Tipp vom Anwalt: Widerrufsrecht bei auf Messen abgeschlossenen Verträgen
Ein Verbraucher, der an einem Messestand einen Vertrag über die Planung, Lieferung und Montage eines Kaminofens geschlossen hat, hat kein Widerrufsrecht (vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 28.10.2019 , Az.: 5 U 72/19).
1. Sachverhalt (verkürzt)
Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem Vertrag über die Planung, Lieferung und Montage eines Heizkamins, von dessen Durchführung Abstand genommen wurde.
Der Auftragnehmer (AN), eine Fachfirma für Kachelofen- und Kaminbau, und der Auftraggeber (AG) schlossen auf einer Verkaufsmesse des AN nach einem etwa 1,5-stündigen Beratungs- und Verkaufsgespräch einen Vertrag über die Planung, Lieferung und Errichtung eines wassergeführten Heizkamins. In der Folgezeit erklärte der AG mit Schreiben den Rücktritt vom Vertrag unter Berufung auf ein 14-tägiges Rücktrittsrecht. Darüber hinaus ließ er mit anwaltlichem Schreiben den Vertrag widerrufen, vorsorglich kündigen und hilfsweise seine Willenserklärung anfechten.
Der AN fordert anteilige Vergütung vom AG. Dabei berücksichtigt der AN vom vereinbarten Netto-Werklohn im Einzelnen konkret dargelegte, "nicht erbrachte Leistungen für Material", sowie "nicht erbrachte Montageleistungen netto", ersparte Speditionskosten sowie ersparte Aufmaßkosten.
2. Entscheidung
Das Gericht entscheidet zu Gunsten des AN. Der AG habe den zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag weder wirksam angefochten, noch widerrufen, noch sei er von diesem zurückgetreten. Der AN hingegen habe den Anspruch schlüssig und substantiiert dargelegt. Im Wesentlichen beschäftigt sich die Entscheidung damit, ob und inwieweit dem AG ein Widerrufsrecht zusteht.
2.1 Widerrufsrecht
Das Gericht führt aus, dass der Vertrag nicht wirksam gemäß §§ 312 b, 312g Abs. 1, 355 Abs. 1 BGB widerrufen wurde. Der AG habe nicht dargetan, dass ihm ein Widerrufsrecht zustand. Dies wäre vorliegend nur dann der Fall gewesen, wenn es sich bei dem streitgegenständlichen Vertrag um einen sogenannte Außergeschäftsraumvertrag gehandelt hätte.
2.1.1 Geschäftsräume
Geschäftsräume sind unbewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit dauerhaft ausübt, und bewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit für gewöhnlich ausübt.
2.1.2 Sichtweise des EUGH zu Messeständen
Der EUGH hat hierzu ausgeführt, dass ein Messestand, an dem der Unternehmer seine Tätigkeiten an wenigen Tagen im Jahr ausübt, unter den Begriff "Geschäftsräume" fällt, "wenn in Anbetracht aller tatsächlichen Umstände rund um diese Tätigkeiten und insbesondere des Erscheinungsbilds des Messestandes sowie der vor Ort auf der Messe selbst verbreiteten Informationen ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Verbraucher vernünftigerweise damit rechnen konnte, dass der betreffende Unternehmer dort seine Tätigkeiten ausübt und ihn anspricht, um einen Vertrag zu schließen, was vom nationalen Gericht zu prüfen ist" (EuGH, Urteil vom 07. August 2018 - Rs. C-485/17 -).
2.2 Sichtweise Gericht
Das Gericht entschied im konkreten Fall, dass dem AG ein Widerrufsrecht nicht zustünde, weil es sich bei dem konkreten Messestand des AN, an dem der Vertrag geschlossen wurde, um einen Geschäftsraum handele. Ebenso griff eine Rücktrittserklärung nicht. Ein vertragliches oder gesetzliches 14-tägiges Rücktrittsrecht stand dem AG nicht zu; ein Rücktrittsgrund war nicht ersichtlich.
3. Grundsätzliches und Fazit
Bei Verträgen mit Verbrauchern gelten besondere Regeln. Dabei erlaubt das Widerrufsrecht einem Verbraucher, einen Vertrag ohne Angabe von Gründen rückgängig zu machen. Nach einem berechtigten Widerruf wird der Vertrag rückabgewickelt. Der Verbraucher erhält das von ihm gezahlte Entgelt zurück und der Unternehmer kann das, was nicht wesentlicher Bestandteil des Gebäudes geworden ist, wieder mitnehmen.
Die Pflicht zur Zahlung von Wertersatz setzt voraus, dass der Verbraucher ausdrücklich verlangt hat, dass der Handwerker seine Tätigkeit vor Ablauf der Widerrufsfrist aufnimmt und er vom Unternehmer darüber belehrt wurde, dass er im Fall des Widerrufs Wertersatz zu leisten hat. Einen Anspruch auf „Rückbau“ hat der Verbraucher aber nicht.
Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage. Die Frist beginnt bei Werkleistungen bei Vertragsschluss. Bei Kaufverträgen beginnt die Frist erst, wenn der Verbraucher die Ware erhalten hat. Das Widerrufsrecht entfällt in folgenden Fällen:
- Der Kunde kommt ohne zuvor mit dem Handwerker Kontakt gehabt zu haben in die Werkstatt, in die Bäckerei, in das Ladenlokal etc. und schließt dort einen Vertrag.
- Bei dringenden Reparatur- und Instandhaltungsarbeiten, wobei hiervon nur Notfälle umfasst sind (z. B. Rohrbruch/Wasserschaden).
- Sobald der Unternehmer die Dienstleistung vollständig erbracht hat. Diese Ausnahme setzt allerdings voraus, dass der Verbraucher vor Vertragsschluss ausdrücklich bestätigt, dass der Unternehmer vor Ablauf der Widerrufsfrist mit der Dienstleistung beginnen darf.
Aus Verbrauchersicht ist aber generell Vorsicht bei Vertragsschlüssen auf Messen und ähnlichen Veranstaltungen geboten.