz.

Herr Demel, welche Produktinnovationen der letzten Jahre sind für den Sonnenschutz richtungsweisend?

Der klassische starre Sonnenschutz ist längst nicht mehr zukunftsfähig. Moderne und innovative Lösungen arbeiten mit adaptiven Systemen, die sich flexibel an den Sonnenstand und die Sonneneinstrahlung anpassen, beispielsweise schaltbare Verglasungen oder steuerbare bzw. winkelselektive Verschattungen.

Besonders dynamisch entwickeln sich Gläser mit variablem g-Wert, sogenannte schaltbare Verglasungen. Diese Technologie ist drauf und dran, den Markt zu verändern – auch wenn der Blendschutz für Arbeitsplätze noch nicht ganz erreicht wird und die Kosten derzeit noch recht hoch sind. Auch das druckentspannte Isolierglas (DEMIG) eröffnet viele neue Möglichkeiten für die Integration von Sonnenschutz und Lichtlenkung im Scheibenzwischenraum.

Diese komplexen Systeme lassen sich aber nur bedingt mit klassischen Mess- und Rechenverfahren bewerten. Stattdessen bedarf es einer kalorimetrischen Messung, die quasi mit einer künstlichen Sonne arbeitet. Aber auch die klassischen Verschattungen wie Raffstore, Jalousien oder Rollladen haben sich weiterentwickelt – sie sind viel widerstandsfähiger gegen Wind, auch die Tageslichtlenkung sowie die Steuerung haben sich stetig verbessert. Wichtig ist, dass neue Produkte geprüft wurden. Da die normativen Anforderungen oft nicht ausreichen, wurden zusätzliche Prüfverfahren entwickelt, um die Gebrauchstauglichkeit zu gewährleisten.

Welche Vor- und Nachteile sind bei Jalousien/Raffstore, Markisen oder traditionellen Rollläden zu beachten?

Prinzipiell eignen sich alle Systeme technisch gut für die Verschattung. Rollläden bieten einen soliden mechanischen Schutz und können gleichzeitig die Einbruchhemmung und die Wärmedämmung verbessern. Raffstores/Jalousien bieten mehr Möglichkeiten für die Tageslichtlenkung, erlauben größere Spannweiten und sind leichter, sodass diese oft bei Glasfassaden oder Fensterbändern zum Zuge kommen. Allerdings gibt es hier bei der mechanischen Festigkeit engere Grenzen.

Markisen bieten eine riesige Vielfalt an Farben und Design und erlauben im Fall von Markisoletten, also Senkrechtmarkisen, die Kombination von Sonnenschutz sowie optimaler Fensterlüftung und Sichtkontakt nach draußen. Daher sind oft das Design, die Kosten und der individuelle Nutzen für die Auswahl entscheidend. Eine kleine Übersicht mit Vor- und Nachteilen finden sie auf der Website des ift Rosenheim.

Was ist bei einer energetischen Sanierung hinsichtlich des Sonnenschutzes zu beachten, auch in Kombination mit Fensterlüftungssystemen?

Bei der energetischen Sanierung vergrößern sich oft auch die Fensterflächen, sodass ein Sonnenschutz baurechtlich notwendig wird. Kommt ein WDVS an die Fassade, wird häufig eine solide Befestigung des Sonnenschutzes erschwert, insbesondere wenn die Fenster in der Dämmebene liegen.

Moderne Fenster verfügen heute meistens über integrierte Lüftungssysteme, die durch die Verschattung nicht behindert werden dürfen. Das gilt besonders für Rollläden, die aus Wärmeschutzgründen oft sehr luftdicht schließen. Hier muss der Planer an geeignete Vorrichtungen denken, um die permanente Lüftung sicherzustellen.

Welche Relevanz hat ein Rollladen für den Wärmeschutz eines Fensters?

Luftdicht ausgeführte Rollläden können den Wärmeschutz spürbar verbessern, insbesondere in den kalten Nachtstunden. Maßgeblich ist hierbei die Luftdurchlässigkeitsklasse des Rollladens einschließlich des Anschlussdetails, sprich die Rollladenschiene. Zu beachten sind die Vorgaben der EN 13125 sowie der Wärmedurchlasswiderstand Δ R des Rollladenpanzers.

Allerdings reduzieren bereits geringe Luftleckagen die Wirkung, da dann die dämmende ruhende Luftschicht gestört wird. Berechnungen nach EN ISO 13790 auf Basis des Einraummodells zeigen aber, dass sich bei alten Fenstern Einsparungen von 40 bis 100 kWh pro m² und Jahr ergeben (Standort Würzburg, d. Red.). Das ist vor allem bei der Sanierung und alten denkmalgeschützten Fenstern interessant, die sich nicht so einfach austauschen lassen. Bei modernen Wärmeschutzfenstern fällt der Einfluss natürlich geringer aus.

