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Warum es für Fernwärmeanschlüsse keinen Wettbewerb gibt

Martin Schellhorn
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Fernwärme macht es möglich: Selbst ein Braunkohle-Kraftwerk mit hohen CO2 -Emissionen wartet mit einem Primärenergiefaktor von 0,7 auf.

Es klingt wie ein schlechter Witz, ist jedoch 2017 bundesdeutsche Realität: Die freie Wahl eines Heizsystems ist bereits in über 1000 Städten und Gemeinden stark eingeschränkt oder vollständig verboten. Vielmehr wird vorgeschrieben, dass Fernwärme eingesetzt werden muss. Zu den Konditionen und Bedingungen, die der Fernwärme-Netzbetreiber vorschreibt. Ohne eine Chance sich zu wehren. Ohne Möglichkeit, frei zu entscheiden.

Zum Vergleich: Das ist so, als ob jemand sagt: "Wenn Sie Auto fahren wollen, dürfen Sie nur dieses Modell kaufen. Und das zu dem von mir festgelegten Preis. Ansonsten müssen Sie halt laufen. Punkt." Ob das Auto effizient ist oder nicht. Ob der Preis für das Auto gerechtfertigt ist oder nicht. Ob das Auto den eigenen Vorstellungen und Wünschen entspricht oder nicht. Und um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen, wird dann auch vorgeschrieben, wo man zu tanken hat. Denn andere Tankstellen können den speziell für dieses Auto passenden Treibstoff nicht liefern. Unvorstellbar? In der Wärmeversorgung muss dieses Vorgehen immer häufiger genauso akzeptiert werden.

Das Problem dabei: Wärmenetze und Fernwärme lassen sich generell nicht "über einen Kamm scheren". Vielmehr hat der Bundesgerichtshof seine Definition von Fernwärme Ende 2011 recht weit gefasst: "Wird Wärme von einem Dritten nach unternehmenswirtschaftlichen Gesichtspunkten eigenständig produziert und an andere geliefert, so handelt es sich um Fernwärme. Auf die Nähe der Anlage zu den versorgenden Gebäuden oder das Vorhandensein eines größeren Leitungsnetzes kommt es nicht an."

Braun- und Steinkohle-Kraftwerke produzieren in Deutschland 40% des Stroms, sind aber derzeit für 80% der CO2 -Emissionen der Bruttostromerzeugung verantwortlich.

Vom Braunkohle-Kraftwerk bis zur kalten Nahwärme

Betrachtet man dazu, aus welchen Quellen Wärmenetze tatsächlich gespeist werden, lässt sich die Dimension des Wirtschaftszweigs Fernwärme erst richtig einschätzen. Das Spektrum reicht von alten Kohle-Kraftwerken, die Abwärme noch gewinnbringend verkaufen wollen bis hin zu modernen und hocheffizienten Kalt-Nahwärmenetzen auf der Basis erneuerbarer Energieträger. Die tatsächlichen Wärmequellen sind Braunkohle, Steinkohle, Erdgas, Öl, Biogas und andere Biomasse, Müll, Industrie-Abwärme, Geothermie, Solarthermie, Kraft-Wärme-Kopplung aus kleineren Anlagen und neuerdings Power to heat.

Weiterhin spielen die Temperaturen im Wärmenetz eine wichtige Rolle. Diese reichen von 180°C bei Hochdruck-Heißwasser über 160°C bei Hochdruck-Dampf bis hin zu Kaltwasser mit 15 bis 25°C als Wärmequelle für Wärmepumpen. Die Wärmeverluste, und damit die Effizienz sowie Nachhaltigkeit der Wärmenetze bei diesen sehr unterschiedlichen Temperaturen, sind leicht nachvollziehbar. Ebenso einfach fällt die Betrachtung der einzelnen Wärmequellen. Die Wärmeträger unterscheiden sich in ihrer Ökobilanz in puncto Klimaschutz deutlich. So lässt sich der CO2-Ausstoß eines Braunkohle-Kraftwerkes kaum mit Geothermie-Konzepten vergleichen oder gar gleichstellen.

Die Definition von Fernwärme kann äußerst weit gefasst werden und umfasst ein heterogenes Spektrum an Wärmequellen und Netztemperaturen.

Grundsätzlich scheinen diese einfachen Abhängigkeiten jedoch nicht für Wärmenetze zu gelten. Wie sonst lässt es sich erklären, dass ein unbestritten als CO2-Schleuder anzusehendes Braunkohle-Kraftwerk mit einem Primärenergiefaktor von 0,7 eingestuft wird, sobald ein Wärmenetz im Spiel ist? Mit Klimaschutz und einer Wende hin zu erneuerbaren Energieträgern hat das nichts zu tun.

 

Primärenergiefaktoren PEF von Wärmenetzen in Deutschland: Fast 82 % aller Wärmenetze weisen Primärenergiefaktoren 0,7 auf.

Rund 82 % aller Wärmenetze erreichen einen Primärenergiefaktor von 0,7

Beim Primärenergiefaktor handelt es sich prinzipiell um einen nützlichen Bewertungsmaßstab, der hilft, unterschiedliche Energieträger miteinander zu vergleichen. Je geringer der Primärenergiefaktor, desto besser ist die primärenergetische Effizienz inklusive der gesamten Lieferkette. Für Braunkohle liegt er beispielsweise bei 1,2, für Erdgas bei 1,1. Für Strom beträgt der Primärenergiefaktor derzeit 1,8 – mit sinkender Tendenz.

Wie relevant der für Fernwärmenetze herangezogene Primärenergiefaktor von 0,7 ist, zeigt eine Untersuchung der 3372 Wärmenetze in Deutschland: 81,7 % aller Wärmenetze erreichen – teils durch die Zusammensetzung mehrerer Energiequellen – einen Primärenergiefaktor von 0,7. Einen direkten Rückschluss vom Primärenergiefaktor auf die CO2-Emissionen gibt es allerdings nicht – obwohl die Verringerung der CO2-Emissionen beim Klimaschutz das primäre Ziel ist.

Doch wie entwickelt sich die Fernwärme in Deutschland derzeit? Betrachtet man die Heizungsstruktur im bundesdeutschen Wohnungsbestand, liegen Erdgas und Heizöl in den letzten 15 Jahren mehr als deutlich auf Platz 1. Die Fernwärme hält sich bei weitgehend 12 bis 13% stabil auf Platz 2. Langsam erobert sich die Wärmepumpe einen neuen Rang.

Betrachtet man dagegen die Heizungsstruktur im Neubau, ergibt sich ein ganz anderes Bild. Hier dominiert in der Hälfte aller Fälle zwar noch der Energieträger Erdgas. Die Fernwärme jedoch hat ihren Anteil innerhalb von zehn Jahren mehr als verdoppelt. Ähnlich sieht es bei der Zukunftstechnologie Wärmepumpe aus. Auch hier sieht man einen klaren Aufwärtstrend. Mit jeweils rund 20 % Marktanteil im Neubau.

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