Detaillierte Informationen finden sich in der ift-Fachinformation WA-23 – Energie sparen mit temporärem Wärmeschutz (TWS). Ein ähnlicher Effekt ergibt sich übrigens auch für den inneren Abschluss was den Blend-/Sichtschutz angeht, insbesondere wenn dieser einen hohen Wärmedurchlasswiderstand Δ R hat, beispielsweise ein Doppelkammer-Wabenplissee.

Stichwort Smart Home – die Automatisierung bei der Haustechnik ist längst eine feste Größe bei der Gebäudeplanung. Kommt man beim Thema Sonnenschutz überhaupt noch darum herum?

Den besten Nutzen bringt ein Sonnenschutz, wenn er gesteuert wird, denn so lassen sich mögliche solare Energiegewinne maximal nutzen. Die Grenze ist dann die individuell einstellbare Grenztemperatur des Innenraums oder auch die solare Einstrahlung auf die Fassade.

Ohne Steuerung kommt es gerade bei öffentlichen Gebäuden zu erheblichen Überhitzungen, wenn die Nutzer am Ende eines Bürotages die Verschattung hochfahren, was häufig ja sogar betrieblich gefordert wird. Dann „brennt“ gerade auf der Westseite die Sonne auf die Glasfront und heizt die Räume stark auf. In privaten Wohnungen wird der Sonnenschutz meistens morgens runter und abends hochgemacht, weil ja kein Tageslicht gebraucht wird. So lassen sich im Herbst und Frühling aber die solaren Gewinne nicht nutzen.

Berechnungen des Fachbereichs Gebäudeautomation der TH Rosenheim zeigen, dass im Nicht-Wohnbau Verbesserungen von 15 bis 20 % erreichbar sind und die Kennwerte im Energieausweis um bis zu 10 % besser ausfallen können.

Was sind die häufigsten Fehler, die bei der Planung von Sonnenschutzsystemen zutage treten und auf welche Stolperfallen muss ich als Energieberaterin beim Nachweis mit den Softwareprogrammen achten?

Zunächst einmal möchte ich betonen, dass ein rechnerischer Nachweis des sommerlichen Wärmeschutzes baurechtlich gefordert ist. Für einfache Wohngebäude reicht der vereinfachte Nachweis über den Sonneneintragskennwert nach DIN 4108-2 noch aus. Aber bei größeren Glasflächen sollte schon genauer gerechnet werden.

Das Ziel der Planung muss sein, die solaren Gewinne zu maximieren und im Gegenzug Überhitzungen zu vermeiden, damit es keiner aktiven Klimaanlage bedarf. Gebäudeenergieberater sollten die Verschattung deshalb auch im Kontext mit der Lüftung planen, insbesondere mit den Möglichkeiten der Nachtauskühlung über Lüftungssysteme oder am einfachsten durch geöffnete Fenster.

Ein Planer muss aber immer auf die Wechselwirkung von Glas und Sonnenschutz achten sowie weitere Anforderungen, z. B. Schallschutz. Hier sollte mit dem realistischen gtotal Wert gerechnet werden. So ergibt sich beispielsweise bei einem weißen Rollladen als Sonnenschutz für ein 2-fach Wärmeschutzglas ein g-total Wert von 0,16 und für ein gutes 3-fach Sonnenschutzglas ein g-total Wert von 0,08 – das ist eine Abweichung von 50 %! Dies führt dann oft zu falschen Produkt- und Investitionsentscheidungen, insbesondere bei der Frage, ob eine Klimatisierung notwendig ist oder nicht.

Deshalb sollten die Herstellerangaben für die Berechnung kritisch geprüft werden. Im Zweifel sollten Energieberater beim Hersteller und Architekten die notwendigen Eingangswerte zur Ermittlung des gtotal Werts einholen.

Das Interview führte Claudia Siegele. Es ist zuerst in Gebäude Energieberater 03/2021 erschienen. 

M.BP. Dipl.-Ing. (FH) ­Manuel ­Demel arbeitet seit 2009 beim ift Rosenheim. Er ist Projektingenieur in der Forschung und stellvertretender Prüfstellenleiter im Labor Bauphysik. Schwerpunkt seiner Arbeit ist die Ermittlung und Bewertung bauphysikalischer Kennwerte für alle Bauteile in der Gebäudehülle. Er vertritt das ift Rosenheim in mehreren Normen- und Fachausschüssen und gibt seine Erfahrung als Referent und Autor weiter.

Detaillierte Informationen zu den hier besprochenen Sachverhalten finden sich auf der Themenseite ift-rosenheim.de/Sonnenschutz und der ift-Fachinformation WA-19 Sonnenschutz.

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